Brasilien, das ist Hitze, Leidenschaft, Musik. Brasilien ruft Bilder von braungebräunten, durchtrainierten Menschen am Strand hervor, von Rio de Janeiros Zuckerhut, Fußball, Kriminalität und Gewalt. Genau dieser Cocktail an extremen Emotionen und sozialen Missständen war es, der 2002 City of God zum Welterfolg machte. Als Tropa de Elite 2007 die Berlinale gewann, stand das brasilianische Kino erneut mit einem Gewaltthema im Blickpunkt. Korrupte Polizisten, die die Spirale der Gewalt in Rio noch schüren, in einem hervorragenden (Action-)Drama besetzt mit Brasiliens Crème de la Crème wie Wagner Moura. Doch das (neue) brasilianische Kino hat mehr zu bieten als eiskalte Action und knallharter Realismus. moviepilot stellt euch eine Liste der 10 schönsten brasilianischen Filme des letzten Jahrzehnts vor.
Die Liste der 10 schönsten brasilianischen Filme
City of God von Fernando Meirelles, 2002
Cidade de Deus, wie Rio de Janeiro auch genannt wird, ist DER Film des Neuen Brasilianischen Films überhaupt, den jeder Brasilien(Film)Fan gesehen haben sollte. Unter der Feder von Fernando Meirelles entstand diese stark adaptierte Romanverfilmung, die sich um das Leben des jungen Buscapé in Rios Armenvierteln dreht, welches von Gewalt geprägt ist.
Central Station von Walter Salles, 1998
Als wohl im Ausland bekanntester brasilianischer Filmemacher konnte Walter Salles mit seinem sozialkritischen Roadmovie 1998 einen Erfolg verbuchen: Auf dem Sundance gefeiert, gewann er auf der Berlinale den Goldenen Bären, Hauptdarstellerin Fernanda Montenegro wurde als Beste Darstellerin ausgezeichnet. Die Festivalerfolge führten dazu, dass der Film im Ausland schnell ein Vielfaches seiner Produktionskosten von 6 Millionen US-Dollar wieder einspielte. Hier der Trailer zu dem Film, in dem eine alleinstehende Frau einen kleinen Waisen auf dem Bahnhof von Rio kennenlernt und sich gemeinsam mit ihm auf die Suche nach seinem Vater begibt:
Cidade Baixa von Sérgio Machado, 2005
Die schöne Karinna Alice Braga prostituiert sich und gerät zwischen zwei beste Freunde. Brasiliens Shootingstars Lázaro Ramos und Wagner Moura spielen die Tagelöhner Deco und Naldinho, die sich in der Unterstadt von Salvadoa da Bahia ihr Geld verdienen. Der Titel verweist dabei auf diesen unterhalb eines gigantischen Aufzugs gelegenen Stadtteils Salvadors, der als Grenze zwischen reich und arm, schwarz und weiß, gesittet und kriminell verstanden werden kann. Das Debüt von Sérgio Machado überzeugt mit einer besonders intensiven, aufwühlenden, kräftezehrenden Neuinterpretation des klassichen Motivs der Ménage à Trois und schweißtreibenden, farbig knallenden Bildern aus der verwahrlosten Unterschicht des karibischen Brasiliens.
Ich Du Sie – Darlenes Männer von Andrucha Waddington, 2000
Auch als Darlene Linhares mit ihrem Sohn zurück aufs Land zieht und den älteren Osias heiratet, wird sie nicht glücklich. So nimmt sie sich gleich drei Männer – und bezaubert alle mit ihrer Freude, ihrem Lebensmut und ihrer Sexualität. Vom lateinamerikanischen Publikum für seine Lebensfreude gefeiert, zieht der Film neben einer energiegeladenen Hauptdarstellerin, Brasiliens TV-Star Regina Case, seine Kraft auch aus der Musik des brasilianischen Musikgottes Gilberto Gil. Eine Frau und drei Männer – das sexuelle Ideal einmal aus Frauensicht.
