Killende Clowns, Exploitation & literweise Blut

30.06.2011 - 08:50 Uhr
Machete Maidens Unleashed
Bionic Boy Productions
Machete Maidens Unleashed
7
10
Blutig ging’s beim gestrigen Festivaltag zu sowie intellektuell vertrackt und semi-dokumentarisch. Klingt nach einer seltsamen Mischung? War es auch!

Vielleicht hat der Festivalalltag das Sprachzentrum meines Gehirns beeinträchtigt, vielleicht handelte es sich nur um eine schwerhörige Barista. Jedenfalls habe ich mir vorgestern morgen in einem nicht näher genannten Etablissement einen Kaffee zum Mitnehmen bestellt, einen Cappuccino bekommen und eben diesen reklamiert. Das wäre an sich nicht der Rede wert, wäre es gestern morgen nicht genauso nochmal passiert. Ist mein Bastard-Sächsisch in München so schwer zu verstehen?

Anyway, der gestrige Tag bot immerhin sechs Beiträge beim Filmfest München 2011, nicht alle gelungen, aber die meisten zumindest diskussionswürdig. Dabei reichte die Geschmacksspanne von barbußigen philippinischen Schönheiten bis hin zum kryptischen neuen Film von Jean-Luc Godard. Über fehlende Abwechslung sollte sich bei diesem Filmfest niemand aufregen.

Killer Clowns made in Spain
Gemächlich und relaxt leitete Sang-soo Hong meinen vierten Festivaltag mit The Day He Arrives ein. Der koreanische Regisseur findet fast vollkommen außerhalb des deutschen Kinogeschehens statt, was wahrscheinlich daran liegt, dass seine Filme ohne Männer mit schlechten Frisuren und Hämmern in der Hand auskommen. Stattdessen ist The Day He Arrives ein an Woody Allen gemahnendes Werk, in dem vor allem geredet, gegessen und getrunken wird. Ein junger Regisseur, der keine Filme mehr macht, kehrt für ein paar Tage nach Seoul zurück. Dort trifft er alte Freunde und Kollegen, mit denen er (Überraschung!) redet, isst und trinkt. In schwarz-weiß gehalten ist The Day He Arrives wie eine Miniatur voller amüsanter Nebensätze, die unter der Oberfläche ein komplexes Innenleben besitzt. Wiederholungen, Variationen und Zufälle reichern den kleinen, aber feinen Film an, der sozusagen das gut gelaunte Gegenstück zu Kim Ki-duks Arirang bildet, über den ich am Mittwoch geschrieben habe.

Wesentlich stärker schrie danach Mad Circus – Eine Ballade von Liebe und Tod von Álex de la Iglesia um Aufmerksamkeit. Beim Filmfestival in Venedig erregte er Aufsehen und erlang die Fürsprache von Quentin Tarantino höchstpersönlich. Die Geschichte eines traurigen Clowns, dessen Vater von den spanischen Faschisten ermordet wurde, will vom Stil her in einer Liga mit Guillermo del Toro, Tim Burton und Terry Gilliam spielen. Das würde funktionieren, besäße der Film wenigstens eine Figur, die unserer Identifikation würdig wäre. Stattdessen haut die triste Ballade Gore, Action und die spanische Popkultur in einen Topf, gemixt mit Referenzen an die Franco-Diktatur, um am Ende ein aufgeblasenes B-Movie in die Welt hinaus zu schicken. Dessen große Gesten und Gefühle bleiben ohne Nachhall, was auf das entnervende Hin und Her der zentralen Dreiecksliebes- und Eifersuchtsgeschichte zurück zu führen ist.

Quo Vadis?
Den mörderischen Clowns schloss sich mit dem südkoreanischen Beitrag The Journals of Musan ein ruhig geschilderter Abriss eines nordkoreanischen Migrantenschicksals an. “Ruhig” ist noch eine Übertreibung. Der dokumentarische Ton wäre allerdings erträglicher gewesen, hätte der Film nicht eine passive Hauptfigur, die das nach und nach aufgebürdete Leid (Ausbeutung im Job, Schlägereien, besoffene Karaoke-Gäste) ohne jede Regung auf sich nimmt. Natürlich soll das ein Kommentar zum nordkoreanischen Menschenbild sein. Ich hätte die Hauptfigur trotzdem am liebsten bei den Schultern gepackt und kräftig geschüttelt.

Nicht weniger politisch, dafür weitaus filmischer war Film Socialisme von Jean-Luc Godard. Vielleicht lässt sich das neue Werk des radikalen Meisters am besten durch die Zuschauerreaktion beschreiben. Nach einer halben Stunde mehrten sich die Geräusche zusammengeklappter Kinosessel und schwingender Schwingtüren. Aus anderen Ecken des dennoch gut gefüllten Saals war hin und wieder Gekicher zu hören. Ich wiederum bin im Mittelteil mehrmals weggedöst. Soll nicht heißen, Film Socialisme sei ein schlechter Film. Vielmehr gestaltete sich das Collage-artige Werk als sperrig für all jene, die nicht im Gehirn seines Machers wohnen. Von der glitzernd oberflächlichen Welt eines Kreuzschiffs bis hin zu einem Lama an einer Tankstelle (meine Lieblingsszene!) wird hier alles mögliche auf der Leinwand gruppiert. Dazu gibt es Zitate von Heidegger, Derrida und anderen. Wer sich von Filmen gern herausfordern lässt, sollte diesen Godard in Angriff nehmen.

Als dritter Beitrag im politischen Block dieses Festivaltages lief die amerikanische Dokumentation Better This World. Zwei engagierte Männer wollen die Welt verändern und landen dafür im Gefängnis. Sie werden vom FBI dem sogenannten domestic terrorism zugeordnet, der Gefahr von innen, die seit dem 11. September zu viel kritisierten Gesetzesänderungen führte. Better This World beschreibt den Weg von Diskussionen zu Molotowcocktails, hält den Zeigefinger jedoch auf die amerikanische Justiz. Neutral ist das falsche Wort für diese Doku. Es genügt nicht, einfach nachzuzeichnen, wie ein Staat zwei seiner Bürger ohne Rücksicht auf Verluste an den Terroristen-Pranger stellte. In der zweiten Hälfte wird hemmungslos dramatisiert, nachgespielt und emotionalisert, was der Dokumentation einen bitteren Nachgeschmack verleiht.

Blood isn’t the only thing they suck
Sofern euch Filmtitel wie Brides of Blood, Terror is a Man und Night of the Cobra Woman neugierig machen, könnte Machete Maidens Unleashed! genau der richtige Reiseführer sein. In den 70er Jahren wurden amerikanische B-Movies verstärkt auf den Philippinen gedreht. Sie warben mit großen Brüsten, billigen Monstern und viel Blut um ihre Zuschauer. In den hanebüchenen Trashfilmen spielten auch bekannte Gesichter wie Sid Haig (Haus der 1000 Leichen) und Pam Grier (Jackie Brown), was die Qualität der Filme wohl nur unwesentlich anhebt. Regisseur Mark Hartley ist eine Art Best-of der Anekdoten und Ausschnitte aus der Zeit gelungen, die mit ihrem Kurzweil unterhält. Interviews mit Roger Corman, John Landis, Joe Dante und einigen anderen runden das geschmacklose Packet ab. Fans von Trashfilmen aller Art sollten Machete Maidens Unleashed und Hartleys Vorgänger Not Quite Hollywood: The Wild, Untold Story of Ozploitation! unbedingt auf ihre To Do-Liste setzen.

Weitere Einträge zum Filmfest München 2011 gibt es für Tag 1, Tag 2 und Tag 3.

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