Regisseure, die sich selbst zum Thema machen

27.01.2012 - 08:50 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
Federico Fellini's Achteinhalb
Columbia
Federico Fellini's Achteinhalb
24
15
In der Dokumentation Arirang versucht Regisseur Kim Ki-duk seine eigene Depression zu heilen und betreibt damit eine filmische Selbsttherapie. Doch ein Blick in die Filmgeschichte zeigt, dass er damit beim besten Willen nicht der Erste ist.

“Ich kann gerade keine Filme machen, also filme ich mich selbst”, so die kurze aber doch klar verständliche Erklärung des Ausnahme-Regisseurs Ki-duk Kim zu Beginn seiner gestern hierzulande angelaufenen Dokumentation Arirang. Darin behandelt er in Selbsttherapie seine anhaltende Depression, die während den Dreharbeiten zu seinem vorangegangenen Film n/a ausgebrochen war. Bei einem tragischen Unfall war bei den Dreharbeiten eine seiner Schauspielerinnen beinahe ums Leben gekommen. Diesen Fehler konnte sich der Südkoreaner nicht verzeihen und so folgte eine fast dreijährige Schaffenskrise.

In seiner ersten Dokumentation behandelt sich Kim Ki-duk selbst, er nutzt darin sein Schaffen als Regisseur und setzt es mit einem Psychotherapeuten gleich, der ihn von der Krankheit heilen soll. Er filmte sich dabei in völliger Einsamkeit; beim Trinken, Essen, Weinen oder Beten und versucht sich den Dämon Depression selbst aus dem Leib zu prügeln. Für den Zuschauer ist das oftmals ein groteskes Bild, aber gleichzeitig eben auch ein sehr interessantes, denn wann bekommen wir schonmal die Gelegenheit, dermaßen tief in das Seelenleben eines anderen Menschen zu blicken. Auch wenn nicht vollends geklärt werden kann, wo die Krankheit aufhört und die Inszenierung anfängt, so ist Arirang doch ein Film, den wir in dieser Form noch nicht gesehen haben.

Schaffenskrise als Quell der Inspiration

Als Künstler auf die Idee zu kommen, tragische Erlebnisse oder schlicht seinen Alltag in Werken zu verarbeiten, ist indes alles andere als Neu. So nahm sich der italienische Star-Regisseur Federico Fellini schon 1963 seine eigene Schaffenskrise als Quell der Inspiration um seinen Kinofilm Achteinhalb zu inszenieren. Alle Themen und Motive hatte er schon beisammen, es fehlte ihm nur ein Korsett, um sie darin passgenau einzufügen. Als er anfing, an der fehlenden Kreativität zu Grunde zu gehen, kam er auf die simple wie geniale Idee, genau dieses Problem als Aufhänger zu benutzen und schuf damit ein zeitloses wie vielschichtiges Selbstportrait. Im Gegensatz zu Kim Ki Duk stülpt Fellini darin sein Innenleben zwar nicht so explizit nach außen, doch das Prinzip bleibt das gleiche: Film als Selbsttherapie und -reflexion. Beide Filmemacher nutzten ihre Werke, um sich von einer persönlichen Tragödie zu befreien.

Etwas anders verwendete der deutsche Regisseur Konrad Wolf seine kreative Ader, um sich selbst zu therapieren. Anders als Kim Ki-duk und Fellini befasst sich Wolf nicht mit einem gegenwärtigen Trauma, sondern mit einem vergangenen. In dem episodischen Anti-Kriegsfilm Ich war neunzehn verarbeitet Wolf seine Erlebnisse im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg, bei dem er zunächst aus Nazi-Deutschland nach Moskau flüchtete, aber im Frühling 1945 als Leutnant der Roten Armee in sein Vaterland zurückkehrte. Die bebilderten Impressionen der „bewegenden Annäherung an die zum ‚Feindesland‘ gewordene Heimat“ halfen dem Regisseur, mit seiner Vergangenheit ins Reine zu kommen. Er hing dabei seinen Selbstbezug nicht an die große Glocke, ließ vielmehr sichtbar viel Raum beim Zuschauer für eigene Assoziationen.

Skurrile Trilogie zur Selbsttherapie

Das japanische Multitalent Takeshi Kitano wählte mit seiner surrealen autobiografischen Trilogie wiederum einen anderen Weg. In der turbulent-blutigen Komödie Takeshis’ agiert der Filmemacher als Hauptdarsteller und mimte dabei gleich mehrere Rollen. Er nimmt darin zum einen Bezug auf seine früheren Werke, zum anderen aber auch auf seine Biografie. Ähnlich wie Fellini nimmt sich Kitano in dem Nachfolgewerk Glory to the Filmmaker! sein eigenes Werk als Vorbild und wirft einen humoristischen Blick auf sein kreatives Schaffen als Filmemacher. Die berühmte Kitano-Trilogie schließt der Japaner schließlich mit Achilles and the Tortoise ab, in dem er erneut die Hauptrolle einnimmt. In der skurillen Komödie befasst er sich mit dem Beruf als Künstler an sich und rückt erneut sein eigenes Leben ins Zentrum.

Doch es gibt auch andere Wege, seinen eigenen Filmen einen autobiografischen Stempel aufzudrücken. Einen etwas ausgefallenen hat Quentin Tarantino gefunden. So befriedigt er in seinen Werken seinen außergewöhnlichen Fußfetisch, in dem er in liebevollen Nahaufnahmen eben dieses Körperteil ausgiebig zelebriert. Einen deutlich weniger exotischen Tick hatte hingegen Regie-Altmeister Alfred Hitchcock. Aus reinem Komparsen-Mangel entstand die Angewohnheit sich in seinen Filmen auch vor der Kamera blicken zu lassen. Bald wartete das Publikum aber förmlich auf die Cameos Hitchs, so dass er diese meist zu Beginn hinter sich brachte und es fast zu einer lästigen Beschäftigung für ihn wurde.

Alle diese Beispiele zeigen, wie komplex sich die Möglichkeiten für einen Filmemacher gestalten, sein eigenes Wesen in seinen Werken zu thematisieren. Einige benutzen den Film, um sich zu heilen, andere, um in ihrer Vergangenheit auf zu räumen, wiederum andere befriedigen nur eine gewisse Vorliebe. Die genannten Beispiele sind allerdings nur diese, die unschwer zu erkennen sind für uns Zuschauer. Denn unterm Strich sind wir uns doch alle selbst am nächsten und jeder Künstler schöpft seine Kreativität aus seinen eigenen Erlebnissen und Vorstellungen.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News