Vergesst (T)Raumschiff Surprise: Die mit Abstand absurdeste Star Wars-Parodie ist The Empire von Bruno Dumont

19.02.2024 - 11:30 UhrVor 2 Monaten aktualisiert
The Empire
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(T)Raumschiff Surprise und Spaceballs waren gestern. Bei der Berlinale 2024 feierte die mit Abstand absurdeste Star Wars-Parodie ihre Premiere. Auf The Empire von Bruno Dumont seid ihr nicht vorbereitet.

Die Unterseite eines riesigen Raumschiffs schiebt sich langsam ins Bild. Gespannt folgt die Kamera jedem einzelnen Zentimeter des mächtigen Kolosses. Erhaben bewegt er sich durch den Weltraum. Auf die Kommandobrücke eines Sternenzerstörers warten wir allerdings vergeblich. Das hier ist kein Star Wars-Film, sondern The Empire von Bruno Dumont. Auf der Oberseite des Schiffs steht eine Kathedrale.

Es ist nur eines von vielen bizarren Bildern in dem wohl ungewöhnlichsten Wettbewerbs-Beitrag der diesjährigen Berlinale. Jedes Mal, wenn man glaubt, eines jener ikonischen Bilder aus George Lucas' Sternensaga entdeckt zu haben, kommt Dumont mit einem schrägen Einfall um die Ecke und stellt die Erwartungen auf den Kopf. Da können nicht einmal Spaceballs und (T)Raumschiff Surprise – Periode 1 mithalten.

Absurder als (T)Raumschiff Surprise und Spaceballs: The Empire ist eine extrem seltsame Star Wars-Parodie

Star Wars-Parodien gibt es viele. The Empire bewegt sich aber auf einem völlig anderen Level. Auf der einen Seite hat Dumont einen klassischen Abklatsch geschaffen, der genauso begeistert wie Mel Brooks und Michael "Bully" Herbig dem großen Vorbild nacheifert, etwa mit der eingangs erwähnten Szene, die den Auftakt von Krieg der Sterne zitiert. Lichtschwerter dürfen natürlich auch nicht fehlen.

The Empire

Auf der anderen Seite ist da aber ein Film, der sich jeglichen Konventionen entzieht, obwohl er ein vertrautes Star Wars-Motiv an das andere reiht. The Empire erzählt von zwei Mächten, die ihren Konflikt im Weltraum und auf der Erde austragen. Die Nullen sind das Imperium, die Einser die Rebellion. Losgetreten wird der Sternenkrieg durch die Geburt eines Auserwählten, während ein finsterer Imperator seine Pläne schmiedet.

Die Sache ist: Kaum etwas davon sieht aus wie Star Wars. Dumonts Figuren verbringen die meiste Zeit in einem beschaulichen Ort an der Opalküste Frankreichs. Sie gehen an den Strand, laufen durch die Straßen und stehen die meiste Zeit sehr unbeholfen in der Gegend herum. Auf den ersten Blick könnte geradezu der Eindruck entstehen, dass man im falschen Film gelandet ist. Doch dann beginnen die Dialoge.

Die Figuren reden, als wären sie in einem Star Wars-Film, aber kaum etwas sieht danach aus

Wenn Luke Skywalker am Anfang von Krieg der Sterne von Womp-Ratten und Besuchen bei der Tosche-Station erzählt, ist das leicht zu akzeptieren. Um ihn herum existiert eine perfekt designte Welt, in die sich solche Fachbegriffe einfach eingliedern, ganz zu schweigen von der Mythologie, die später durch die Macht etabliert wird. Bei Dumont existiert diese Welt nicht. Und trotzdem reden die Figuren so.

In den Gesprächen geht es um Machtverschiebungen in der Galaxis, die Bedeutung von Nullen und Einsen im Universum und eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, die wie eine Fan-Fiction der Beziehung zwischen Rey und Kylo Ren in der Sequel-Trilogie wirkt. Zwischen Jane (Anamaria Vartolomei) und Jony (Brandon Vlieghe) knistert es, obwohl sie auf zwei verschiedenen, verfeindeten Seiten stehen.

The Empire

The Empire übernimmt sogar den Franchise-Charakter von Star Wars und entpuppt sich als heimliches Spin-off zu einem anderen Dumont-Werk. Zwischen all den fliegenden Kathedralen und Enthauptungen mit dreiklingigen Lichtschwertern tauchen plötzlich zwei sichtlich überforderte Polizisten auf: Lieutenant Rudy Carpentier (Philippe Jore) und der noch viel verpeiltere Commandant Roger Van der Weyden (Bernard Pruvost).

Beide Figuren stammen aus der Miniserie Kindkind, die vor zehn Jahren in Cannes ihre Premiere feierte und mit Quakquak und die Nichtmenschen 2018 eine Fortsetzung erhalten hat. Jetzt expandiert das Dumont Cinematic Universe in die unendlichen Weiten des Weltraums und hält sich trotzdem am liebsten an den weißen Sandstränden Nordfrankreichs auf. Denn hier wird das Schicksal der Menschheit ausgetragen.

Zwischen Anti-Blockbuster und Star Wars-Liebeserklärung: The Empire ist alles und nichts

Aber was ist The Empire jetzt genau? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Ein Anti-Blockbuster, der das Spektakel aus Filmen wie Star Wars vollständig verfremdet? Oder insgeheim doch der Versuch, einen Hauch davon einzufangen? Immerhin beobachtet Dumont seine gigantischen Raumschiffe mit genauso großer Begeisterung, wie Denis Villeneuve, wenn er einen Ornithopter in Dune starten lässt.

Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. The Empire ist alles und nichts davon. Selbst als Parodie entsagt der Film den Erwartungen. Mitunter wartet man minutenlang auf eine Pointe, die niemals kommt. Dann folgen drei Knaller auf einen Schlag. Kein Rhythmus, aber auch keine Kompromisse: Was auch immer Dumont zu verleitet hat, diesen seltsamen Film zu drehen, man muss es gesehen haben, um es zu glauben.

The Empire läuft im Wettbewerb der 74. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Ein deutscher Kinostart steht noch nicht fest.

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