Rocketman: Das Elton John-Biopic triumphiert, wo Bohemian Rhapsody scheiterte

18.05.2019 - 13:49 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Rocketman mit Taron EgertonParamount Pictures
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Taron Egerton spielt die Legende Elton John in dem Biopic Rocketman, das beim den Filmfestspielen von Cannes Premiere feierte. Lest hier, warum auch Bohemian Rhapsody-Fans dem Musical eine Chance geben sollten.

Lust auf eine Verschwörungstheorie? Rocketman ist in Wirklichkeit ein Remake von Bohemian Rhapsody. Ich habe zwar keine Beweise, die Nähe der Starttermine spricht dagegen und der gesunde Menschenverstand auch. Das Biopic über die schwule Musiklegende Elton John wirkt trotzdem wie die zweite, überarbeitete Fassung des Freddie Mercury-Films, der Rami Malek dieses Jahr einen Oscar bescherte.

Diesmal spielt Kingsman-Star Taron Egerton die Hautrolle eines musikalischen Genies, das die Welt erobert, sein mangelndes Selbstwertgefühl jedoch durch keine Goldene Schallplatte kompensieren kann. Bei den Filmfestpielen von Cannes hat Rocketman gestern außer Konkurrenz Premiere gefeiert. Schauen wir uns die Verschwörungstheorie mal genauer an ...

Drei Dinge, die ihr über Rocketman wissen müsst:

  • Taron Egerton singt in Rocketman selbst.
  • Seine dentalen Hilfsmittel beschränken sich auf eine aufgemalte Zahnlücke.
  • Falls ihr euch wundert, warum Richard "Robb Stark" Madden als nächster James Bond gehandelt wird, ist Rocketman das perfekte Bewerbungsvideo.
  • Alle Infos zum Festival Cannes 2019 in der Übersicht.

Was hat Rocketman mit Boehmian Rhapsody zu tun?

Elton John - Komponist von Candle in the Wind, I'm Still Standing, Your Song und mehr Hits, als mir vorher bewusst war - wurde als Reginald Dwight geboren. Ähnlich wie in Bohemian Rhapsody schauen wir zu Beginn von Rocketman zu, wie diese Persönlichkeit unter einer neuen versteckt wird.

Taron Egerton in Rocketman

Der Film von Dexter Fletcher setzt in der Kindheit an. Da entdeckt Elton/Dwight zum Desinteresse seiner Eltern eine musikalische Begabung. Das erste Treffen mit dem Gleichgesinnten (Jamie Bell als Liedtexter Bernie Taupin) wird ebenso abgehakt wie die Vorstellung beim Plattenboss und die Komposition des ersten Hits.

Durchbruch, Höhenflug, Drogen, Partys und das Ringen mit der eigenen Homosexualität füllen Rocketman aus. Sogar ein Homme fatale kommt vor, der sich in Johns Leben und Karriere drängt und ihn ausnutzt.

Mit einem rasanten Erzähltempo jagt Rocketman durch diese Story, unterstützt von bunten Montagen und Ohrwürmern. Bis zum tragischen Ende der Freddy Mercury-Story lassen sich die Story-Gerüste von Bohemian Rhapsody und Rocketman ohne wesentliche Abweichungen übereinander legen.

Beide Filme sind schließlich Musiker-Biopics, die, anders als beispielsweise I'm Not There über Bob Dylan, den Erzählmustern des Genres folgen. Trotzdem geht Rocketman triumphierend aus dem direkten Vergleich zu Bohemian Rhapsody hervor. Woran liegt das?

Rocketman steht zu seiner Hauptfigur Elton John

Zunächst einmal: Nur weil Taron Egerton in Rocketman selbst singt, ist seine Darbietung nicht automatisch besser als die von Rami Malek. Letztlich zählt der Film als Gesamtwerk, ob mit Lip-Synch oder ohne.

