Wir schauen Better Call Saul - Staffel 1, Folge 5

04.03.2015 - 09:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Alpine Shepherd BoyAMC
43
5
Wer dachte, dass Jimmy McGill nun zu Saul Goodman wird, der irrt. Better Call Saul nimmt sich doch noch einen Moment Zeit, um die Liebe zu seinem Bruder hervorzuheben und ist dabei auch noch urkomisch.

"Enjoy your jello!"

Wer hätte das gedacht? Anstatt die Transformation zu Saul Goodman, dem schmierigen, zwielichtigen Anwalt voranzutreiben, versucht Jimmy McGill (Bob Odenkirk) in Alpine Shepherd Boy doch noch mal, auf völlig legalem Wege zu Geld zu kommen. Insofern werden böse Zungen diese Episode wahrscheinlich als einen Schritt in die falsche Richtung werten, doch tatsächlich machen Vince Gilligan und Peter Gould hier wieder alles richtig, um Better Call Saul eine erste Staffel zu bescheren, die den Erwartungen gerecht wird.

Jimmys ungewöhnliche Werbekampagne hat funktioniert und ihm zahlreiche potentielle Klienten beschert. Das Problem daran ist bloß, dass Personen, die sich von solch einem Publicity Stunt ködern lassen, vermutlich nicht die richtigen sind, um Jimmy auf seinem Weg zu einem respektablen Anwalt voranzubringen. Ob sie nun den "Vatican of America" gründen oder mit einer sprechenden Toilette reich werden wollen - Jimmy ist sichtlich unzufrieden mit diesen neuen Möglichkeiten. Als er jedoch Mrs. Strauss (Carol Herman) dabei unter die Arme greift, ihre Figurensammlung nach ihrem Tod gerecht zu verteilen, findet er Gefallen daran, alten Menschen rechtlich beizustehen und beschließt, in diese Richtung weiterzuarbeiten.

Das war es im Grunde schon mit Jimmys Anwaltskarriere für diese Woche und das ist natürlich etwas dürftig. Autor Bradley Paul und Regisseurin Nicole Kassell lassen sich ungewöhnlich viel Zeit dafür, uns zu zeigen, dass Jimmys neue Position als lokale Berühmtheit keineswegs besser ist, als seine vorangegangene Rolle als Pflichtverteidiger. Solch eine Konstruktion kann der Zuschauer ungeschickt finden, weil es erzählerisch vermutlich wirkungsvoller gewesen wäre, wenn sich die Macher für eine dynamische Montage - wie wir sie bereits mehrfach gesehen haben - entschieden hätten, in der Jimmys üble Kunden im Schnelldurchlauf präsentiert werden. Andererseits ist jedes der drei Kundengespräche in genau dieser Form pures Gold ("Ooooh yeah, that's the way"; "Gosh, you're big. You're sooo big."), sodass es verständlicherweise niemand übers Herz bringen konnte, sie rauszuschneiden.

Der größte Teil der restlichen Episode beschäftigt sich damit, Jimmys Verhältnis zu seinem Bruder Chuck (Michael McKean) auszuleuchten. In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, warum es sinnvoll war, Jimmy diesen Schritt zurück machen zu lassen. Nach der letzten Episode hatten wir allen guten Grund zur Annahme, dass Jimmy McGill anfängt, den Platz zu räumen und Saul Goodman die Zügel in die Hand drückt. In Alpine Shepherd Boy wird jedoch betont, wie eng das Verhältnis dieser beiden Brüder zueinander ist. So eng, dass zwischen ihnen kein Platz für kriminelle Machenschaften ist.

Chuck wird nach einer ungemütlichen Begegnung mit der Polizei in ein Krankenhaus eingeliefert, wo Dr. Cruz (Clea DuVall) vorschlägt, ihn psychisch behandeln zu lassen. Jimmy reagiert darauf allergisch und lehnt dies unter allen Umständen ab, selbst mit Hinblick auf die Stange Geld, die er von Hamlin erbeuten könnte. Seine Reaktion offenbart das Ausmaß seines Schutzinstinktes. Er fährt Dr. Cruz für ihren "Trick", mit dem sie Chucks psychische Erkrankung belegen wollte, an und bringt ihn nach Hause. Und das, obwohl er offensichtlich selbst davon überzeugt ist, dass es sich um eine rein psychische Erkrankung handelt. Das hat er in einer vorangegangenen Episode schon angedeutet, hier spricht er es ziemlich direkt aus: "Chuck, I think you got sick because you saw this story. Whenever you think I've done something wrong or something questionable, you get worse."

