10 Jahre Casino Royale - So prägte Daniel Craigs 007 die Bond-Reihe

23.11.2016 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
James Bond 007 - Casino RoyaleSony Pictures
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Eine Ära aus Destruktion und Neubeginn im Geiste seiner Vorgänger: Seit Daniel Craig vor zehn Jahren als James Bond in den Kinos startete, hat sich viel verändert.

Stellen wir uns Daniel Craig (Verblendung) in der Rolle von James Bond wie folgt vor: Ein stets elegant gekleideter, Wodka-Martini-schlürfender Mann mit Beton-artiger Gelfrisur, der Frauen am Stück vernascht und nichts lieber tut, als Knöpfchen zu drücken in einer seiner hochgerüsteten Luxuskarossen. Ein Mann, der nie die Kontrolle zu verlieren droht und mit schnippischer Lässigkeit selbst den wahnwitzigsten Allmachtsfantasten ironischen Blickes in die Knie zwingt. Den passenden launischen Oneliner inklusive. Die Welt ist gerettet. War alles nicht so schlimm.

Vieles davon trifft auch auf seine Version des bekanntesten Geheimagenten unseres Planeten zu. Vor genau zehn Jahren startete James Bond 007 - Casino Royale und damit erstmals Daniel Craig in jener Rolle in den heimischen Kinos. Doch sein Konzept der Figur aus der Feder Ian Flemings fußte auf einer für die Reihe radikalen Veränderung, die gekonnt Vergangenes mit Neuem unterwanderte, seinen Ursprung aber nie leugnete.

Daniel Craig ist seit Sean Connery (James Bond 007 - Liebesgrüße aus Moskau) und Roger Moore (James Bond 007 - Leben und sterben lassen) der prägendste Agent im Auftrag seiner Majestät. Als neuer Archetyp des modernen Actionkinos ließ er in eine verletzte Seele blicken, noch immer fähig, Bedrohungen Herr zu werden, aber innerlich schwer mit sich und der Welt ringend. Plötzlich war alles wirklich schlimm.

Bonds offenes Herz

Seine Darbietung in Casino Royale als Wilder, Kühler und nicht zu Zähmender war dabei lediglich pochender Ausdruck einer weitergehenden Idee, die sich erstmals in der Beziehung zum besten Bond-Girl der Craig-Ära manifestierte: Eva Green (Die Insel der besonderen Kinder) als Vesper Lynd, die selbst dem Pin-Up-Poster-Dasein von einst entschwand und als zerbrechliche Schönheit inszeniert wurde.

Daniel Craig gab dem Mythos die nötige Reanimation, indem er Bonds Herz offenlegte.

So gesehen ist Casino Royale von Regisseur Martin Campbell (James Bond 007 - GoldenEye) eine gewagte Operation am offenen Herzen gewesen. Es ist nicht so, dass Bond drohte, zu sterben. Jedoch: Nur Veränderung und Neuanfang hält uns und die Welt, somit auch jene des Kinos, am Leben. Stagnation äußert sich in der Regel als ein Copy & Paste-Verfahren, im Kino gleichbedeutend mit der herzlosen Aneinanderreihung bekannter Narrative und Stilistika.

Daniel Craig und Mads Mikkelsen in Casino Royale

Der Mut der Verantwortlichen, Bond neu zu denken, wirkte dem entgegen. Als Vesper am Ende von Casino Royale den Ertrinkungstod vor romantischer Venedig-Kulisse starb, setzte dies das Ur-Trauma unseres neuen Agenten frei, das die Reihe fortan bestimmten sollte. Nicht mehr die Weltenrettung war zentrales Anliegen, sondern der persönliche Konflikt.

Die Dekonstruktion einer Marke

Diesen innerlichen Diskurs tragen wir alle, in verschiedener Ausprägung, mit uns aus. Nun zu sehen, wie ihn die Marke James Bond austrug, war etwas Neues. Diese Dekonstruktion eines unumstößlich scheinenden Agentenmonoliths äußerte sich nicht nur als Psychologisierung der Hauptfigur, sondern weitete sich auf die Filmreihe als solche aus. Mit alten Traditionen wurde einfach gebrochen: Nicht nur, dass fiktive Urgesteine wie Q und Miss Moneypenny erst im dritten Craig-Abenteuer auftauchten. Plötzlich war es Bond egal, ob sein Wodka-Martini geschüttelt oder gerührt serviert wurde ("Seh ich aus, als ob mich das interessiert?"), anfangs verzichtete er nahezu komplett auf technische Spielereien und den selbstironischen Hochglanz der Vorgänger tunkte man kurzerhand in einen Bottich aus Schweiß und Blut. Das Seelenleben hinterließ nun auch äußere Spuren.

Daniel Craig wurde so der große Blockbuster-Bruder von Matt Damons (Interstellar) gebeuteltem Jason Bourne.

Selbst das Bild des attraktiven, heterosexuellen Machos erhielt mit Sam Mendes' (Road to Perdition) James Bond 007 - Skyfall endgültig, wenn auch augenzwinkernd, eine andere Färbung. In der ersten, direkten Konfrontation mit dem ehemaligen MI6-Agenten und Gegenspieler Raoul Silva (Javier Bardem), der ihn wiederholt zärtlich berührt, lässt er homoerotische Erfahrungen anklingen. Stellt euch Sean Connery im männerdominierten Kalten Krieg in ähnlicher Situation vor.

Daniel Craig und Javier Bardem in Skyfall

In der bisherigen Craig-Ära ist dieser Silva denn auch der konsequente Höhepunkt dieses frischen Bond-Gefühls. Wenngleich der Blut weinende Mads Mikkelsen (Die Jagd) herrlich diabolisch die Karten im Casino Royale fliegen ließ, ist es Bardem vergönnt gewesen, den antagonistisch interessantesten Part spielen zu dürfen. Mathieu Amalric (Grand Budapest Hotel) braucht wohl noch heute ob Marc Forsters (All I See Is You) Betriebsunfall ein Quäntchen Trost und Christoph Waltz (Tulpenfieber) als Überschurke Blofeld war nicht mehr als eine einzige Anmaßung mit aufgesetztem Story-Arc à la "Seht, ich stehe hinter allem, ich bin so böse."

Alles ist möglich

Nur Silvas Exzentrik samt prägnantem Kleidungsstil und hellblondierter Matte bildet noch den alten Schurken-Typus ab, dessen äußeres Erscheinungsbild der stereotypischen Boshaftigkeit Ausdruck verlieh. In Wirklichkeit aber ist er der James Bond der anderen Seite, der nicht für, sondern gegen seine einstigen Verbündeteten agiert - wie Bond, aus einem rein persönlichen Motiv. Als MI6-Leiterin M (Judi Dench) ihn während eines Einsatzes fallen ließ, war seine Rachegeschichte geboren. Skyfall ist ein einziger Rachefilm mit Familiengeschichte: Bond stellt sich seiner Waisenexistenz mit Kindheitstrauma, Silva dem Trauma des Verrats. Nie in der Reihe ging es tiefer ins Innenleben seiner Akteure.

In der finalen Konfrontation opfert Mendes und sein Autorenteam sogar die geliebte M. Nun scheint alles möglich in der Filmreihe.

Mit dem Tod einer solch herausragenden Figur eröffneten sich die Verantwortlichen das Momentum der Unberechenbarkeit. Ist dies aber noch der Bond, den wir einst kannten? Nein. Ist das gut so? Aber ja!

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