Wir schauen Better Call Saul - Staffel 1, Folge 4

25.02.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
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Das ging schneller als gedacht. In der neuen Better Call Saul-Episode Hero besinnt sich Jimmy McGill auf seine wahren Fähigkeiten und macht einen großen Schritt in Richtung Saul Goodman.

Erst letzte Woche sagte Jimmy McGill (Bob Odenkirk) in einem Moment melancholischer Selbsterkenntnis zu sich selbst, dass er kein Held sei. In Hero ist er ironischerweise genau dieser Held geworden, wenn auch bloß auf dem Papier und nur im Bewusstsein der naiven Bürger Albuquerques, die nicht wissen, wer dieser McGill überhaupt ist. Verübeln kann man es ihnen nicht, denn unser Jimmy ist sichtlich bemüht darum, seine wahre Identität zu verschleiern - sogar vor sich selbst.

"You're that kind of lawyer guilty people hire." Es ist ein Schlag ins Gesicht, als Betsy Kettleman (Julie Ann Emery) erklärt, warum sie und ihr Ehemann niemals die Dienste von Jimmy McGill annehmen würde. Es ist wahrscheinlich eines der verletzendsten Dinge, die sich Jimmy anhören musste und das ganz einfach aus dem Grund, dass es die Wahrheit ist. Gleichzeitig bringt dieser Satz auch eine befreiende Erkenntnis mit sich, die letztendlich dazu führt, dass Jimmy sich von den Kettlemans bestechen lässt und ruhig bleibt: Ihm wird es nicht mehr gelingen, jemand anderes als Jimmy McGill, das kriminelle Schlitzohr, zu sein.

In dieser Hinsicht spiegeln Vince Gilligan und Peter Gould auf geschickte Weise ihren Protagonisten mit Walter White. In Breaking Bad hat Walter damit zu kämpfen, dass niemand sein wahres Genie zu schätzen weiß. Als High School-Lehrer unterfordert und als Auto-Wäscher erniedrigt, beschließt er, Heisenberg zu werden, um seine wahres Ich zum Vorschein zu bringen und den damit einhergehenden Respekt zu ernten. In Better Call Saul hat der Held das entgegengesetzte Problem. Jimmy weiß ganz genau, dass er schmierig, verlogen und kriminell ist, doch er möchte es nicht wahrhaben. Er möchte jemand anderes sein, jemand, der auf vollkommen legale und respektable Weise sein Ansehen erlangt. Doch dieser Satz von Betsy Kettleman hat ihm klar gemacht, dass er dieser Jemand niemals sein wird. Anders als Walter White, der sich selbst entfesselt und seinem Leben eine 180-Grad-Drehung gibt, muss Jimmy die ganzen 360 Grad voll machen und wieder zu der Person werden, die er immer war.

Das heißt natürlich nicht, dass seine Eigenwerbung bei den Kettlemans ("What you gonna get from me, that you're not gonna get from those other guys: Passion. Commitment.") gelogen ist. Jimmy steht definitiv mit Leib und Seele hinter seinen Klienten, er ist bereit, Risiken einzugehen und sieht in seinem Dasein als Anwalt weit mehr als bloß einen Job. Das sind Fakten, die durch ein kleines bisschen showmanship an die Leute gebracht werden müssen. "Upon this rock I will build my church" verkündet er biblisch, nachdem er tausende von Dollar Bestechungsgeld mit absurden Rechnungen (oder sind 950 Dollar Stundensatz ein gängiger Preis?) reinwäscht. Und tatsächlich nutzt er das Geld für eine kräftige PR-Kampagne: Neuer Anzug, neue Frisur ("...like Tony Curtis in Spartacus... yeah...") und eine gigantische Billboard-Plakatierung, die seinen Anwaltfreunden bei Hamlin natürlich übel aufstößt.

