Dwayne Johnson & die Wiederentdeckung des Muskelkinos

07.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Seit Donnerstag zeigt sich Dwayne ‘The Rock’ Johnson in Snitch als ernstzunehmender Schauspieler. Das nehmen wir zum Anlass, um auf die Heroen des Muskelkinos zu blicken und zu untersuchen, wie sich ihre Darstellung über die Jahre verändert hat.

Dwayne Johnson hat vor einer ganzen Weile den Sprung vom Wrestling-Ring in den Kinosaal gewagt. 2013 aber markiert für den Mann mit der ironischen Augenbraue ein Erfolgsjahr sondergleichen. In den USA ist er seit 15 Wochen eine Dauerpräsenz in der Top 10 der Kinocharts. Den Startschuss dafür bildete Snitch – Ein riskanter Deal, der seit Donnerstag auch in den deutschen Lichtspielhäusern zu sehen ist. Darin spielt Dwayne Johnson einen Normalo, der sich mit Drogenhändlern einlässt, um seinen Sohn aus dem Gefängnis zu holen. Snitch präsentiert The Rock von anderen, neuen Seite und bildet damit eine wichtige Hürde, vor der jeder muskulöse Actionstar steht, der später mal eine vielseitige Filmographie vorweisen will. Seinen Aufstieg feierte Dwayne Johnson innerhalb einer Renaissance jenes Muskelkinos, das in den 80er Jahren seine Blütezeit erlebte. The Rock bildet in diesem Kontext den Idealtypus des modernen muskulösen Actionheroen.

Nach den Gladiatorenfilmen der 50er Jahre kehrte der hypermaskuline und -muskulöse Held mit aller Gewalt im Actionkino der 80er Jahre auf die Bildfläche zurück. Als eine Art Fortsetzung der Vigilantenfilme, die seit Dirty Harry en vogue waren, schickten Filme wie Rambo, Die City Cobra, Predator und Das Phantom Kommando ihre aufgepumpten Helden in den Kampf gegen übermächtige Kräfte. Besonders beliebt war das Motiv der kleinen Einheit, die sich in der Fremde gegen feindliche Armeen erwehren musste. Deshalb werden diese Filme häufig als Reflexionen der amerikanischen Politik in der Endphase des Kalten Krieges betrachtet. Beispielhaft seien etwa die Versuche der USA genannt, die sandinistische Regierung in Nicaragua durch die Unterstützung der paramilitärischen Contras zu stürzen. Vor dem Hintergrund der Stellvertreterkriege der 80er Jahre, insbesondere unter Präsident Reagan, wirkten die unbesiegbaren Muskelmassen von Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone, als hätte sie jemand mit dem Selbstbewusstsein einer atomaren Supermacht aufgeblasen. Im Alleingang vernichteten sie oft ausländische und außerirdische Soldaten, während die Kamera ihre glänzenden Brustkörbe und geölten Oberarme überhöhte.

Mit dem Ende des Kalten Krieges schienen aber auch die stärksten Muskelmänner überholt, forderte ein selbstironischer, oft zumindest im Ansatz zerbrechlicher Typus des Actionstars das Scheinwerferlicht ein. Bildete Stirb langsam noch die Brücke zwischen dem Körperkino der 80er und Hochglanzspektakel der 90er, vertrieben neue Stars wie Mel Gibson, Tom Cruise und Nicolas Cage die reaktionären Six Pack-Gespenster früherer Zeiten zurück in die Bodybuilding-Hallen und Direct to Video-Regale. Als Dwayne Johnson auf der großen Leinwand erschien, befanden sich die Karrieren von Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone, Jean-Claude Van Damme, Dolph Lundgren und anderen in der Krise. 2001, als The Rock seine erste große Rolle in Die Mumie kehrt zurück spielte, war eine Neubelebung des muskulösen Heldentums schwer zu begründen. Das zeigte sich in den Folgejahren nicht zuletzt im ironisierten Mythos vom unbezwingbaren Semi-Gott Chuck Norris.

Um für die eigene Statur nicht belächelt zu werden oder wie John Cena und Steve Austin an den Kinorändern zu versacken, unternahm Dwayne Johnson die Flucht nach vorn. Ähnlich wie Terry Crews verkaufte er seine Physis nicht als unantastbares Markenzeichen, sondern spielte häufig mit dem komödiantischen Effekt seiner einschüchternden Muskelberge. So untergrub er in nicht immer ansehnlichen Komödien die Unnahbarkeit, die so ein Körper eben an sich hat, um später in Actionfilmen daraus Profit zu schlagen. Nun wo der muskulöse Held dank Comic-Verfilmungen wie Thor, Captain America und Marvel’s The Avengers eine breite Wiederentdeckung erfährt, verzeichnet Dwayne Johnson seine größten Erfolge. Vom politischen Schlack der alten Heroen befreit und weit entfernt von nostalgischer Selbstbeweihräucherung á la The Expendables, hat sich der Fels als vielseitiger Kinoheld bewiesen. Es ist deswegen sicher kein Zufall, dass 2013, das Jahr seiner großen Action-Blockbuster wie Fast & Furious 6 und G.I. Joe: Die Abrechnung, bereits Dwayne Johnsons nächste Inkarnation präsentiert: die des ernstzunehmenden Schauspielers.

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