Westworld - Wir blicken auf die 1. Staffel, 3. Folge im Recap

18.10.2016 - 11:20 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Westworld mit James Marsden als TeddyHBO
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Westworld hält auch in der 3. Episode sein geradezu ermüdend hohes Niveau. Wie ein mächtiges Frachtschiff rückt die Serie mit jeder Folge ein kleines Stück auf ihrem großen Weg vorwärts.

In der Psychologie und vor allem in der Kriminalpsychologie  wird derzeit die Verlässlichkeit menschlicher Erinnerungen ernsthaft angezweifelt. Menschen können sich Erinnerungen konstruieren und sie für echt halten, was sie natürlich in dem Moment werden, in dem sie für echt gehalten werden, denn Erinnerungen sind immer subjektiv. Ergo ist ihre Echtheit nicht an äußerliche Bedingungen gebunden. Entscheidend ist allein, dass die Erinnerung vom Träger für echt gehalten wird. Wahrheit und Echtheit stehen hier nicht im Widerspruch. In der Westworld ist alles einfacher. Hier werden die Erinnerungen einfach hochgeladen als schnöde Datensätze und sind in dem Moment so echt wie nur erdenklich möglich.

Dolores wird trotzig

Auch wir trauen unseren vermeintlichen Erinnerungen ja manchmal nicht so recht über den Weg und nennen solche Bugs im Gehirn dann Déjà-vus. Das sind kurze Momente der Unsicherheit, in denen wir unsere Erinnerung und damit unsere Wahrnehmung der Realität hinterfragen. Genau dazu hält Bernard (Jeffrey Wright) seinen liebgewonnenen Gesprächspartner und Androiden Dolores (Evan Rachel Wood) an, während er eigentlich das von Ford und Theresa verordnete Gegenteil tun sollte. Bernard drückt Dolores während einer privaten, sehr geheimen Sitzung ein Exemplar von Alice im Wunderland in die Hand und lässt sie, die stets in einem himmelblauen Kleid durch die Westworld schreitet, diese Passage zitieren: "Was I the same when I got up this morning? I almost think I can remember feeling a little different. But if I'm not the same, the next question is ... who in the world am I?" Er will sie den Kaninchenbau sehen lassen. Die Szenen zwischen Dolores und Bernard mausern sich zum Kernelement der Serie, hier wird Tacheles gesprochen zwischen den zwei Parteien der Welt, die sich bekämpfen, nicht mehr kontrollieren.

Mit der Kontrolle ist es nicht weit her. Stray, Streuner, ist der Titel dieser Episode und noch werden auf eigene Faust agierende Androiden als verwirrte Launen des Systems abgetan. Stubbs (Luke Hemsworth) und Elsie (Shannon Woodward) jagen in tiefer simulierter Nacht einem Streuner hinterher. Der entlaufene Host überlistet Stubbs gewaltsam und kurz scheint es, als möchte er Elsie mit einem Stein zerquetschen. Wir haben am Ende der Episode den bisher explizitesten Übergriff eines Hosts auf echte Menschen gesehen.

Anderswo greift da noch das warme, lediglich verwirrende Déjà-vu-Virus um sich. Wobei, es ist nur eine Frage der Zeit, bis aus gesäter Verwirrung Aggression und später Hass erwächst. Westworld führt uns diesen Krankheitsverlauf an Maeve (Thandie Newton) und dem Gauner Walter vor. Maeve begegnet auf der Straße Teddy (James Marsden), und ihre Erinnerung an seine kurze Zwischenlagerung in der Werkstatt, die sie gar nicht erst sehen sollte, geschweige denn sich daran erinnern, durchschneidet die Kontinuität ihres Daseins. Das Bild bleibt eine wirre Assoziation. Bei dem Androiden-Gauner Walter hingegen wird die Erinnerung sinnstiftend. Walter tötete gezielt drei Androiden und ließ drei weitere bewusst laufen. Die drei toten Androiden hatten eine Sache gemeinsam: Sie alle haben Walter auf dem Gewissen, ihn einst in einem älteren Handlungsstrang getötet. Walter rächte sich nun, anscheinend.

Bei Dolores äußern sich die angehäuften verbotenen Erinnerungen in anderen Bedürfnissen. "It's just sometimes I feel like the world out there is calling me ... whispering: There's something more", haucht sie ihrem Teddy zu, der zuvor mal wieder, täglich grüßt das Murmeltier, die davonkullernde Dose aufgefangen und einen auf Kavalier gemacht hat.

