Verblendung-Affäre - Ethische Frage des Remakes

02.11.2011 - 08:50 Uhr
The Girl with the Dragon Tattoo
Columbia Pictures
The Girl with the Dragon Tattoo
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Es ist eine dieser verdammten Remake-Angelegenheiten. Die einen werden dem Original treu bleiben und schwören auf jene Erstfassung. Die andere Hälfte favorisiert die überarbeitete Version. Dabei musste man sich bereits oft genug fragen, ob es nun wirklich nötig war. Neustes Opfer: Verblendung, die schwedische Verfilmung des Weltbestsellers von Stieg Larsson.

Es gibt wenige Remakes, die man als wirklich gelungen erfassen kann. Auf der Seite der Enttäuschungen steht wohl Tim Burtons flaches Planet der Affen -Remake, das heftig zu wünschen übrig ließ. Andererseits gibt es Zack Snyders Dawn of the Dead, dessen Community-Bewertung gerade mal um nur 0,2 Punkte schlechter ausfiel als die des hochgelobten Originals Zombie – Dawn of the Dead von George A. Romero – wäre diese Urfassung nicht so fantastisch, wäre Snyders Version vielleicht gar noch besser davon gekommen, denn das Remake ist wirklich überraschend gut gemacht. Und es gibt Ocean’s Eleven, das Remake des Heist-Klassikers Frankie und seine Spießgesellen von 1960, der bei euch mit hervorragenden 7,6 Punkten deutlich besser abschneidet als das Original mit einer Community-Bewertung von 6,4 Punkten. Andererseits: gäbe es das Original nicht, gäbe es auch das Remake nicht.

Nun, es ist eigentlich keine allzu große Überraschung, dass Hollywood Stieg Larssons schwedischen Thriller neuverfilmen möchte. Der europäische Krimi floppte an den US-Kinokassen, und das zu Unrecht. Dachte sich sicherlich auch der amerikanische Regisseur David Fincher, denn der Bestseller-Roman hat mehr Euphorie und Kassenklingeln verdient. Eigentlich ein verständlicher Grund. Trotzdem schade.

Es scheint nahezu gewiss, dass der – auch von mir – verehrte Meister Fincher keinen Superflop aus seinem Remake machen wird – was erstens dem Wahnsinnsteaser auch widersprechen würde. Und zweitens hat David Fincher uns sein Können vor allem auch gerade in diesem Genre schon oft genug bewiesen: The Game, Zodiac – Die Spur des Killers und ganz besonders Sieben, der mit seinen ebenfalls schematischen Morden gar nicht mal so weit von Verblendung entfernt zu liegen scheint.

Niels Arden Oplev hat das Buch würdigend auf die Leinwand gebracht, wenn auch nicht so riesig wie es ein David Fincher vielleicht rein finanziell hätte machen können. Er hat die Atmosphäre perfekt in Szene gesetzt und vor allem die Rolle der Lisbeth Salander – die gar wichtigste Person der kompletten Story – mit Noomi Rapace grandios besetzt. Dass man einen 688-seitigen Roman so verfilmen kann, wie man es beim Durchlesen erwartet hätte, sollte man nicht fordern.

Kritisiert wurde an Oplevs Verblendung häufig der ZDF-Sonntagskrimiartige Look. Aber nun muss man sich die Frage stellen, ob eine weitere Verfilmung eines schwedischen Krimis einem solchen Blockbuster überhaupt gerecht wird. Ist es denn unbedingt nötig, dass alles nach Hollywood-Niveau aussieht? Oder stört es einen wirklich dermaßen, wenn der Film “nur” nach einer Fernseh-Produktion ausschaut – und das gerade nicht mal so, als dass es den Film wirklich versauen würde? Muss es immer groß und größer sein? Oder reicht nicht einfach diese fesselnde Kriminalgeschichte verpackt in einer schwedischen Produktion? Muss es einen Daniel Craig in der Hauptrolle geben? Oder stört es wirklich, nur schwedische B-Akteure auf der Leinwand zu sehen, die allemal einen bemerkenswerten Job machen?

Auch wenn David Fincher den Grund seines Remakes klar macht und dieser sich in gewisser Weise sogar nachvollziehen lässt, ist es schade, einen solchen Film, der bei euch mit einer Schnittwertung von 7,4 Punkten nicht gerade schlecht ausgefallen ist, im Schatten einer dicken US-Produktion stehen zu lassen. Und allein der Gedanke, dass ein Film, der ein und dieselbe Geschichte erzählt – mal von Finchers geplanter Änderung am Ende abgesehen -, nur deswegen besser anläuft, weil er eben auf US-Blockbuster-Niveau gedreht wurde, ist traurig. Aber sicherlich mehr möglich als das.

Und nun seid ihr gefragt: Was haltet ihr von dieser Remake-Affäre? Seht ihr es ähnlich oder seid ihr gar vollkommen froh über eine Neuverfilmung?


Vorschau: In der nächsten Woche geht es um eine Botschaft an die Menschheit. Die verbreitet ein Kinderfilm, der eigentlich gar keiner ist.


Dieser Text stammt von unserem User Hooded Justice. Wenn ihr die Moviepilot Speakers’ Corner auch nutzen möchtet, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln und schickt anschließend euren Text an ines[@]moviepilot.de

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