Übers (lange) Wochenende begleite ich die 2. Staffel von Daredevil mit Recaps zu allen 13 Episoden. Hier gibt es eine Übersicht aller bereits veröffentlichter Recaps.
Flashbacks waren das A und O in der Charakterisierung von Matt Murdock und Wilson Fisk. Bis auf eine flashbackartige Traumsequenz zeigt sich die 2. Staffel von Marvel's Daredevil in dieser Hinsicht überraschend abstinent und das ist zu begrüßen. Anstatt das Trauma in der Vergangenheit von Frank Castle (Jon Bernthal) per Rückblende auszubuchstabieren, bleibt Autor John C. Kelley (Dr. House) in seiner Schilderung vage. Karen (Deborah Ann Woll) etwa durchsucht das gemütliche Vorstadtheim der Castles, wir sehen Familienfotos aus einer Zeit vor dem Krieg. Vor allem aber punktet diese 4. Episode namens Penny and Dime mit Jon Bernthal. Der ist es gewohnt, raue Typen zu spielen. Wenn er dann doch mal sein Innenleben nach außen kehrt, erscheint unsere Vorstellung von seinem Leid plastischer, als es eine Rückblende formulieren könnte.
Frank Castle ist es jedenfalls zu verdanken, dass Daredevil endlich eine neue Maske maßgeschneidert wurde. Ich persönlich favorisiere immer noch seinen Low-Fi-Ninja-Look aus der 1. Staffel. Erstens, weil sich das schlichte Kostüm besser in die auf einen Noir-Realismus getrimmte Welt der Serie eingliedert. Es wirkt schließlich schon etwas bizarr, wenn der Punisher in Ottonormalvigilantenkleidung auf einem Grab sitzt und einem Typen im burgundroten Plastik-Look mit Hörnchen auf dem Schädel vom Tod seiner Tochter erzählt. Darüber hinaus wurde der alte Daredevil mit seiner an den Bösewicht eines Horrorfilms erinnernden, ausdruckslosen schwarzen Maske eher Matts satanischem Spitznamen gerecht. Die neue Maske von Melvin (Matt Gerald) lässt die Augenpartie immerhin weniger zusammengequetscht wirken, sodass Daredevil nun nicht mehr mit dem Ausdruck eines dauereingeschnappten Sechsjährigen herumläuft.
Denn der passt ja so gar nicht zum todernsten Geschehen, das in dieser Episode mit zwei Begräbnisfeiern eingeleitet wird, und uns bis zum Gespräch auf dem Friedhof führt. Die Iren schwören Rache und wollen vor allem ihr Geld vom Punisher zurückbekommen, was diesen an den Rande der Niederlage treibt. In der mit einigen brutalen Szenen ausgestatteten Folge werden Castle unter anderem die Füße durchbohrt. Seine ungeheure Resistenz gegen Schmerz ist einer von mehreren Hinweisen, dass es sich hier um einen Supersoldaten oder ähnliches handeln könnte. Karen ermittelt auf eigene Faust in der Vergangenheit des Punishers und findet einen Zeugen, der gesehen hat, wie Frank Castle mit einer Kugel im Kopf (Stichwort: Röntgenschädel) eine Minute tot war, um sich dann selbst zu beleben. Außerdem haben Anzugträger Castles Haus mit einer Alarmanlage ausgestattet. Wenn Anzugträger mir in Mystery- oder Superheldenserien eines gelehrt haben, dann dass im schlimmsten Fall eine gigantische Verschwörung mit Alien-Involvierung hinter allem steckt oder im weniger schlimmen eine mittelgroße Verschwörung aufgedeckt werden muss, die aus Menschen laufende Waffen macht. Das Ganze gemahnt an den Subplot um den Pillen schluckenden Will Simpson (Wil Traval) und das IGH in Marvel's Jessica Jones. Vielleicht isst Frank Castle aber auch einfach nur viele Bananen.
Über Karens Eigeninitiative im Fall Punisher bin ich aus narrativer Sicht jedenfalls erfreut. Matt verschweigt seiner Kollegin momentan so viel und scheint gleichzeitig so wenig involviert ins tagtägliche Juristengeschehen, dass ihr Alleingang durchaus nachvollziehbar, wenn auch nicht sonderlich klug ist. Matt wiederum ringt mit Schuldgefühlen, die ihm auch der Priester Lantom (Peter McRobbie) nicht nehmen will. Er nimmt im Grunde das Gesprächsthema von Daredevil und Punisher aus der vergangenen Folge wieder auf, wenn er bei Grottos einsamen Gedenkgottesdienst meint: "Each of us is a world and today a world has been lost." An diesem Punkt - wie viel Gutes steckt noch in bösen Menschen? - trennt sich bekanntlich die Weltanschauung der beiden Vigilanten. Der eine zieht aus seinem Schwarz-Weiß-Denken das Recht zu töten, der andere überlässt den Umgang mit der Komplexität der Täter lieber der Justiz (ob Matt Making a Murderer gesehen hat?).
Während Frank Castle über sein verlorenes Glück vor dem Karussell im Central Park reminisziert, ist es für Matt Murdock eine Weile lang zum Greifen nah. Karen-Matt-Shipper werden sich freuen über die angenehm romantische Tröpfchen-Szene zwischen den beiden, ich freue mich erstmal, dass Foggy eifersuchtsfrei seinen eigenen Frauengeschichten nachgehen kann. Aber natürlich, das Glück ist nur von kurzer Dauer. Mit dem Punisher in Polizeigewahrsam wird zum Ende der Folge gleich die nächste alte Bekannte aus dem Marvel-Universum nachgeschoben: Elektra Natchios (Elodie Yung) hält Einzug in Matts Junggesellenbude und mit ihr die Vergangenheit.
Anmerkungen am Rande:
- "What if the Punisher isn't the worst of it?"
- Daredevils einschüchternde Wirkung würde zu 50 Prozent abnehmen, wäre der Verkauf von roten Glühbirnen und Exit-Leuchten in Hell's Kitchen verboten.
- Erfolgreich foltern darf Daredevil in dieser Episode auch wieder. Nicht dass das noch jemand hinterfragt...
- Endlich wissen wir, warum dem einen Iren am Tatort in der ersten Folge eine Hand fehlte. Ob der Punisher eine Knochensäge dabei hatte?
- Was war ekliger: Der Bohrer im Fuß, das Schrot im Gesicht oder Franks Wunden?
- Sehr schön, wie das idyllische Haus der Castles dem für Hell's Kitchen typischen schimmligen Keller gegenübergestellt wird.
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"I'm a rubber faced clown, I cried so hard."
- "I don't know what you are, you ain't him."
Alle Recaps im Überblick:
Staffel 2, Folge 1: Bang
Staffel 2, Folge 2: Dogs to a Gunfight
Staffel 2, Folge 3: New York's Finest
Staffel 2, Folge 4: Penny and Dime
Staffel 2, Folge 5: Kinbaku
Staffel 2, Folge 6: Regrets Only
Staffel 2, Folge 7: Semper Fidelis
Staffel 2, Folge 8: Guilty as Sin
Staffel 2, Folge 9: Seven Minutes in Heaven
Staffel 2, Folge 10: Man in the Box
Staffel 2, Folge 11: .380
Staffel 2, Folge 12: The Dark at the End of the Tunnel
Staffel 2, Folge 13: A Cold Day in Hell's Kitchen