Beide Schauspieler neigen zum angestrengten Overacting, wenn sie die überlebensgroße Persönlichkeit ihrer Figur zu füllen suchen. Auf Egertons Habenseite steht allerdings der Mangel an falschen Zähnen. Egerton sieht Elton John nicht ähnlich, aber das lenkt weniger ab, als es ein überspannter Versuch der Nachahmung tun würde.

Rocketman

Hinzu kommt die Bestimmtheit, mit der Rocketman die Sexualität seiner Hauptfigur thematisiert. Flirts zwischen Männern kommen ohne die ominösen Untertöne des Queen-Films aus.

In Bohemian Rhapsody stellte die Inszenierung Mercurys Beziehungen zu Männern schließlich immer dann in ein schlechtes Licht, wenn es um basale Instinkte ging. Um Lust, um Sex, um Lust am Sex mit vielen unterschiedlichen Partnern. Die stabile, fast schon körperlos dargestellte Beziehung bildete hier den Rettungsanker.

In Rocketman steckt das Verhängnis schon in Dwight selbst: Elton mag alles ausleben, was sich der scheue Dwight nicht traut. Dwight bleibt in seiner ungestillten Liebesbedürftigkeit aber immer da unter den flamboyanten Kostümen, den Schnapsflaschen und Koksdöschen.

In Rocketman werden Elton Johns Lieder zur DNA des Films

Was Rocketman jedoch am meisten von Bohemian Rhapsody abhebt, ist der Einsatz der Musik. Die bricht die Chronologie der Erzählung auch mal auf.

Jamie Bell und Raton Egerton in Rocketman

Da steigt der Junge zu den Klängen von Saturday Night's Alright for Fighting durch einen Lattenzaun und tritt auf der anderen Seite als junger Mann heraus. Mit Tänzern gibt er sich, nun von Taron Egerton gespielt, auf einem Jahrmarkt dem Überschwang hin und trällert, was das Zeug hält.

Das Drehbuch von Lee Hall (Billy Elliot) saugt die Discografie von Elton John auf und fügt dessen Liebe zu Glitter und Kitsch, Rock'n'Roll, Soul und Country in die DNA des Films ein. Bühnenauftritte verwandeln sich mittendrin in Fantasy-Sequenzen.

Der Biopic-Trott geht in elaborierte Musical-Sequenzen über, in denen Taron Egerton von Studiobühne zu Studiobühne, Lebensstation zu Lebensstation tänzelt. In Rocketman wird auf diese Art verkürzt und überspitzt, was andere Genre-Genossen entweder zusammenhanglos oder zäh erzählen.

Rocketman: Jamie Bell und Richard Madden als Verstärkung

Letztlich folgt auch die Elton John-Story der bekannten Biopic-Leier, die immer ertönt, wenn niemand singt. Dann zehrt der nicht sonderlich erhellende Kampf mit der Sucht in Rocketman von den Darstellern.

Taron Egerton und Richard Madden in Rocketman

Die Figuren bleiben schließlich leicht wie Pappmasché. Dafür kann der Film immerhin auf die warme Präsenz von Jamie Bell und den ungewohnt charismatischen Richard Madden zurückfallen. Wer Bryce Dallas Howard schon immer mal im aufblähenden Alterungs-Make-up sehen wollte, bekommt endlich die Chance dazu. Sie spielt Elton Johns eisig pragmatische Mutter.

In Rocketman bekommen wir eine Ahnung davon, wie Dexter Fetchers Bohemian Rhapsody ausgesehen hätte. Fletcher war 2013 in das Queen-Biopic involviert und kam später zu Hilfe, als der nominelle Regisseur Bryan Singer spät in der Produktion gefeuert wurde.

Fletchers Elton John-Film ist auch eine konventionelle Musikbiografie. Doch stemmt sie sich in vielen Teilen genau dagegen. Sie lässt die Musik die Biografie erzählen. Sie kommt der extravaganten Energie ihrer Hauptfigur nahe und fängt sie in manchen Musikszenen sogar ein, anstatt sie zu imitieren.

Freut ihr euch auf Rocketman?

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