Stark, weiblich, Katniss Everdeen?

23.11.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Stark oder stark™?STUDIOCANAL
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Die starke, weibliche Figur im Film gibt es. Ab und an. Aber da gibt es auch noch die Marketing-Variante, die Frauenfigur, die von außen aussieht, als wäre sie "stark", aber eigentlich nur ein Abziehbild ist. Bisher dachte ich immer, Katniss gehört zur ersten Sorte. Aber nach Mockingjay 2 bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Vielleicht ist Ripley (Sigourney Weaver) daran Schuld, dass ich bestimmte Erwartungen an eine Figur habe, die man als strong female character (starke, weibliche Figur) bezeichnet.

Na ja gut, ich bin ehrlich. Wahrscheinlich ist es vor allem Buffys Schuld (Sarah Michelle Gellar):

Es gab wirklich nur eine Handvoll "starker, weiblicher Figuren" in den 1990er/Anfang 2000er Jahren im US-Kino. So rar, wie sie gesät waren, so großartig war aber auch ihre Existenz. Was sie ausmacht? Grob skizziert sind es Frauen, die eine Hauptrolle spielen und dabei nicht in Abhängigkeit zu anderen stehen, sondern ihr Ding durchziehen und dabei nicht übermäßig sexualisiert werden. Aber vor allem sind es starke Figuren, weil sie stark geschrieben sind. Als Frauen, die etwas bewegen, die mehrdimensional sind, gerne auch ambivalent und die die Geschichte vorantreiben.

Ich mag solche Frauenfiguren sehr. Sie sind spannend, sie haben Persönlichkeit, sie sprechen mich an. Vor allem die, die auch körperlich in Aktion treten: die Sarah Connors (Linda Hamilton in Terminator), die Zoe Washburnes (Gina Torres in Firefly ‒ Aufbruch der Serenity), die Yu Jiao Longs (Ziyi Zhang in Tiger and Dragon) und die Starbucks (Battlestar Galactica).

Umso gespannter war ich (bzw. bin ich noch) natürlich auf die Verfilmungen der Die Tribute von Panem- und der Die Bestimmung- Bücher.

Die Tribute von Panem Mockingjay Teil 2 - Trailer 3 (Deutsch) HD
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Jetzt wo ich den letzten Teil der Panem-Tetralogie, Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2, gesehen habe, sitze ich hier und bin verstört. Das sah irgendwie alles danach aus, als ob Katniss ebenfalls eine solche starke, weibliche Figur ist. Aber irgendwie war es dann doch als ob man Pappe kaut, während man einen Cheeseburger erwartet hat. Was ist da los?

Katniss Everdeen™

In den letzten Jahren ist ein ähnlicher Figurentypus entstanden, quasi ein strong female character™ (ich kürze die ab jetzt mal SFC™ ab). SFCs™ sind die systematische Verarbeitung dieser einzelnen Frauenfiguren, die in der Filmgeschichte ab und zu mal aufgetaucht sind. SFCs™ sind der Gegenentwurf zum "Frau in Nöten"- Tropus und ein spannendes bis eigenartiges Hybridwesen aus klassischem Hollywood-Figuren-Marketing und den Forderungen der Emanzipationsbewegung. Diese Figuren sind aber keine Sarah Connors und Co. Sie sind Abziehbilder, Chimären, seelenlose Klone des eigentlichen Konzepts. Von außen sieht alles gleich aus, aber innen ist eben doch nur Pappe. Sie sind stark im Sinne des Kämpfens, aber nicht im Sinne ihres Charakters. Sie sind bei genauer Betrachtung nicht unabhängig, sondern arbeiten ausschließlich innerhalb eines Systems, das andere kreiert haben und dem sie letztendlich dienen. Sie sind nicht die große treibende Kraft der Diegese. Sie sind der Stereotyp Kriegerin. Sie sind der Marketing-Gag, der junge Frauen ansprechen, junge Männer aber nicht abturnen soll. Sie sind das neue Gütesiegel für Filme: "emanzipatorisch wertvoll." Sie sind Trinity (Carrie-Anne Moss) aus Matrix, Valka aus Drachenzähmen leicht gemacht 2, Carole Marcus (Alice Eve) aus Star Trek Into Darkness. In Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 2 ist aus Katniss genau das geworden.


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