Maschinen, Lederhosen und die deutsche Kultur

28.04.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bierfest
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Wenn die deutsche Kultur in Hollywoodfilmen dargestellt wird, dann ist sie nicht weit, die Lederhose. Wie Wurst und Bier scheint sie für eine deutsche Kultur zu stehen, die besonders gerne durch den Kakao gezogen wird. Was nicht jedem gefällt.

Als der FC Bayern München letztes Jahr die Champions League gewonnen hat, da haben sich die internationalen Schlagzeilen überschlagen mit Bildern eines europäischen Fußballs, der in die Hand einer unerbittlichen Maschine geraten war. Der gar von einem Panzer überrollt wurde. Während Real Madrid wohl immer das weiße Ballett bleiben wird und entzücktes Staunen evoziert, steht der FC Bayern in Momenten des Erfolgs für brutale Überwältigung. Aus einer international buntgemischten Mannschaft wurden 11 Mannmaschinen, die gleich einem österreichischen Bodybuilder in seiner Musterrolle den Gegner terminierten.

Und so wie Arnold Schwarzenegger bei einem Castinggespräch mit James Cameron – welcher eigentlich nur einen Vorwand suchte um den eben berühmt gewordenen Barbaren als möglichen Kyle Reese endlich loszuwerden – ein überzeugendes Feuer abgebrannt haben muss, wie der Terminator zu spielen sei, so haben sich viele Deutsche, denke ich, mit diesem Bild abgefunden und angefreundet. Wenn einem schon Pünktlichkeit und bürokratische Starre nachgesagt werden, dann doch bitte in Form einer unerbittlichen, bedrohlichen Maschine. Modern, technisch, Benz, Bayer, Siemens, oder um es mit Hans Söllner zu sagen: „Auf’s Oktoberfest fahr ma mim Radl, oba a Mountainbike muaß sei!“ Wenn die eigene Nationalität also in einem Film ausgeschlachtet wird, dann gibt es schlimmeres als wie in Hellboy II – Die goldene Armee mit dem Geist in der Maschine namens Johann Krauss in einen Topf geworfen zu werden. Dieser ist vielleicht ein engstirniger Paragraphenreiter, aber stark, schlau und mit seinem steamgepunkten Taucheranzug der Welt technisch weit voraus. Ein Hanswurst, aber einer, der alle Ehren wert ist.

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Ein gänzlich anderer Film als die eben genannten hat im deutschen Sprachraum nie ein Bein auf den Boden bekommen. Anderswo ließ er die Kassen klingeln und die Gemüter vor Glück beben. Kultisch verehrt in England und den USA ist Meine Lieder, meine Träume in Deutschland und Österreich bestenfalls als irgendein altes Musical im Gedächtnis geblieben. Mit der Geschichte kann diese Verschmähung kaum erklärt werden. Eine Novizin wird zum Kindermädchen im Hause von Trapp. Sie gewinnt sämtliche Herzen mit ihrer beständigen Fröhlichkeit, wird Baronin von Trapp und verwandelt die Familie in einen erfolgreichen Gesangstrupp, der vor den Nazis, die gerade Österreich annektieren, fliehen muss. In Ländern, wo die Kelly Family zum Massenphänomen werden konnte, kann dies doch nicht auf Ablehnung stoßen. So wurde der gleiche Stoff als Die Trapp-Familie schon 10 Jahre früher verfilmt und war ein unverschämt erfolgreicher Heimatfilm. Was war also passiert?

Die atomare Freude, die The Sound of Music (so der englische Titel) größtenteils verbreitet, der Diabetes auslösende Zuckerguss, der über weiten Teilen des Films liegt, werden ihr nötiges getan haben. Nicht das Filme mit solchen Eigenschaften nicht auch im deutschen Sprachraum Erfolg hatten, aber da ging es nicht um die eigene Kultur. Sicherlich spielt The Sound of Music in Österreich, aber in Deutschland herrschte noch so viel kulturelle Verbundenheit und Misstrauen in die Fähigkeit des amerikanischen Publikums, zwischen beiden Nationen zu unterscheiden, dass der Film eine latent anpissende Wirkung auch dort gehabt haben muss. Da wurde über Schnitzel mit Nudeln gesungen, weil es sich auf Apfelstrudel reimte. Ein verträumtes, schnulziges Lied über Edelweiß wurde zur Widerstandshymne. Und vor allem das Jodeln im The Lonely Goatherd widersprach allen ernsthaften Bewahrungsbemühungen von nationaler Kultur. Alles war falsch und zeigte die österreichisch/deutsche Kultur als bunt verkitschten Brei aus Klischees. Zu sehr wurden nette, süße Hinterwäldler gezeigt, die fast schon Ewoks glichen. Zu sehr muss es sich als Verhohnepipelung angefühlt haben, um die Herzen der Masse im Sturm zu erobern. Die Geschichtsvergessenheit der Heimatfilme wurde wie in einer Satire zum verrückten Grinsen des Jokers. Sicherlich gab es mehrere Gründe für den Misserfolg, aber viel lag darin, dass hier nicht ernstnehmbare Süßigkeit auf eine Identität projiziert wurde, die gerade mit ihrem Stolz rang.