House Of Sand von Andrucha Waddington, 2005
Wiederum ein Film von Andrucha Waddington. Diesmal zeigt der Brasilianer drei Frauenschicksale – Grossmutter, Mutter und Tochter – in der weiten Wüstenlandschaft Nordbrasiliens, die in all ihrer Schönheit und Gottverlassenheit von der Kamera eingefangen wird. Dona Áurea und ihre Mutter Maria kommen 1910 nach Maranhão, einem abgelegenen Örtchen, an den sich normalerweise kein Mensch verirrt. Als der Vater stirbt und Dona Áurea von einem Lieutnant schwanger wird, leben die Frauen aus drei Generationen gemeinsam in dem Haus.
Carandiru von Hector Babenco, 2003
Nichts für zarte Seelen: Carandiru zeigt den harten Knastalltag von Gefangenen in einem überfüllten lateinamerikanischen Gefängnis. Die unmenschlichen Zustände kommen dabei nicht zu kurz, Krankheiten wie Aids und Tuberkulose, unhygienische Zellen, Vergewaltigungen und Morde gehören zur Tagesordnung. Carandiru ist den meisten ein Begriff, weil hier 1992 einer der blutigsten Gefängnisaufstände mit 111 Toten stattfand, was auch Thema des Films ist. Schaut euch den erschreckenden Trailer an:
Domésticas – Dienstmädchen von Fernando Meirelles, 2001
Diese schrille, zynische Komödie steht in krassem Gegensatz zum Rest der hier vorgestellten Filme. Fernando Meirelles (Die Stadt der Blinden) verfilmte für sein Spielfilmdebüt ein in Brasilien bereits sehr erfolgreiches Theaterstück, welches die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Dienstmädchen thematisiert, welche in Lateinamerika eine große Berufsgruppe stellen. Meist sind die Domésticas ungebildete, teils analphabetische Mädchen ohne Zukunftsperspektive, die in reicheren Familien den kompletten Haushalt schmeißen, (sexuell) ausgebeutet werden und ihr Gehalt darüber hinaus noch an ihre Familie abführen müssen. Meirelles verfilmte das Stück auf sehr plakative Art in pseudo-dokumentarischem Stil mit zynischer Erzählhaltung.
Hinter der Sonne von Walter Salles, 2001
Das sonnendurchflutete Drama von Altmeister Salles spielt erneut im Nordosten Brasiliens und handelt von einer blutigen Familienfehde im Jahr 1910. Der Film ist mit professionellen wie Laiendarstellern besetzt und zeichnet sich durch wortkarge Dialoge und wunderschöne, naturalistische Bilder der dortigen Landschaft aus. Salles schreckt nicht davor zurück, die Brutalität zu zeigen, findet jedoch einen Weg, auch diese noch poetisch darzustellen.
Amores Possíveis von Sandra Werneck 2001
Eine kleine brasilianische Liebeskomödie über die Zufälle und das Schicksal in Verbindung mit der großen Liebe. Ähnlich dem britischen Sie liebt ihn – Sie liebt ihn nicht mit Gwyneth Paltrow spielt Amores Possiveis mit der “Was wäre wenn”-Frage: Carlos und Julia lieben sich, dreimal anders. Ausgangssituation ist ein Date in einem Kino in Rio de Janeiro zwischen Carlos und Julia, doch sie versetzt ihn. 15 Jahre später könnte Carlos entweder ein reicher Anwalt sein, ein Mamasöhnchen oder ein Geschiedener, der sich wieder in seine Exfrau verliebt.
Bus 174 von José Padilha, 2002
Bevor José Padilha mit Tropa de Elite bekannt wurde, landete er in Brasilien schon mit seinem Regiedebüt einen Hit: Ônibus 174 nennt sich der Film im Original, der die Entführung des Linienbusses mit der Nummer 174 in Rio de Janeiro vom 12. Juni 2000 nacherzählt. Damals entführte ein Brasilianer namens Sandro do Nascimento einen Bus und wurde für sein Verbrechen von den Medien als “Verrückter” abgestempelt. Padilha versucht, das Geschehen nachzuerzählen und vermengt dabei Dokumentarisches wie Interviews mit den Freunden des Täters. Padilha ist mittlerweile übrigens auch im Ausland groß im Kommen und wird demnächst das Computerspiel Agent in Place verfilmen (wir berichteten hier).
Was meint ihr: Fehlt in dieser Liste ein wichtiger brasilianischer Film der letzten Dekade?