Es ist ein großes Vergnügen, Jimmy bei seinem großen Plan, zu einer lokalen Berühmtheit zu avancieren, zuzuschauen. Wir können ihm buchstäblich dabei zusehen, wie seine Pläne sich neuen Situationen anpassen und zwar in genau der Art und Weise, für die wir Saul Goodman in Breaking Bad lieben gelernt haben. Angetrieben von Ehrgeiz, Egoismus und sicherlich nicht zuletzt Kriegslust heckt er einen Plan aus, der an sich schon genug Goodman in sich trägt: Die übermächtige Konkurrenz kräftig verärgern, von gerichtlicher Seite niedergestreckt werden und die Presse mit einer rührseligen David gegen Goliath-Geschichte versorgen. Kein übler Plan, leider scheinen die Journalisten wichtigeres zu tun zu haben ("I wouldn’t characterize this as a community health risk, but… Yes, the war is an important story as well…”), was Jimmy dazu zwingt noch einen draufzusetzen und sich vor laufender Kamera als Retter in höchster Not zu inszenieren.

Sein Verhalten ist genauso schmutzig und unsportlich wie man es von ihm erwartet und natürlich fruchtet seine Arbeit. In erster Linie fruchtet sie für seine Anwaltskarriere: Der Anrufbeantworter hält eine Stange von Nachrichten bereit, neue Klienten rennen ihm die Bude ein - die ganz großen Geldprobleme sollten fürs Erste beseitigt sein. Doch auch Kim (Rhea Seehorn) scheint von dem Publicity Stunt ziemlich angetan zu sein. Ihr heimliches Lächeln nach der Nachrichtensichtung legt ihre Sympathien für Jimmys Handeln offen. Wenn man ihm Glauben schenken kann, ist sie bei den Hamlins ohnehin nicht gut aufgehoben ("You're better than that schmock Hamlin. You could work anywhere, you could be somewhere where they appreciate you"), insofern könnte diese Aktion Kim und Jimmy näher zusammengebracht haben, als es den Anschein hat. Natürlich verteidigt sie noch ihre Kanzlei, doch eine gewisse Zuneigung zu Jimmy lässt sich kaum abstreiten.

Auf der anderen Seite ist es keineswegs so, dass Jimmy sich in einer reinen Win-win-Situation befindet. Zum einen wird Hamlin sicherlich zurückschlagen, was ziemlich hässlich für McGill werden könnte. Das ist allerdings das kleinere Übel; viel schlimmer ist, dass er seinen Bruder Chuck (Michael McKean) enttäuschen musste. Die gemeinsame Vergangenheit der beiden ist nicht in Vergessenheit geraten, Jimmys Versprechen, sich zu bessern, ist immer noch präsent. Er tut sein Bestes, um die Story vor Chuck geheim zu halten, doch wer konnte ahnen, dass dieser ein hoffnungsloser Fanboy des lokalen Printjournalismus ist?

Genauso unvermeidlich wie der herzzerreißende Streit mit dem Bruder ist jetzt wohl auch der Tauchgang in Albuquerques Verein der eiskalten Latino-Wüstenfreunde. Nacho Varga (Michael Mando) glaubt immer noch nicht an Jimmys Unschuld - zudem dürfte dessen Medienpräsenz wohl kaum an Nacho vorbeigegangen sein, sodass wir wohl schon sehr bald mit einem Besuch von Varga und den Hombres rechnen dürfen.

“You assume that criminals are going to be smarter than they are. It kinda breaks my heart a little.”

Notizen am Rande:

- Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht so richtig, was ich mit Kim anfangen soll. Allerdings hat sie in dieser Episode guten Geschmack bewiesen und Jimmy auf ein bisschen Kurt Russell-Action eingeladen.

- Beim Schneider flirtet Jimmy bereits mit einem Hemd, das sehr gut zu seinem späteren  Kleidungsstil  passt .

- Was für eine großartige Szene, in der Chuck raus rennt, um die Zeitung des Nachbarn zu... kaufen. Trippy as fuck. Dementsprechend auch mein neuer Lieblingscharakter: Chucks space blanket.

- Das war's dann wahrscheinlich mit den Kettlemans. Schade eigentlich, denn ihre gutbürgerliche Attitüde hat die beiden zu wahrhaft angsteinflößenden Bösewichten gemacht. Da muss es noch ein Spin-Off geben.

- Hoffentlich bekommen wir noch mehr von Mel Rodriguez zu sehen: "Butthooole, butt- butt- butthooole."

- Gennifer Hutchison, die Autorin dieser Episode, hat auch die Breaking Bad-Folge Cornered geschrieben, inklusive der nunmehr legendären Zeile "I am the one who knocks!"

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