Teddy und Dolores führen daraufhin eine Konversation, die sich ganz und gar nicht nach einem Dialog-Algorithmus anhört. Mit einem "Irgendwann" zerstreut Teddy ihr Begehr, von hier wegzugehen. Irgendwann, meint Dolorores vorwurfsvoll, wäre nur ein anderes Wort für niemals. Dolores will weg aus dieser Welt. Als würde sie neben der zeitlichen Begrenzung (ein einziger süßer Tag ist ihr stets nur beschert) auch die räumliche bemerken. Anschließend reiten Teddy und Dolores zu ihrem Elternhaus, schwere Schüsse krachen von dort her aus dem Dunklen. Dolores reitet ihrem vorauseilenden Teddy hinterher, vertraute Schreie und dann Dunkelheit, denn wir wissen ja, was jetzt oben auf der Ranch passiert. Ein neues Auge wird nach dem Schnitt gesponnen. Ford (Anthony Hopkins), ausnahmsweise mal Teil der Handlung und nicht ihr erhabener Kommentar, belehrt Teddy. Seine Aufgabe ist es nicht, Dolores zu beschützen, sondern sie in der Welt zu verankern und für die Gäste auffindbar zu machen. Ford lädt Teddy daraufhin eine neue Erinnerung, eine Background-Story hoch, die ihn neu definiert und in den sicheren grausamen Tod schickt.

Ford verhält sich in dieser Episode ungewohnt ungehalten gegenüber den Androiden. Die Host sind nicht echt, ermahnt er Bernard, fast so, als hätte er ihn ertappt. Er erzählt Bernard von dem vergessenen Westworld-Mitbegründer Arnold, der, wie Ford behauptet, ein komplexes Bewusstseinsprogramm für die Hosts geschrieben hat, dem nur noch der letzte Schliff fehlte. Arnold wollte das absolute Bewusstsein konstruieren. Bernard solle nicht den selben Fehler machen wie Arnold.

Denn: "The least we can do, is make them forget" ... bei allem was wir ihnen jeden Tag zumuten, hängt da so als Zusatz in der Luft. Das mindeste, was wir tun können, ist, sie vergessen zu lassen, die schrecklichen Dinge, die den Androiden angetan werden, von den Menschen, die hierherkommen.

"Do you ever wish you could forget?", wird Bernard von seiner Frau gefragt, mit der er sich bei einem Telefonat gemeinsam an den verstorbenen Sohn Charlie erinnert. Aber Bernard will nicht vergessen: "This pain is all I have left of him."

Dieser Erkenntnis zum Trotz geht Bernard in das nächste Dolores-Treffen mit dem Ansinnen, ihr die Fähigkeit, sich zu erinnern, auszutreiben. "But this place you live in, it's a terrible place for you." Die aber verblüfft ihn erneut, diesmal mit einem Selbstreflektions-Quantensprung. "And I think when I discover who I am, I'll be free." Bernard will wissen, welcher Code ihr diesen Gedanke beschert hat. Dolores sagt, sie wisse es nicht.

Später, in einem außerordentlichen Dialog, der die wichtigsten Erkenntnisse der ersten Episoden mit größter literarischer Anmut zusammenrafft, spricht Bernard mit Dolores über seinen Sohn Charlie. Charlie hätte schreckliche Angst vor Wasser gehabt und Bernard hatte sich gefürchtet, ihn schwimmen zu lassen. Stundenlang habe er ihn im Wasser in seinen Armen gehalten und ihn die Züge üben lassen. Dolores, im Improvisations-Modus, versteht die Analogie.

Bernard musste seinen Sohn ins kalte Wasser werfen, auch wenn es wehtut, auch wenn Erinnerungen wehtun. "Do you still want to change me back?", fragt Dolores scheinheilig. "No, Dolores. Let's see where this path leads."

Am Abend in Dolores' Handlungsbogen, der immer mit einem Überfall auf die Eltern-Ranch endet, beschwört Dolores einige sehr echte Erinnerungen herauf: Sie erinnert sich, bedrängt vom Gauner Walter in der Scheune, an die an ihr vollzogene Vergewaltigung durch den Man in Black in der ersten Episode. Ein selbstbestimmter Kraftakt lässt sie daraufhin den Abzug ihres Revolvers durchdrücken, die Vergewaltigung bleibt ihr erspart, das Seepferdchen hat sie sich verdient.

Offene Fragen:

  • Wie groß ist der Einfluss des Arnold-Codes tatsächlich? Hier wirkte Fords Erklärung eher noch wie eine fadenscheinige Ausrede.
  • Was hat Ford mit Teddy vor? Was bezweckt er mit der neuen Hintergrundgeschichte, die Teddy forttreibt von Dolores, deren Anker er doch sein soll?

Alle Recaps zur 1. Staffel von Westworld:

1. Staffel, 1. Folge - The Original
1. Staffel, 2. Folge - Chestnut

Westworld wird derzeit bei HBO in den USA ausgestrahlt und ist in Deutschland bei Sky Go, Sky On Demand und Sky Ticket  verfügbar. Wir begleiten die 10 Episoden mit wöchentlichen Recaps.

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