Star Wars: Rogue One und Blockbuster-Illusionen

17.08.2016 - 10:08 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Rogue One: A Star Wars Story
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Rogue One: A Star Wars Story
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Die Nachdrehs zu Star Wars: Rogue One haben Fans empört, obwohl sich Eingriffe der Studios in Filmproduktionen schon aus den Bedingungen ihres Systems ergeben. Dass es um Individualisten in Hollywood schlecht bestellt ist, kann man bedauerlich finden. Überraschend ist es nicht.

Ein Filmemacher hat eine Vision von Kino und Filmproduzenten sind ihm bei der Umsetzung dieser Vision vor allem finanziell behilflich – das ist eine schöne Vorstellung, die natürlich wenig mit der Wirklichkeit, jedenfalls der Wirklichkeit des Mainstream-Kinos zu tun hat. Die Autorentheorie, der so viele cinephile Menschen hörig sind, geht davon aus, dass die Arbeiten prägnanter Filmemacher Produkte ihrer individuellen Begehrlichkeiten sind. Dass darin, mit einer gewissen Kontinuität, Themen und Motive zum Ausdruck kommen, die Rückschlüsse auf eine eigene Handschrift zulassen. Und dass der Autor, oft als Kopf eines eingespielten Teams aus Produktionsmitgliedern, trotz aller äußeren Einflüsse und Widerstände fähig ist, sein Werk zu einem unverkennbar eigenen zu machen. Auch das Studiosystem, selbst oder erst recht die rigide Filmproduktionsschmiede des Hollywood der 30er und 40er Jahre, habe immer wieder Autorenfilmemacher hervorgebracht, deren Eigenheiten noch die größten Einschränkungen zu überstehen vermochten.

Das ist, abhängig von der Zuneigung zu einem bestimmten Filmemacher, der Idealfall. Er setzt voraus, dass der Autor über eine eigene Handschrift verfügt und die Studios sie nicht bis zur völligen Unkenntlichkeit entstellen. Auf eine öffentlichkeitswirksame Probe wird die Autorentheorie – zumindest aber der Glaube an eigenwillige Kunst in einem eigenwilliger Kunst nicht sehr förderlichem System – gestellt, wenn diese Voraussetzungen augenscheinlich unerfüllt bleiben: Aufgrund umfangreicher Nachdrehs lässt Rogue One: A Star Wars Story, das jüngste Beispiel eines durch Studioeingriffe offenbar stark veränderten Hollywood-Blockbusters, Fans mit Sorge auf den Kinostart des Star-Wars-Spin-offs im kommenden Dezember blicken. Vierzig Prozent des Films, so die Vermutung, seien neu gedreht worden, und nicht Regisseur Gareth Edwards habe diese Arbeiten überwacht, sondern der vom verantwortlichen Studio zur Schadensbegrenzung engagierte Tony Gilroy. Vor allem das Ende sei stark angepasst worden, berichtet der Hollywood Reporter  unter Berufung auf Insiderquellen.

Nun darf man sich das Verhältnis zwischen einem, unterstelle ich mal, vor Ideen sprudelnden Filmemacher wie Gareth Edwards und den zuständigen Entscheidungsträgern des diese Ideen in Verkaufsargumente verwandelnden Disney-Studios sicherlich nicht allzu romantisch vorstellen. Den dickwanstigen Hollywoodmogul von einst, dem gegenüber Filmemacher und Stars sich verantworten mussten, weil es ihm darum ging, das größte Geld verdienen und zugleich die größte Kunst produzieren zu wollen, gibt es nicht mehr. An seine Stelle traten – spätestens seit Verschmelzung aller klassischen Filmstudios mit Medien- und anderweitigen Unternehmen zu Konzernen von ziemlich unterschiedlichen Geschäftsfeldern – Manager, die Kunst nicht verstehen und auch gar nicht zu verstehen brauchen. Mit einem Gareth Edwards gibt es da keine Berührungspunkte, seine Ansprechpartner sind Verwalter der Subunternehmen, die – auch wenn es ihnen vielleicht schon eher um die Sache geht – sicherzustellen haben, dass das Produkt gut zum Konzern passt.