Aber die USA lieben die Deutschen in ihren Lederhosen. Ein althergebrachtes Bayern als phantasierte Kultur eines ganzen Landes, die aber meist eben nicht wie in The Sound of Music nur süß ist, sondern auch ein herbes Urvieh in der Seele wohnen hat. Wenn die Griswolds in Hilfe, die Amis kommen! beispielsweise nach Deutschland kommen, dann wird erst einmal Schuhplattler getanzt und sich dabei urig ins Gesicht geklatscht. Alle tragen Lederhosen und das Oktoberfest scheint eine tägliche Angelegenheit zu sein. Nicht das es was mit der Realität zu tun hätte, aber so muss es sein, so wird der Deutsche schon durch seine Anwesenheit wieder zum Spaßmacher.

Einen schmählich unterschätzen Film gibt es, der die Lederhosenkultur auf die Spitze treibt. Der ein einziges deutsches Lederhosenklischee ist: Bierfest. Er handelt von einem geheimen Untergrundbiertrinkfestival während des Oktoberfests, veranstaltet von der Familie von Wolfhausen, in dem jährlich entschieden wird, wer die größten Biertrinker der Welt sind. Und die Deutschen sind natürlich unschlagbar. Wie The Sound of Music ist er gnadenlos in Deutschland gescheitert. Was einerseits daran liegt, dass er synchronisiert keinen Sinn ergibt, weil einer der größten Freudenherde von Beerfest die miesen deutschen Akzente der von Wolfhausens und das unsagbar bescheuerte Deutsch, das sie reden, sind. Aber auch weil er blöd zu sein scheint, verfehlte er sein Publikum. Der Witz ist so albern wie obszön und die Trinkspiele beim Wettstreit des Bierfests sind so deutsch wie Ronald McDonald. Aber wie er eine zielsichere Hommage an Martial Arts-Wettkampffilme wie Karate Tiger IV – Best of the Best ist, so bietet er auch eine wunderbar alberne Landkarte des lederbehosten Deutschen, wie er in den USA oft imaginiert wird. Mitleidlos und rabiat ist er, wie gerade vom Holzhacken gekommen. Ein stiernackiges Tier, das mit neusten Trainingsmethoden Ziegenpisse trinkt, um besser Schlucken zu können. Untertanen, die denken, sie seien Herrenmenschen, weil sie auf allem herumtreten, was unter ihnen ist. Die Bier aus riesigen Glasstiefeln trinken und auch sonst seltsame Sitten haben. Und natürlich verlassen sie nie ihre bayerische Tracht, die sie wie Superheldenkostüme des Biertrinkens tragen.

Und darüber kann in Deutschland scheinbar nicht mehrheitsfähig gelacht werden, wenn nämlich über sie gelacht wird – aus den falschen Gründen. Wenn sie die Blöden sind, die in eine Ecke mit volkstümlichen Schlager gesteckt werden und dann auch noch alles unter Vorzeichen eines Fast Food Amerika. Es gab bei Beerfest wie bei The Sound of Music sicherlich viele Gründe für den Misserfolg, aber es ist schade, weil in beiden herrlich über eine Phantasie des Deutschseins gelacht werden kann.


Robert Wagner redet nicht viel. Geht es um Filme, kann man ihn aber kaum stoppen. Mit ihnen versucht er, sich, die Menschen und die Welt zu erklären… und scheitert regelmäßig. Wenn er nicht als Lohnsklave arbeitet, schreibt er bei the-gaffer.de, Eskalierende Träume oder für die Multimania.

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