Lakonischer Humor und herzzerreißende Tragik

20.08.2010 - 14:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Männer im Wasser
Pandora
Männer im Wasser
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Wie in jeder Region so üblich findet sich auch in Skandinavien ein ganz eigener Humor. Im Kino präsentiert sich dieser in der Regel trocken und lakonisch, begleitet von einer subtilen Tragik. Wir nehmen den Kinostart von Männer im Wasser zum Anlass, um diesen nordischen Humor einmal näher zu betrachten.

Jede Kultur hat bekanntlich ihre Eigenarten, das ist auch beim Humor nicht anders. Uns Deutschen wird auf internationaler Ebene gemeinhin jegliche Fähigkeit zum Lustigsein abgesprochen. Die Briten dagegen sind bekannt für ihren schwarzen Humor, der bissig und trocken daherkommt.

Richten wir unseren Blick auf nördlichere Gefilde, genauer gesagt auf die skandinavischen Länder, treffen wir erneut auf eine ganz eigene Art von Humor. Wer diesen noch nicht am eigenen Leib erfahren durfte, wird sich zumindest an die vielen Komödien erinnern, die in der jüngsten Vergangenheit aus Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark (Skandinavien im weitesten Sinne) zu uns herübergeschwappt sind und unsere Lachmuskeln mal mehr, mal weniger beanspruchen konnten. Ein Beispiel sei hier angeführt:

Der Pfarrer sitzt mit bandagierter Nase auf einem Stuhl und betrachtet ein Bild an der Wand. “Ist das ein gutaussehender Mann”, sagt er zu dem Skinhead, der ihm eben noch die Nase gebrochen hatte. “Dein Vater?” – “Das ist Hitler”, antwortet der grimmig dreinschauende Glatzkopf. “Nein, Hitler hatte einen Vollbart”, entgegnet der Pfarrer voll nüchterner Überzeugung.

Diese Szene aus Adams Äpfel beschreibt in etwa die Beschaffenheit des skandinavischen Humors. Trotz der ernsten Vorgeschichte mit dem Nazi legt Regisseur Anders Thomas Jensen der zutiefst tragischen Figur des Pfarrers (wer den Film kennt, weiß wovon ich rede) einen trockenen und schlagfertigen Spruch in den Mund. Auch in vielen anderen Filmen aus dem hohen Norden funktioniert der Humor auf ähnliche Weise. In der Regel stehen gebrochene Charaktere im Mittelpunkt, die vom Leben nichts geschenkt bekommen, die kämpfen müssen, um ihre Existenz zu wahren. Trotz schwerem Schicksal bleibt ihnen immer ihr Humor, der lakonisch und trocken diese tragische Grundkonstellation aufbricht, mit ihr spielt. Wir als Zuschauer wissen dann oftmals nicht, ob wir lachen oder weinen sollen. Viele Beispiele aus der skandinavischen Filmwelt laufen nach diesem Schema ab.

Der Däne Anders Thomas Jensen hat bereits vor seinem Meisterstück Adams Äpfel mit Flickering Lights und Dänische Delikatessen sein Gespür für eine wohl dosierte Mischung aus Komik und Tragik bewiesen. Sein Landsmann Lasse Spang Olsen will nicht so recht in diese Schiene passen, liegt der Akzent bei seinen schwarzen Komödien In China essen sie Hunde und dessen Prequel Old Men in New Cars doch eher auf Action. Schon eher passt da Lone Scherfig, derem suizidgefährdeten Helden es in Wilbur Wants to Kill Himself einfach nicht gelingt, sich umzubringen. Auch das Dogma-Kino ließ zwischen seinen ernsten Thematiken ab und zu ein wenig Humor aufblitzen, wie beispielsweise Lars von Trier bei Idioten oder Søren Kragh-Jacobsen bei Mifune.

Die finnische Filmlandschaft wird schon seit jeher von Aki Kaurismäki beherrscht, der seine Filme wie Ariel – Abgebrannt in Helsinki, Der Mann ohne Vergangenheit und Lichter der Vorstadt fast ausschließlich im Arbeitermilieu der Hauptstadt Helsinki ansiedelt, zwischen gescheiterten Existenzen und Selbstzweiflern auf Sinnsuche. Der Filmkritiker Rainer Gansera schrieb einmal über den “Chef-Melancholiker des europäischen Autorenkinos”: “[Seine Filme] sind schlingernde Stimmungsreisen durch Hochs und Tiefs, durch Abgründe und Erleuchtungen, grundiert von einem scharfkantigen, trockenen Humor.”

In Norwegen vertrauen die Filmemacher ebenfalls auf einen tragischen Hintergrund in ihren Komödien. In Elling verlassen die beiden psychisch angeschlagenen Protagonisten die Nervenheilanstalt, um zum ersten Mal auf eigene Faust das Leben zu entdecken. Bård Breien versammelt in Die Kunst des negativen Denkens einen skurrilen Haufen problembehafteter Existenzen in einer Therapiesitzung, nach der selbst die behandelnde Therapeutin reif für die Klapse ist. Obwohl die ernste Frage im Mittelpunkt steht, ob das Leben trotz einer schweren Behinderung noch lebenswert ist, kommt auch hier der Humor nicht zu kurz, der extrem schwarz ausfällt. Dass sie auch anders können, zeigen die Norweger mit der satirischen Sozialstudie Kitchen Stories und zuletzt mit der Zombie-Nazi-Horrorkomödie Dead Snow, die nicht mehr viel vom typisch skandinavischen Humor in sich trägt.

Auch in Schweden hat die Tragikomödie eine kleine Tradition. Der aktuell wohl erfolgreichste schwedische Regisseur Lukas Moodysson erzählt in seinem Debüt Raus aus Amal die Geschichte einer 16jährigen, die sich ihrer lesbischen Gefühle klar werden muss. Allerdings kann die Coming-Out-Story wohl eher als Drama bezeichnet werden, denn der Humor hielt sich, wie auch bei seinem zweiten Film Zusammen, in Grenzen. Dass die Schweden durchaus lustig sein können, bewies Josef Fares mit Jalla! Jalla! und Kops. Der gebürtige Libanese vertraut in beiden Komödien auf einen leichten, teilsweise derben Humor mit Slapstickeinlagen, fast gänzlich befreit von jeglicher Tragik.

Nun reiht sich also Måns Herngren mit Männer im Wasser in diese Liste ein. Auch bei ihm ist eine gescheiterte Existenz, der arbeitslose Frederik mit Ehekrise, die Ausgangssituation einer ins Skurrile abdriftenden Geschichte. In unserem Kinoprogramm könnt Ihr erfahren, wo Ihr den Film sehen könnt. Als kleines Schmankerl dürft Ihr Euch unten noch einmal den Trailer von Adams Äpfel zu Gemüte führen.

Und jetzt seid ihr dran. Was haltet Ihr vom Humor der Nordlichter? Welche skandinavische Komödie ist Euer Favorit?

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