Dieser zwischengeschaltete Kommunikationsapparat ist hier Lucasfilm, ein Konzern innerhalb des Konzerns also, dessen Präsidentin Kathleen Kennedy das Erbe von George Lucas verwaltet. Sie produziert die neuen Sternenkriegsabenteuer und überwacht deren Produktionen, und sie ist es auch, die Gareth Edwards als Regisseur des ersten Films der sogenannten Star Wars Anthology Series verpflichtete (ihr Ehemann wiederum, Produzent Frank Marshall, soll Tony Gilroy für die derzeitige Kurskorrektur von Rogue One vorgeschlagen haben). Kennedy hat, unterstelle ich schon wieder, die Aufgabe, einen sehr guten Film abzuliefern, der Fans nicht enttäuschen und Disney zufrieden stellen wird. Sie muss das franchise building so organisieren, dass Rogue One sich darin nicht wie ein fremder Baustein anfühlt: Schiebt ihn Regisseur Gareth Edwards mit einigen Ecken und Kanten zu viel ins neue Star-Wars-Haus, droht es wackelig zu werden – und wacklige Angelegenheiten dürften das letzte sein, woran Disney nach der milliardenschweren Übernahme der Marke Interesse hat.

Es gibt eine Vielzahl von Gründen, das langweilig oder kunstfeindlich zu finden, aber sie führen nirgendwo hin. Ein großes Studio muss bzw. will Dinge berücksichtigen, für die sich ein Filmemacher, ein guter zumindest, nicht die Bohne interessiert. Es muss bzw. will, was übrigens auch eine (auf die Ebene von Konzernlogik übertragene) Autorenqualität ist, garantieren, dass das gefertigte Produkt dem Branding dienlich ist. Lässt sich Rogue One nicht als Star-Wars-typischer Film identifizieren, weil er vielleicht weniger familienfreundlich ausfällt als andere Episoden, ist das schlicht nicht im Interesse von Disney. Gareth Edwards betonte zwar stets, freilich mit Zustimmung des Studios, sein Film werde sehr düster und kriegerisch ausfallen, werde sich also unterscheiden von der bisherigen Gangart im Star-Wars-Univerum. Doch das bedeutet natürlich nicht, dass dieser Ambition keine Grenzen gesetzt sind. Regisseur bei Disney zu sein heißt eine Dienstleistung zu vollbringen, von der man jederzeit enthoben werden kann. Bestelle ich einen Maler, steht es mir frei, ihn zu feuern und meine Wände selbst fertig zu streichen.

Klingt, selbstverständlich, trist. Und vielleicht ist es naiv anzunehmen, jemand wie Gareth Edwards könne in diesem Prozess mehr sein als ein bloßer Erfüllungsgehilfe. Filmstudios schließlich sind risikounfreudig, erst recht in Zeiten der reichlich verzweifelten Tentpolisierung des Blockbuster-Kinos. Mehr denn je geht es ihnen um die optimale Vermarktbarkeit und Konsumerabilität ihrer bis zu 300 Millionen Dollar teuren Four-Quadrant Movies : Ein Film ist nicht mehr nur ein Film, dessen möglichen Misserfolg ein anderer Film auffangen wird, sondern er ist Teil einer Kette ihm angeschlossener Produkte, die ebenso wie er ein größtmögliches Publikum erreichen und viele Fortsetzungen, Ableger und weiß der Geier was produzieren sollen. Das ist nicht der Untergang des Kinos, es ist ein simples Geschäft. Man darf nur nicht der Illusion erliegen, dass das irgendwas mit Kunst zu tun hat. Stattdessen gilt es sich jene Rosinen herauszupicken, die dem ganzen doch noch einen unerwarteten Geschmack verleihen (vergleichbar mit klassischen Studioregisseuren, die dem Hays Code  ein Schnippchen schlugen).

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