Deutsche Nihilisten & Finanzterroristen in Hollywood

05.05.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Alan Rickman in Stirb Langsam
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Alan Rickman in Stirb Langsam
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Zum Abschluss der Reihe über die Bilder der Deutschen in amerikanischen Filmen wenden wir uns einem kleinen Potpourri aus Terroristen, Bankräubern und Ostdeutschen zu. Schnösel und Megalomanen auf der einen Seite, Naivlinge auf der anderen.

Falls es jemandem nach fünf Artikeln und wahrscheinlich jeder Menge selbst gesehener Filme noch nicht aufgefallen ist: Die Deutschen werden sehr gerne als Bösewichte und Arschlöcher dargestellt. Braucht jemand in Hollywood einen größenwahnsinnigen oder spleenigen Gegenspieler, dann bieten sie sich scheinbar unausweichlich an. Zu tief hatten Nazis und Nazipropaganda ein schon latentes Bild abgerundet. Nur in Deutschland selbst schien dies nicht so gut anzukommen. Zumindest gingen Verleihe davon aus. Lange wurde es verheimlicht und versteckt, das Image der Deutschen. Rom, offene Stadt gibt es bis heute hier in diesem Land nur gekürzt auf DVD – mit einer Synchronisation, die den Nazis systematisch nettere Sachen in den Mund legt, als es im Originalton der Fall ist. Casablanca wurde 1952 sogar in einer umgeschnittenen Version gänzlich ohne SS und Die Wacht am Rhein-Gesänge in die Kinos gebracht. Aus einem großen Widerstandskämpfer war ein Atomphysiker geworden, der um eine Formel kämpfen musste.

Die sensible Seele der Deutschen musste geschützt werden. Einer der schönsten Moment im Leben eines jeden Stirb langsam -Fans ist deshalb, wenn er mal in den Originalton schaltet und feststellt, dass Jack Gruber gar nicht Jack Gruber heißt, sondern Hans. Nirgends ein Charlie im Nakatomi-Tower, dafür Karl, Fritz und Heinrich, die monumentale Dinge sagen wie: „Mach los! Bewege er!“. Deutsche, die ganz im Geist der Zeit ihre terroristische Vergangenheit abgelegt haben, falls sie sie jemals hatten. Mondäne Snobs, die vielleicht wirklich einmal für eine bessere Welt gekämpft hatten, nun aber nur den eigenen Vorteil verfolgen. Finanzwelt statt RAF. Allen voran Alan Rickman, skrupelloser Gentleman im feinen Zwirn, gibt hier eine bravouröse Leistung als Herrenmensch, der die Dummheit der niederen Menschen verlacht, der Unmengen gerissene Pläne hat und der auch mal jämmerliches Schmierentheater spielt, wenn er seine Haut retten muss. Der aber, von den Gewaltausbrüchen abgesehen, im Gegensatz zu den Nazis immer ein angenehmer Gesprächspartner ist. Kein Teufel, sondern ein gut erzogener Terrorist unter neoliberalen Vorzeichen. Fast wie ein Bondbösewicht ohne Weltherrschaftspläne.

Und was ist der Bondbösewicht im Film, wenn nicht ein Deutscher – wenigstens unter der Haut. Denn da wo Ian Flemming peinlich genau darauf achtete, seine Bösewichte rassisch zu bestimmen und den Grad ihrer Verkommenheit mit der Größe ihrer Ohrläppchen zu charakterisieren, da waren die Filme immer etwas weniger exakt. Goldfinger wurde beispielsweise mit Gert Fröbe besetzt, weil er eben ein großer Fiesling mit Klasse sein konnte – und mit deutschem Akzent. Und so wie der Kalte Krieg, der in den Büchern omnipräsent ist, versteckt wurde, so waren die Filme immer etwas weniger penetrant bei der Festlegung von Nationalitäten. Aber die deutschen oder österreichischen Schauspieler als Widersacher hatten Tradition, weil es anscheinend so sein musste.

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James Bond-Filme kommen jedoch aus Großbritannien und sind deshalb weniger von Belang für diese Reihe. Bei Stirb langsam – Jetzt erst recht jedenfalls wurde die Herkunft von Simon Peter Gruber (Jeremy Irons), dem Bruder von Alan Rickmans Hans Gruber, nicht mehr kaschiert. Vielleicht war die deutsche Seele im Auge von Verleihern und Synchronstudios Mitte der 90er etwas widerstandsfähiger. Aber vielleicht lag es auch daran, dass der Geist der Zeit wieder eingriff. Denn im Gegensatz zu Hans, dem radikalen Yuppie der 80er, wird Simon Peter als Überbleibsel der zusammengebrochenen DDR eingeführt. Ein Elitesoldat, der Tarnung und Täuschung verinnerlicht hat – fast ein Meister wie die Nazis zuvor. Mit „Yeah, yeah, I saw the movie“ würgt McClane jede weitere Erklärung ab. Wer braucht sie auch. Und wer brauchte schon Schutz, wenn der Ossi der Böse ist.

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