Zwei starke Folgen hat die 10. Staffel von The Walking Dead bisher zu bieten. Während uns der Auftakt ein Update über den Status quo der Überlebenden von Alexandria, Hilltop, Oceanside und dem Kingdom lieferte, durften wir letzte Woche in die verstörende Vergangenheit der Bösewichte eintauchen. Nun sind die Whisperers zurück und erheben neue Gebietsansprüche, nachdem die Grenzen mehrmals (!) überschritten wurden.
Die 3. Folge der 10. Staffel, Geister, beschäftigt sich mit den Konsequenzen jüngster Entscheidungen seitens Michonne (Danai Gurira), Daryl (Norman Reedus) und Co. Drei Mal haben sie Fuß auf das Land der Whisperers gesetzt, Alpha (Samantha Morton) hat genau aufgepasst. Was aus Sicht der Guten notwendig war, ist für die Bösen ein eindeutiger Regelbruch. Auch das Thema Wahrnehmung wird somit auf vielfältige Weise in dieser Episode verhandelt.
Die wichtigsten Beobachtungen zur neusten The Walking Dead-Folge
- Alpha ist wachsamer, als die Überlebenden dachten. Jede Grenzüberschreitung hat sie mitgekriegt. Trotzdem reagiert sie vergleichsweise ruhig.
- Deutlich wilder geht es derweil in Carols Kopf zu. Sie schluckt Tabletten und verliert schließlich den Bezug zur Realität und den Menschen um sich herum.
- Ausgerechnet eine Handvoll Szenen zwischen Aaron und Negan gehören zu den besten Momenten in einer Episode, die nicht immer ihr Potential ausschöpft.
Bevor wir jedoch begreifen, was in Geister tatsächlich passiert ist und was nicht, überrascht eine kleine, aber nicht zu vernachlässigende Zombieherde die Alexandrianer. Routiniert wird der untote Feind vor den Toren abgewehrt, doch kurze Zeit später läuten schon wieder die Warnglocken. Es folgt Zombiewelle auf Zombiewelle, sodass es sich nur um einen gewieften Racheplan von Alpha handeln kann.
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Bevor die Bösewichtin selbst auf den Plan tritt, schickt sie ein Bauernopfer nach dem anderen. Diese können auf kurze Zeit schnell besiegt werden. Nach zwei Tagen ohne Schlaf sieht die Sache jedoch anders aus. Ausgelaugt von der ständigen Alarmbereitschaft kochen hinter den Mauern die Emotionen über, ehe sich herausstellt, dass die Zombie-Wellen offenbar gar nicht Teil von Alphas Racheplan sind.
Carol zerbricht an ihrer verzerrten Wahrnehmung in The Walking Dead
Befürchtungen und Ängste sorgen bereits an diesem Punkt für eine verzerrte Wahrnehmung der Dinge - und dann beginnt Carol, Tabletten zu schlucken. Auffällige Close-ups verstärken die von den Medikamenten ausgehende Gefahr. Dennoch lässt David Boyds zuerst keine Zweifel zu, dass gewisse Szenen gar nicht in Wirklichkeit, sondern nur in Carols Kopf stattfinden. Immerhin ergibt ihr Handeln durchaus Sinn.
Die provozierende Begegnung am Grenzzaun mit Alpha weckt bei Carol Erinnerungen an Henry (Matt Lintz) und sorgt schließlich dafür, dass sie ihre Pistole zieht und abdrückt. Ein schicksalhafter Schuss, der Anlass genug wäre für die nächste Gewalteskalation. Alpha aber verzeiht ihrer Attentäterin - von Mutter zu Mutter. Eine unerwartete Geste, genießt sie es davor doch sichtlich, die versammelte Mannschaft aufgrund ihrer Fehler mit Worten zu rügen.
