The Meyerowitz Stories - Warum Adam Sandler keinen Hass verdient

21.05.2017 - 18:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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Adam Sandler und Dustin Hoffman trumpfen in The Meyerowitz Stories von Noah Baumbach auf, der im Wettbewerb von Cannes läuft.

Adam Sandler trägt auch in The Meyerowitz Stories Shorts. The Meyerowitz Stories wurde zwar von Netflix gekauft, gehört aber nicht zum berüchtigten 4(bzw. mittlerweile 8)-Filme-Deal, den Sandler mit dem Streaming-Dienst abgeschlossen hat. Auf der einen Seite stehen The Do-Over oder The Ridiculous 6. Die Kombo Netflix und Sandler dient hier als Siegel des Übels. Allgegenwärtige Abneigung dieser Art muss ein Vertrag zugunsten der Absicherung und Freiheit eines Filmemachers erstmal erreichen. Oder lieber nicht. Auf der anderen Seite steht der gepriesene Autorenfilmer Noah Baumbach (Frances Ha). Er verleiht Sandler Legitimität, den Cannes-Schimmer. Sandler schauspielert vortrefflich in The Meyerowitz Stories, das tat er aber auch schon vorher, nur eben in einem anderen Genre, mit anderen Tonlagen. Es wird Zeit, das Unbehagen über die Karriere des Adam Sandler abzulegen.

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Die Diskussion um Adam Sandlers Netflix-Freifahrtschein eröffnet eine Brücke zur ebenfalls in Cannes gezeigten Doku Promised Land, die den Niedergang von Elvis Presley mit jenem der USA vergleicht. Adam Sandler ist nun kein Bild Amerikas (der Einwanderer Zohan natürlich schon). Elvis' Las Vegas-Deal markierte allerdings eine Wende. Erst malochte der King im Film, dann drehte er ein geniales Comeback-Special. Statt einer künstlerischen Wiedergeburt wählte Elvis das lukrative Angebot in Vegas und verschwendete sich und seinen Körper bis zu seinem Tode ans Trällern alter Kamellen. Negativ gesonnene Sandler-Beobachter können mit seinen Komödien in der Regel sowieso nichts anfangen. Fans von Happy Gilmore und Waterboy - Der Typ mit dem Wasserschaden geht es hingegen wie beim "fetten Elvis" in Vegas. Der Komfort obsiegt, die Kreativität versiegt. Hier soll kein Plädoyer für Sandlers Netflix-Arbeiten vorgelegt werden, dazu sind sie qualitativ mehrheitlich enttäuschend und durchgängig von einer apatowschen Undiszipliniertheit gestraft. Sandler sucht noch seinen Groove im neuen Streaming-Heim und nicht immer steht das fähigste Personal bereit. Er macht es sich auf der Spielwiese gemütlich. Der dritte Film der Reihe, der liebenswert liebe Sandy Wexler, deutet eine Wandlung zum Besseren an. Sandy Wexler hebt sich erfrischend ab von den dominierenden Trends der Hollywood-Komödie, die ihre dünnen Pointen mit R-Rating-Schocks oder Action kaschieren. Sein Herz ist eine Sandler-Figur der alten Schule, ein bizarrer Außenseiter, der eine kindliche Gutherzigkeit in sich trägt. Die hält ihn natürlich nicht von katastrophalen Entscheidungen ab (sonst wär's ja keine Komödie). Eine abgemilderte, Cannes-taugliche Version davon findet sich auch in The Meyerowitz Stories. Ohne sie, ohne Adam Sandler, wäre der Film unerträglich.

Das gehört zum Konzept. Adam Sandler spielt Danny, ältester Sohn von Harold Meyerowitz (Dustin Hoffman), der sein ganzes Leben als Künstler gearbeitet hat. Geschätzt wird er nur als Kunstprofessor, was er wiederum gar nicht zu schätzen weiß. Danny kann wenig vorweisen: eine nie gestartete Karriere als Musiker, eine gescheiterte Ehe; Arbeit Fehlanzeige. Seine Tochter Eliza (Grace Van Patten) kommt ins College. Auch sie will Künstlerin werden. Dannys Halbbruder Matthew (Ben Stiller) macht irgendwas mit Finanzen. Er ist sehr erfolgreich, ein Fakt, den Vater Meyerowitz zu jeder Gelegenheit gegenüber Danny erwähnt. Während Matthew in allen anderen Momenten hört, wie schön Danny früher Klavier gespielt hat. Schwester Jean (Elizabeth Marvel, leider an den Rand verdrängt) lebt eben und kann auf eine hart erarbeitete Distanz gegenüber den gefräßigen Komplexen ihrer Familie stolz sein. Das vielfache Scheitern nagt an den Kindern. Von Harolds toxischer Krittelei ausgehend, hat es über die Jahre von den Söhnen Besitz ergriffen. Der eine reagierte, in dem er nach L.A. zog. Danny hingegen sucht die Nähe seines Vaters, obwohl es nur Kritik hagelt. Er verehrt sogar dessen Kunst.

The Meyerowitz Stories

Das potenziell unerträgliche Element in The Meyerowitz Stories bleibt dieses ewige Nagen des Vaters. Dustin Hoffmans geballtes Charisma ist von Nöten, damit überhaupt nachvollzogen werden kann, warum Danny nicht lieber unter einer Brücke wohnt. Bei der familiären Kälte im Hause Meyerowitz fröstelt es einem schließlich auch. Emma Thompsons daueralkoholisierte Stiefmutter Maureen leidet ebenso wie Kollegin Marvel unter dem Männer-Fokus und wirkt teilweise wie ein exzentrischer Running Gag. Die Bissigkeit der allgemeinen Vernachlässigung sorgt jedenfalls für Lacher. Selbiges gilt für die detaillierten Spitzen gegen das Milieu ("Where's my gourmet hummus?") und die amüsante Selbstüberschätzung des großen Genies Harold Meyerowitz, der beharrlich seine späte Würdigung einfordert/fantasiert.

Adam Sandlers Danny opfert sich diesem am eigenen Scheitern Hungernden willfährig, der kein Talent neben sich zulässt und dennoch von jedem erwartet, es ihm gleich zu tun. Naivität und Güte (und auch Wutausbrüche) der Sandler-Helden finden sich in dieser Figur. The Meyerowitz Stories ist zwar zuvorderst eine Komödie, mehr noch als der thematisch naheliegende Der Tintenfisch und der Wal. Dannys stumm ertragener Schmerz birgt dafür ein Versprechen: Diese weitere unter vielen Geschichten dysfunktionaler Filmfamilien wartet früher oder später mit einer emotionalen Resonanz auf. Dank Sandlers verletzlichem Spiel geht es auf. Ausflüge wie The Meyerowitz Stories zeugen jedoch nicht von einem vermeintlich verborgenen Talent Adam Sandlers, sondern den vielen Facetten der Schauspielkunst, die ein guter Filmkomiker beherrschen muss. Ob in Sandy Wexler oder dem neuen Baumbach.

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