Summer of Sam - Serienmörder & Faultierstimme

21.06.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Brody & Leguizamo
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Ich möchte euch etwas empfehlen. Nicht das Tagesmenü, sondern Filme, die nicht jeder kennt, die aber durchaus bekannter sein dürften.

Tausende Filme habe ich schon gesehen. Da wird es Zeit, meine Entdeckungen mit euch zu teilen. Alle zwei Wochen krame ich ein Werk raus, das nicht übermäßig bekannt ist, mir jedoch durchaus brauchbar scheint. Es soll jedoch nicht einfach wild in der Gegend rumempfohlen werden: Nach Möglichkeit wird eine Perle eines Filmschaffenden, der mit einem aktuellen Werk am Start ist, präsentiert. Um die Auswahl aber möglichst groß zu halten, kann auch durchaus ein unbeachtetes Genreglanzstück vorgestellt werden. Um es anhand eines Beispiels zu verdeutlichen: Wenn im Kino ein Science-Fiction-Film mit Aliens anläuft, werde ich versuchen, ein unbekanntes Werk mit fremden Lebensformen zu finden, das ich euch ans Herz legen möchte.

Nun beende ich aber meine Vorrede, um mich der entscheidenden Sache zuzuwenden, nämlich meiner Empfehlung. Anfang des nächsten Monats startet mit Ice Age 4 – Voll verschoben ein weiterer Teil der Zeichentrickerfolgsreihe. In Deutschland sind die Filme nicht nur wegen der sympathischen Figuren und der grandiosen Witze absolute Hits geworden, sondern auch aufgrund der Synchronisation. Ganz weit vorne ist dabei Otto Waalkes als Stimme des reichlich aktiven Faultiers Sid. Im Original ist John Leguizamo dafür verantwortlich, dass der haarige Trottel sprechen kann. Hauptberuflich ist John Leguizamo jedoch nicht Synchronsprecher, sondern Schauspieler. In der quietschbunten Videospielverfilmung Super Mario Bros. verkörperte er Luigi, in Moulin Rouge von Baz Luhrmann Toulouse-Lautrec und im von Brian De Palma inszenierten Gangsterfilm Carlito’s Way stellte er an der Seite von Al Pacino Benny Blanco dar. Das ist nur eine kleine Auswahl aus der Filmographie von John Leguizamo, denn der Mann aus Kolumbien ist geschäftig. Ab und an hat er deswegen auch richtig danebengegriffen bei der Rollenwahl. Sein Part in Summer of Sam von Spike Lee zählt jedoch auf keinen Fall dazu.

Worum geht es in Summer of Sam?
New York City im Jahr 1977: Eine Hitzewelle erdrückt die Einwohner der Metropole förmlich. In dieser sowieso schon aufgeheizten Atmosphäre schlägt ein Serienkiller zu, der sich selber Son of Sam nennt. Die Bevölkerung gerät in Panik, blonde Frauen fürchten sich auf die Straße zu gehen, Bürger patrouillieren auf eigen Faust, Verdächtigungen machen die Runde. Inmitten dieses Tohuwabohu werden die Geschichten des in der Bronx lebenden, unglücklich verheirateten Paars Vinny und Dionna, dem mittlerweile der Punk-Bewegung zugehörigen Richie, dessen Mutter und der hübschen Ruby erzählt.

Wer denkt, dass Spike Lee die Taten des Mörders David Berkowitz, wie der Son of Sam mit bürgerlichem Namen heißt, schildert, der wird überrascht – zumindest dann, wenn einem Spike Lees Schaffen unbekannt ist. Der Regisseur konzentriert sich auf das New York der 1970er, die Umwälzungen, die damals stattfanden, indem Disco-Sound und Punk-Style das Land überrollten. Spike Lee konzentriert sich auf Einzelschicksale im Moloch namens The Big Apple. Mafia, Drogen, Sex sind seine Stichworte, die er durch die Hauptcharaktere präsentiert. Vor allem schaut er auf John Leguizamo als seinem Stadtteil angepasster Prolet Vinny, der sich seine ihm scheinbar zustehenden Rechte als Mann herausnimmt und seine Ehefrau betrügt, wenn es ihm gefällt. Sein Freund Richie, stark gespielt von Adrien Brody, ist hingegen das Gegenteil, gewollt unangepasst, mit auffälliger Kleidung und Frisur, sein Geld als homosexueller Stricher verdienend. Damit eckt er in der italoamerikanischen Gemeinde an. In diesem rumorenden Schmelztiegel, geprägt von Veränderung und Angst vor dem allgegenwärtigen Mörder, begeben sich Vinnys Kumpel Joe T (Michael Rispoli) und seine Gang auf die Jagd nach dem Son of Sam. Dass ausgerechnet Richie in deren Fokus gerät, ist aufgrund der Umstände wenig überraschend.

Spike Lee hat mit diesem etwas überlangen, aber durchaus intelligenten Sozialdrama, das vordergründig als Thriller daherkommt, eine Studie über menschliches Verhalten vorgelegt, die sich ausnahmsweise nicht in der „black community“ abspielt, dennoch die Themen Diskriminierung, Doppelmoral und Vorurteilsbehaftung behandelt. Dass die Fäden, die der Regisseur spinnt, am Ende nicht alle optimal zusammengefügt werden, ist dabei wohl der Hauptkritikpunkt. Da die Schauspieler, egal ob John Leguizamo, Adrien Brody, Mira Sorvino oder Jennifer Esposito, allesamt ausgezeichnete Arbeit abliefern, ist das Sehvergnügen dennoch recht hoch. Wer Lust auf ein Panorama der USA der 1970er Jahre und etwas mehr Zeit übrig hat, dem sei Summer of Sam wärmstens empfohlen. Und dass John Leguizamo nicht nur als Faultierstimme Talent besitzt, wird durch diesen Film mehr als deutlich.

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