Das chaotische Kabinett des Terry Gilliam

22.11.2010 - 08:50 Uhr
Grenzenlose Phantasie
Sony & moviepilot
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Kein anderer Regisseur im Mainstream hat so durchgeknallte Filme gemacht wie Terry Gilliam. Nun wird der professionelle Chaos-Stifter 70. Wir gratulieren ihm zu seiner unbändigen Phantasie und werfen einen Blick auf sein bisheriges Schaffen.

Terry Gilliam: Dieser Name steht für schrille Bilder, schräge Figuren und rabenschwarzen Humor. Der heutige Jubilar hat das Kino mit einigen der phantasievollsten und bildgewaltigsten Filmen bereichert. Er ist ein Don Quixote des Kinos, der allzu oft den Kampf gegen die Mühlen der Hollywoodindustrie aufnehmen musste. Als Schöpfer von Bilderstürmen wie Brazil, 12 Monkeys und Das Kabinett des Doktor Parnassus hat Terry Gilliam einen charakteristischen Stil entwickelt.

Die Geburt des Regisseurs aus dem Schoß der Monty Pythons
Bevor der gebürtige Amerikaner allerdings die Karriereleiter in seinem Heimatland erklomm, machte er sich als Gründungsmitglied einer nicht ganz unbekannten britischen Komikertruppe einen Namen. In seinen Jahren bei Monty Python sammelte Terry Gilliam seine ersten Erfahrungen im Schreiben von Drehbüchern und auch schon als Regisseur von Kurzfilmen wie Storytime und The Miracle of Flight. Seinen ersten Langspielfilm Die Ritter der Kokosnuß, ein Python-Klassiker, inszenierte er noch gemeinsam mit Terry Jones. Danach folgten mit Jabberwocky und Time Bandits seine ersten Soloprojekte, in denen jeweils noch einige seiner Python-Kumpanen mitwirkten.

Flegeljahre mit verrückten Einfällen
Endgültig etablierte sich Terry Gilliam 1985 als unabhängiger und vor allem nicht mehr nur komischer Regisseur mit der dystopischen Sci-Fi-Groteske Brazil. Darin schuf er das alptraumhafte Bild eines zukünftigen Überwachungsstaates und ließ den Zuschauern zum Schluss das Lachen im Halse stecken bleiben, weswegen der Film an den Kassen nur ein mittlerer Erfolg war und die Produzenten später auch eine zahmere Version mit Happy-End für die zärteren Gemüter zusammenstückelten. Bei den Kritikern erwarb sich Terry Gilliam allerdings mit Brazil den Ruf eines Federico Fellini Hollywoods. Sein nächster Streich Die Abenteuer des Baron Münchhausen ist zwar nicht so düster wie Brazil, aber derart vollgestopft mit verrückten Einfällen und überkandidelten Figuren, dass er an der Kinokasse floppte.

Auf dem Gipfel des Ruhms
In den 90er Jahren landete Terry Gilliam schließlich seine größten Erfolge. Nachdem er ja schon in Die Ritter der Kokosnuß die Artussage aufs Köstlichste persifliert hatte, schuf er mit König der Fischer eine moderne und höchst anrührende Version der Suche nach dem heiligen Gral. Ausgerechnet 12 Monkeys, ein Remake des Experimentalfilms La Jetée – Am Rande des Rollfelds von Chris Marker, sollte schließlich Terry Gilliams kommerziell erfolgreichster Film werden. Er demonstierte seine genuine Gabe, nämlich das Experimentelle, Surreale und Abseitige fürs große Publikum zu adaptieren. Bruce Willis übernahm übrigens darin die Hauptrolle für einen Bruchteil seiner sonstigen Gage, um mit Terry Gilliam zusammen zu arbeiten. Der filmische Drogentrip Fear and Loathing in Las Vegas war zwar zunächst weniger erfolgreich als seine Vorgänger, hat sich jedoch mit der Zeit und sicher auch dank dem brilliant durchdrehenden Johnny Depp zum Kultfilm entwickelt. Ich sage nur: “Wir können hier nicht halten! Das ist Fledermausland!!!”

Die zwei Gesichter des Terry Gilliam
Terry Gilliam ist ein janusköpfiger Regisseur, dessen eines Gesicht in Richtung versponnener Kunstfilme blickt und dessen anderes Hollywood und den großen Produktionen zugewandt ist. So war er ursprünglich als Regisseur für die Harry Potter-Reihe im Gespräch und auch J.K. Rowling erste Wahl, wurde aber von Warner Bros. von vornherein abgelehnt, was ihn nach eigener Aussage sehr in Rage versetzte. Auf der anderen Seite setzt sich Terry Gilliam auch für befreundete Experimentalfilmer ein und produzierte beispielsweise The Pianotuner of Earthquakes von den Quay Brothers. Als er 2005 gleich zwei Filme auf den Markt brachte, waren seine zwei Gesichter allzu deutlich zu erkennen: auf der einen Seite der völlig kommerzielle The Brothers Grimm, auf der anderen der düster-verstörende Tideland. In Das Kabinett des Doktor Parnassus wollte Terry Gilliam die beiden Gesichter wieder versöhnen, doch der Film wurde vom Tod seines Stars Heath Ledger während der Dreharbeiten überschattet. Zwar sprangen mit Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell gleich drei prominente Freunde des Verstorbenen ein, um die Lücken zu füllen, doch floppte der Film leider an den Kinokassen.

Verloren in La Mancha
Bereits im jahr 2000 wollte Terry Gilliam sich einen lang gehegten Traum verwirklichen und unter dem Titel The Man Who Killed Don Quixote seine persönliche Vision eines Klassikers der Weltliteratur verfilmen. Doch die Dreharbeiten verliefen katastrophal und mussten schließlich ganz abgebrochen werden, als Hauptdarsteller Jean Rochefort wegen einer Verletzung nicht mehr reiten konnte. Das traurige Scheitern dieses Films ist in der Doku Lost in La Mancha festgehalten. Aber unlängst hat Terry Gilliam das Projekt wieder aufgenommen, das sich derzeit in der Vorproduktion befindet und in dem nun Robert Duvall den Don Quixote mimen wird. Es ist Terry Gilliam nur aus vollstem Herzen zu wünschen, dass er diesmal mehr Glück damit haben wird!

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