Michael K. Williams - Die Darstellung der (Un)Verwundbarkeit

22.11.2016 - 09:40 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Michael K. WilliamsHBO
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Heute feiert Michael K. Williams seinen 50. Geburtstag. Sowohl das Spiel mit der Verwundbarkeit als auch mit deren Gegenteil beherrscht der The Wire-Star perfekt.

In der HBO-Serie The Wire verkörperte Michael Kenneth Williams eine der denkwürdigsten Figuren, die je im Fernsehen zu sehen waren. Heute feiert der Schauspieler aus Brooklyn seinen 50. Geburtstag. Seine charakteristische Narbe trägt er damit schon sein halbes Leben. Ein folgenschwerer Vorfall vor 25 Jahren prägte nicht nur sein Gesicht, sondern auch seine Karriere  und ist ein Sinnbild seiner größten Stärke.

Von der Kneipenschlägerei zum Schauspielstar

In seinen jungen Jahren war Michael K. Williams noch kein Schauspieler, sondern Tänzer. Er verdiente sein Geld mit Auftritten in Musikvideos, unter anderem von George Michael und Madonna. An seinem 25. Geburtstag sollte sich sein Leben jedoch schlagartig ändern. Er feierte in einer Bar, als es zu einer Auseinandersetzung kam, bei der ihn jemand mit einer Rasierklinge quer übers Gesicht schnitt. Die Folge war eine Narbe, die von seiner Stirn bis zur rechten Wange reichte und ihn sein ganzes Leben lang begleiten sollte. Für Michael K. Williams war das zunächst ein Schock, seine Karriere schien durch sein entstelltes Äußeres vorüber, doch der vermeintliche Stolperstein wurde zum Sprungbrett für eine großartige Zukunft als Schauspielstar.

"Die Dinge änderten sich plötzlich. Regisseure wollten nicht mehr, dass ich in den Videos nur tanze, sie wollten dass ich die Gangsterrollen übernehme", berichtete  Michael K. Williams von der Zeit danach. Im Jahr 1996 winkte ihm die erste echte Filmrolle. Rap-Legende Tupac Shakur suchte jemanden, der seinen jüngeren Bruder in Bullet - Auge um Auge verkörpern könnte und stieß dabei auf den vernarbten Schauspieler, der genau ins Profil passte. "Ich denke er sah meinen Schmerz, meine Anstrengung, mein Innerstes", vermutete Williams. Die Fähigkeit, seine tiefsten Gefühle nach außen zu projizieren, machte er sich auch sechs Jahre später zu Nutzen, als er die Rolle seines Lebens bekam.

Auf den Straßen gefürchtet, im Herzen gequält

In The Wire spielte Michael K. Williams eine der vielschichtigsten und denkwürdigsten Serienfiguren der TV-Geschichte. Als homosexueller Gangster Omar Little, der die vorherrschenden Banden in Baltimore überfällt, sich dabei aber immer an einen strengen moralischen Kodex hält, sprengte er die Ketten eines ansonsten sehr klischeebehafteten Rollenbildes. Fast im Alleingang legte sich Omar mit den mächtigsten Kriminellen der Stadt an und bekam den Ruf, unaufhaltsam zu sein. Die Körpersprache von Michael K. Williams vermittelt auch dem Zuschauer dieses Gefühl. Denn selbst im feindlichen Gebiet, schlendert er lässig durch die Straßen, als wäre er unverwundbar. Aber das ist nur Show, ein Image, welches Omar bewahren muss, um in einer schonungslosen Welt zu überleben. Denn während die Rüpel von der Straße schon weglaufen, wenn sie ihn von weitem sehen, bekommt der Zuschauer einen deutlich näheren Blick auf dessen Mimik und damit in dessen Gefühlswelt.

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Wenn Michael K. Williams seinem Serienpartner sanft durch die Haare fährt, er sich mit einem alten Freund über die Ausweglosigkeit seines Lebensstils unterhält oder er über einen Toten trauert, zeugen seine gequälten Augen und seine herabhängenden Brauen von einer tiefen Verletzlichkeit. In diesen Momenten bröckelt ein Stück der Fassade, mit der Omar sonst seine Gefühle verbirgt. Wie die Narbe in seinem Gesicht heilen auch dessen seelische Wunden nie vollständig, sondern werden zu einem Teil von ihm. Michael K. Williams hat nicht nur ein markantes Äußeres, er ist ein tiefgründiger Darsteller, der es schafft, auch die inneren Qualen seiner Figuren greifbar zu machen.

Variationen der Verwundbarkeit

Nach The Wire sicherte sich Michael K. Williams einige Kurzauftritte in Filmen und Serien. So auch bei The Road, wo er eine ganz andere Facette der Verwundbarkeit zeigt. In einer nur dreiminütigen Szene schafft er es, dem im Film sonst so dominanten Viggo Mortensen die Show zu stehlen. Als hungriger Dieb, der vom Protagonisten erwischt wird und um sein Leben winselt, spielt er eine komplett hilflose Figur. Alles, was er in diesem Moment hat, ist die Kleidung, die er am Körper trägt und ein kleines Stückchen Würde. Doch in dieser Szene verliert er selbst das noch. Michael K. Williams liefert ein starkes Portrait eines Häufchen Elends. Sein Körper zittert, seine Augen pulsieren vor Verzweiflung und Erschöpfung. Was bleibt, ist ein emotionaler Trümmerhaufen, die Verwundbarkeit in Person.

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Im Vergleich dazu ist Williams zweite große Serienrolle in Boardwalk Empire das komplette Gegenteil. Als einflussreicher Gangsterboss Chalky White hat er eine Machtposition inne, die er durch seinen ruhige, erhabene Gestik verdeutlicht. Durch seine angespannte Kieferpartie sorgt er außerdem für ein subtiles Gefühl der Bedrohung. In einer der frühen Episoden sitzt er vor einem gefesselten Ku-Klux-Clan-Mitglied. Diesmal ist Michael K. Williams nicht mehr das hilflose Opfer, sondern dessen Gegenüber. Das gibt ihm die Macht, in aller Seelenruhe von seiner Kindheit zu erzählen. Während die Geschichte langsam ihren Höhepunkt in einem rassistischen Gewaltakt findet und Chalky White seine Folterwerkzeuge auspackt, bleibt er gelassen. In dieser Szene ist er unverwundbar, kein Grund also emotional auszurasten.

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Michael Kenneth Williams vermag vor allem diese zwei Extreme hervorragend darzustellen. Seine Narbe deutet an, dass er schon harte Zeiten überstanden hat und abgehärtet ist. Andererseits zeigt sie auch dessen Verletzlichkeit. Ob als hilfloses Opfer, als machtvolle Respektperson oder als mutiger Einzelgänger mit emotionalen Wunden: Die Glaubwürdigkeit, mit welcher der The Wire-Star die beiden Gegensätze vereint, ist in der Form nur selten zu sehen. Grund genug Michael K. Williams zu ehren und ihm alles Gute zum 50. Geburtstag zu wünschen.

Was haltet ihr von Michael K. Williams?

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