Roadies – Die Serie von Cameron Crowe im Pilot-Check

28.06.2016 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
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In seinem Musikfilm Almost Famous interessierte sich Cameron Crowe für die kleinen und großen Dramen jenseits der Show-Bühne. Roadies macht nun genau dort weiter – und ist eine serielle Liebeserklärung an Menschen, deren Arbeit vielen verborgen bleibt.

Was Roadies sind und was sie tun, muss man vielleicht erklären. Roadies, die Serie, macht das zu Beginn mit einem Zitat von Tom Petty. Gesegnet seien Veranstaltungstechniker, soll er gesagt haben, denn erst sie ermöglichten Live-Shows von Musikern wie ihm. Wochen- und monatelang ziehen Road Crews von Stadt zu Stadt, bauen Bühnen auf und wieder ab, organisieren Licht, Ton und Pyrotechnik. Sie sorgen dafür, dass Künstler auf Tourneen eine gute Figur abgeben, und garantieren dem Publikum im Idealfall unvergessliche Erlebnisse. Dass ihre Arbeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, mag dabei etwas Undankbares haben. Doch genau diese Nicht-Sichtbarkeit der für den reibungslosen Ablauf von Konzerten zuständigen Menschen hat den romantischen Mythos der Roadies begründet: Sie gelten als im Verborgenen agierende Bandmitglieder – und sind in den Augen mancher Fans die wahren Stars.

Diese Parallelwelt eignet sich natürlich hervorragend für filmische und vielleicht noch mehr für serielle Erzählungen, sofern sich die spannendsten Geschichten tatsächlich hinter der Bühne abspielen. Alan Rudolphs Roadie rückte die Arbeit von Tourmitarbeitern bereits 1980 in den Mittelpunkt eines Kinofilms, wesentliche Rollen spielten Roadies auch in This Is Spinal Tap und School of Rock. Es war jedoch Regisseur Cameron Crowe, der dem oft unglamourösen Alltag von Musikern und ihren personellen Anhängen mit Almost Famous - Fast berühmt ein besonderes Denkmal setzte. Das Leben jenseits der Show lernte Crowe schon als Jugendlicher kennen, als er einige der größten Musiker der 1970er Jahre für Magazine wie den Rolling Stone auf Tour begleitete. Seine damaligen Erfahrungen müssen für ihn prägend gewesen sein, so sehr jedenfalls, dass er sie für die Showtime-Serie jetzt noch einmal abruft.

Figuraler Dreh- und Angelpunkt von Roadies ist der offenbar allzu verschwenderische Tourmanager Bill (Luke Wilson), der von seinem Unternehmen einen Finanzberater aufgehalst bekommt. Reg Whitehead (Rafe Spall) soll Ordnung in die Road Crew der (fiktiven) Staton-House Band bringen, über deren Vorbereitungen für ein Konzert in New Orleans weitere Hauptfiguren eingeführt werden. Produktionsleiterin Shelli (Carla Gugino) etwa hegt romantische Gefühle für Bill, die zunächst allerdings nur angerissen beziehungsweise dem Expositionscharakter des Piloten untergeordnet werden. Kelly Ann (Imogen Poots) ist ein Mädchen für alles, das eigentlich Filmemacherin werden möchte, sich aber nicht vom Leben on the road lossagen kann. Und ihr Zwillingsbruder, der etwas verpeilte Wes (Richard Colson Baker), stößt neu zum Team, nachdem er bei Pearl Jam gefeuert wurde.

In prominenten Nebenrollen sind darüber hinaus Keisha Castle-Hughes, Luis Guzmán und Hollywoods wohl markantester Vokuhila Branscombe Richmond zu sehen, deren Figuren aber vorerst unauffällig bleiben. Die erste Folge der Serie ist erst einmal damit beschäftigt, dem Publikum das große Ensemble und dessen spezielle Lebenswelt zu vermitteln: Akribisch schildert Roadies den Arbeitsablauf einer gewöhnlichen Show-Vorbereitung, macht den Zuschauer mit den Eigenheiten und Macken von Künstlern und ihren Helfern vertraut. Zu den amüsantesten Details zählt dabei das schon in Almost Famous beleuchtete Phänomen der Groupies (dort Band-Aids gennant), die gern Road-Crew-Mitarbeiter benutzen, um ihren Idolen näherzukommen – obgleich die wunderbar durchgeknallte Natalie (Jacqueline Byers) hier tatsächlich ein Groupie der Roadies selbst zu sein scheint.

Es ist dem Piloten anzumerken, dass Cameron Crowe weiß, wovon er erzählt, und dass er noch immer ein idealistischer Filme- oder nun eben Serienmacher ist. Seine bekannten Themen jedenfalls setzt Roadies nahtlos fort: Die Grundskepsis gegenüber künstlerischer Vereinnahmung (sei es durch die zynische Welt der Sportmanager in Jerry Maguire - Spiel des Lebens oder jene gierigen Plattenbosse, die den Freiheitsgedanken der Rockmusiker in Almost Famous bedrohen) sowie das sentimentale Heraufbeschwören bestimmter altersabhängiger Lebensgefühle (adoleszente Ängste in Teen Lover oder die Weltverlorenheit der "Generation X" in Singles - Gemeinsam einsam) sind wiederkehrende Crowe-Merkmale. Der Auftritt des schnöseligen Reg Whitehead also stellt die Unbeschwertheit der Roadies in Frage, während die Serie deutlich mit ebendieser sympathisiert.

Den Mythos möchte Cameron Crowe augenscheinlich festigen, und das ist völlig in Ordnung. Ihm nimmt man diese spürbar autobiographisch gefärbte Wehmut und ihren leicht verklärenden Tonfall gern ab, nicht zuletzt, weil sich in den professionellen Bündnissen der Road Crews auch eine Sehnsucht nach familiärem Zusammenhalt abzeichnet, die hochrangigen Vertretern der Musik- und Veranstaltungsindustrie tatsächlich verborgen bleiben muss. Wie profund oder erzählerisch tragfähig die 10 Folgen umfassende erste Staffel das Konzept noch ausbauen kann, wird sich zeigen. Mit Showrunnerin Winnie Holzman (Wunderbare Jahre, Willkommen im Leben) und Produzent J.J. Abrams (Felicity, Lost) stehen Crowe immerhin erfahrene Fernsehschaffende zur Seite, die die Serie zu einem großen Erfolg machen können.

Roadies ist in den USA ab dem 26.06.2016 jeden Sonntag auf Showtime zu sehen.

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