Vorerst verlangt Alpha aber nur mehr Land, obwohl sie die Situation deutlich aggressiver zu ihrem eigenen Vorteil hätte ausnutzen können, was für ein spürbares Aufatmen bei den Alexandrianern sorgt. Gleichzeitig verwandelt sie sich durch ihre unerwartete Besonnenheit aber nur in eine noch gefährlichere, weil unberechenbare Gegenspielerin. Carol bleibt nur die Flucht - in ihr düsterstes Unterbewusstsein.
Rosita und Eugene grätschen in Carols düstere Stunde
Albtraumhaft sind Carols Halluzinationen, doch nichts ist erschreckender als die Augen von Daryl, wenn er erkennt, in welch tiefes Loch seines beste Freundin gefallen ist. Ein unangenehmes Gefühl hinterlässt auch der Augenblick, in dem David Boyd ruckartig Carols Familienidyll zerstört, das viel zu schön ist, um wahr zu sein: Daryl steht in der Küche, die Sonne scheint und The Zombies singen unbeschwert vom Leben.
Schlussendlich fühlt sich der Ausflug in Carols Psyche aber etwas unvollständig an. Für Ambivalenz sorgen zwar die letzten Sekunden der Episode, die bestätigen, dass zumindest ein Teil der Wahnvorstellungen wahr ist. Um Carols komplexen Charakter in Gänze zu erfassen, fehlt Geister schlicht die Zeit und vor allem die Ruhe. Bevor wir uns mit ihrem Schicksal auseinandersetzen, ist die Folge schon zum nächsten Handlungsschauplatz gesprungen.
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Besonders die Szenen mit Rosita (Christian Serratos) und Eugene (Josh McDermitt) stehlen hier wertvolle Minuten. Der Konflikt zwischen den beiden ist der mit Abstand seltsamste, den The Walking Dead momentan mit unerklärlicher Beharrlichkeit austrägt. Wie oft muss sich Rosita für ihre offenkundig nicht vorhandenen Gefühle gegenüber Eugene rechtfertigen? Nach all den Jahren ist es erstaunlich, was für ein konstantes Hit-and-Miss-Wunder der selbsternannte Satelliten-Experte bleibt.
Aaron und Negan sorgen für die stärksten Szenen in Geister
Deutlich eindrucksvoller gestaltet sich da der letzte große Subplot der Episode. In diesem müssen Aaron (Ross Marquand) und Negan (Jeffrey Dean Morgan) widerwillig gemeinsam Alexandria verteidigen, nachdem sie von Gabriel (Seth Gilliam) hingebungsvoll zusammengeführt wurden ("Peanut butter, meet jelly"). Der Graben zwischen den beiden ist ein offensichtlicher, trotzdem verstecken sich in ihrem Mini-Arc sehr viele feine Nuancen.
Da steht Aaron nun mit seiner Morgensternprothese, während die Wut in ihm kocht. Von Natur aus liefert ihm Negan mit jedem frechen Satz, der ihm über die Lippen gleitet, einen Grund, Gebrauch von der wuchtigen Waffe zu machen. Zwei Menschen, die in Gemeinschaft mit dem Tod plötzlich über ihre Differenzen hinwegschauen müssen, obwohl es unmöglich scheint.
- Die neuen The Walking Dead-Episoden werden sonntags in den USA auf AMC ausgestrahlt und sind hierzulande einen Tag später auf FOX und über Sky Ticket zu sehen.
Nach gegenseitigen Schuldzuweisungen treibt sie das Schicksal auseinander, ehe ein hilfloser Aaron von dem flüchtigen Negan gerettet wird. Erneut ist es die Wahrnehmung eines bestimmtes Konflikts, die im Drehbuch von Jim Barnes sehr schön balanciert und von beiden Seiten beleuchtet wird. Ähnlich wie Michonne am Ende in ihr Schlafzimmer taumelt, geschafft von einem langen Tag. Doch dieses Mal kann sie durchatmen: Alle in Sicherheit. Vorerst.
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