Das bedeutet jedoch keineswegs, dass er bereit ist, etwas gegen Chucks Willen zu tun. Mit dieser Episode wurde ein für alle Mal klar gestellt, dass es keinen Saul Goodman, so wie wir ihn kennen, geben wird, solange dieses brüderliche Verhältnis zwischen den beiden besteht. Das eröffnet uns jetzt jede Menge Raum zur Spekulation. Doch wie auch immer die gemeinsame Geschichte von Chuck und Jimmy ausgehen mag, ein Happy End wird es mit Sicherheit nicht geben.

Dafür nähern sich Jimmy und Kim (Rhea Seehorn) immer mehr. In einer etwas befremdlichen (und, ich will es gar nicht leugnen, erotischen) Szene lackiert Jimmy ihr die Fußnägel und spekuliert darüber, wie praktisch es wäre, wenn einfach alle Zehen den Umfang des Großen Zehs hätten. "Even your lousy days are more interesting than my good ones" merkt sie am Ende seiner Klo-Imitation an und ihr anschließender Blick verrät, dass sie wohl tatsächlich mit dem Gedanken spielt, ihren jetzigen Job hinter sich zu lassen und etwas spannenderes zu machen - vielleicht gemeinsam mit Jimmy?

Rhea Seehorn darf in dieser Episode mehrfach allein mit ihrer Mimik kommunizieren. Als Chuck sie fragt, ob sie denn jemals eine Spur von psychischer Krankheit an ihm festgestellt habe, schüttelt sie lächelnd den Kopf, gefolgt von einem betretenen Blick zu Boden und einem rüber zu Dr. Cruz. Die Message ist eindeutig: Ja, dieser Mann ist verrückt. Es sind definitiv schöne Momente mit Kim an Jimmys Seite und Rhea Seehorn tut ihr Bestes, diesen bislang doch etwas dünn gezeichneten Charakter auszufüllen. Sie funktioniert in ihrer Rolle wunderbar, soweit es eben funktionieren kann. Kim Wexler ist bloß leider noch nicht viel mehr, als diese Frau, die auf Jimmy steht und John Carpenter mag.

Und dann wäre da noch Mike (Jonathan Banks), der ab der nächsten Folge wohl endlich fester Bestandteil der Figurenkonstellation ist und mehr machen darf, als bloß in seinem Häuschen zu sitzen und mit den Augen zu rollen. Das steigert meine persönliche Vorfreude auf nächste Woche enorm, denn die letzten Minuten von Alpine Shepherd Boy sind wundervoll und sie gehören Mike allein: Die Kamera zeigt ihn in seinem Häuschen durch ein Weitwinkelobjektiv und schon fühlen wir mit diesem Kerl, der Tag ein, Tag auf diesem einen Quadratmeter hockt, wie ein einsamer Baum auf dem weiten Felde. Dann dürfen wir ihn endlich, wenn auch nur kurz, in sein Privatleben begleiten, das nicht gerade hoffnungsvoller aussieht. Jonathan Banks muss dabei wie gewohnt keine großen Reden schwingen, um die Emotionen zu erzeugen. Sein zutiefst melancholischer Blick deutet auf eine Vergangenheit, die es wert ist, erforscht zu werden, was wir hoffentlich bald tun werden. Denn die Bullen vor seiner Haustür scheinen Bekannt zu sein, wenn auch nicht besonders freundschaftlich. Jimmys Karte wird sich wohl früher als nützlich erweisen, als den beiden lieb ist.

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Notizen am Rande:

- Die obligatorischen Film-Referenzen sind in dieser Folge zur Abwechslung von audiovisueller Natur: Als Jimmy das Altersheim aufsucht, spielt der Theme-Song von Der dritte Mann und er selber ist wie Matlock gekleidet. Alte Menschen lieben Matlock.

- Ist in Albuquerque wirklich so wenig los, dass Leute die Polizei rufen, wenn ihre Zeitung geklaut wird?

- Wenn ich eine Band gründen würde, wäre ihr Name Sex Toilet.

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