The Marvelous Mrs. Maisel - Die Amazon-Serie strotzt vor Energie

19.09.2018 - 08:40 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Rachel Brosnahan als Midge MaiselAmazon Prime
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In The Marvelous Mrs. Maisel wirft die perfekte Ehefrau ihr Leben über den Haufen und folgt ihrer Liebe zur Stand-Up-Comedy. Wir haben den ersten Gig auf Amazon für euch überprüft.

Update, 19.09.2018: Gestern hat The Marvelous Mrs. Maisel den Emmy als beste Comedyserie gewonnen. Für alle, die die Serie noch nicht kennen, haben wir unseren Serien-Check noch einmal hervorgeholt, den wir schon am 01.12.2017 zum Start der Amazon-Serie veröffentlicht haben.

New York, 1958. Eine Frau, ein Traum, eine perfekte Familie. Jedenfalls fast. So lässt sich The Marvelous Mrs. Maisel in aller Kürze zusammenfassen. Doch die Amazon-Serie kann viel mehr, als nur die Geschichte einer Frau mit unkonventionellen Zielen erzählen.

Ein Traum in Technicolor

Die musterhafte, makellose Mrs. Miriam "Midge" Maisel. Klingt wie eine Werbefigur? Oh ja, allerdings. Seit Erfindung der TV-Werbespots sagten Hausfrauen aller Altersklassen: "Keine Mutter und Ehefrau ist ständig so fröhlich, sieht so perfekt aus und hat ein so tolles Leben!" Aber irgendwie hat Midge Maisel (Rachel Brosnahan) es geschafft, sich den perfekten Traum aufzubauen. Sie lebt tatsächlich genau dieses Leben in Technicolor. Sie ist Mutter (ein Junge, ein Mädchen, wie bestellt), lebt im großräumigen Apartment in der Upper Westside, ihr Ehemann Joel (Michael Zegen) ist wundervoll und sie sieht immer wunderhübsch aus.

Der Trick bei der Sache: Midge ist ehrlich glücklich und hat so viel Herz, wie sie nach außen trägt. In einer Welt, in der ihr von klein auf eingetrichtert wurde, dass nur hübsche Mädchen glücklich werden können, verliert sie trotz aller Anpassungs-Anstrengung nie die positive Einstellung. Sie quillt förmlich über vor Hingabe an ihren Mann. So sehr, dass sie ihn in einer langen, augenzwinkernden Rede auf ihrer eigenen Hochzeit anpreist. Um Joel die Illusion der perfekten Frau nicht zu nehmen, verschiebt sie sogar Gesichtspflege, An- und Abschminken und den Einsatz von Haarprodukten bis nach seinem Einschlafen und vor das Weckerklingeln.

Midge Maisel auf ihrer Hochzeit

Midge ist der Leim, der die Familie Maisel zusammenhält. Jeder Schwierigkeit begegnet sie mit Charme, einem ehrlichen (oder sarkastischen) Lächeln und viel messerscharfem Humor. Das scheint ihr leichtzufallen. Und mit der perfekten Unterstützung durch den Ehemann geht das ja auch problemlos. Oder?

Der Traum bröckelt

Joel hat ihr vor Jahren versprochen, sie für den Rest ihres Lebens täglich zum Lachen zu bringen. Dieser Traum hat sich nach vier Jahren allerdings etwas verschoben. Jetzt bemüht er sich fast jeden Abend um das Gelächter seines Publikums im Gaslight Café im Greenwich Village. Sein Stand-Up ist sein neues Lebensziel. Und der Stand-Up ist auch der Dreh- und Angelpunkt der ganzen Tragikomödie der Maisels.

Denn unter dem Streitpunkt von Joels Comedy offenbart sich so etwa ab der Hälfte der Pilotfolge, wie zerbrechlich das perfekte Leben ist. Besonders, wenn einer der Ehepartner den anderen als gegeben ansieht und all die Hingabe als Standard betrachtet. Oder der andere in seinem Glück seine eigene Naivität unterschätzt. Oder beides. Nach ein, zwei schicksalhaften Konflikten rund um Joels Erfolg bzw. Misserfolg platzt die Technicolor-Blase unverhofft. Und plötzlich steht Midge ohne Joel da.

Michael Zegen als Joel Maisel

Tragik? Ja. Mit Augenzwinkern? Definitiv!

Diese starken Kontraste und der rapide Absturz aus der absoluten Perfektion klingen überzeichnet. Sind sie auch, und zwar bewusst. Alles von der Musik (die stark an die Playlists des Wes Anderson erinnert und sogar ein Stück mit Moonrise Kingdom teilt) bis zum fast klischeehaft musicalmäßig anmutenden New York sprüht The Marvelous Mrs. Maisel übertriebene Funken. Die gesellschaftlichen und privaten Probleme, die im Leben der Midge Maisel schmerzhaft real sind, werden überdeutlich ausformuliert. Wir befinden uns in den 50ern, einer Zeit, in der Scharfsinnigkeit, Humor und Selbstständigkeit nichts für Frauen waren. Zumindest in den Augen der Gesellschaft. Midges Mutter (Marin Hinkle) reagiert auf die Nachricht, Joel sei mit der Sekretärin durchgebrannt, nur mit einer Frage: Was hat Midge falsch gemacht?

Ja, was hat sie falschgemacht? Nichts natürlich. Sie ist das Opfer. Die Reaktion ihrer Umwelt darauf ist mehr als unfair, und das ist tragisch. Warum also der überdrehte Tonfall? Warum die sorgfältig übertriebenen Charaktere? Weil Regisseurin und Drehbuchautorin Amy Sherman-Palladino ernsthafte Theman gerne mit spitzbübischem Augenzwinkern angeht. Das hat sie in Gilmore Girls bewiesen, und diese Philosophie vertritt sie aus folgendem, sinnvollen Grund auch hier:

Die beste Art mit Leid umzugehen, ist Humor. Das ist nicht nur eine leere Floskel. Schmerz und Humor können ohne einander nicht existieren. Ein kluger Weg, Vorurteile und gesellschaftliche Probleme zu behandeln, ist (zumindest in der Welt von Mrs. Maisel), den Ernst der Lage zugänglich zu machen. Und was ist leichter für uns Menschen zugänglich als Gelächter? Also beschließt Midge Maisel nach einer Verkettung von Zufällen spontan, ihrem Leid und Ärger Luft zu machen. Auf der Stand-Up-Bühne des Gaslight Café.

Rachel Brosnahan als verzweifelte Midge Maisel

Natürlichkeit und Ehrlichkeit

The Marvelous Mrs. Maisel verliert jedoch nie die Kontrolle über den Tonfall. Der Humor entkräftet den Ernst der Lage nicht, macht ihn nur erträglich. Wir haben es hier mit einer komischen Serie zu tun. Nein, nicht merkwürdig. Sondern eben komisch - ganz im Sinne von Komödie. Nicht die Art von Sitcom oder Dramödie, die einen ab und an glucksen oder schnauben lässt. Nein, die Pointen sitzen so perfekt, dass die Zuschauer nicht umhinkommen, tatsächlich lauthals loszulachen. Midge benötigt keinen krassen, vulgären Humor, um lustig zu sein. Aber sie baut ungeschminkte, vermeintlich anstößige Witze entspannt in ihre Routine ein. Nicht, weil sie einfache Lacher provozieren. Sondern, weil sie Teil des Lebens sind.

Dieses Leben, diese Ehrlichkeit, dieser Humor, diese Figur der Midge Maisel – sie alle strotzen vor Energie. Rachel Brosnahan sollte jeden Zuschauer, der nicht an einem akuten Fall on massiver Gefühlskälte leidet, innerhalb der ersten fünf Minuten um den Finger gewickelt haben. Zudem bekommt sie in Bardame Susie (gemimt von Alex Borstein in Höchstform) eine Partnerin für verbale Schlagabtausche, die sich gewaschen hat. In Susie findet Midge eine unerwartete Verbündete. Ein lederbekleidetes, ringelpullovertragendes Gegenstück zu ihren Petticoat-Kleidern. Alle Interaktion wirkt mühelos, alle Improvisationscomedy scheint tatsächlich spontan und leidenschaftlich, und das reißt ordentlich mit.

Die menschliche, misstönende, magische Mrs. Maisel (wer bietet mehr m-Adjektive?) verzaubert. Auf die kommenden Gigs dieser gefährlich cleveren Dame dürfen wir uns definitiv freuen.

Wie hat euch die erste Folge der Marvelous Mrs. Maisel gefallen?

Die 1. Staffel von The Marvelous Mrs. Maisel besteht aus 8 Episoden, die seit dem 29.11. bei Amazon Prime Video verfügbar sind.

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