Der wundersame Friseursalon des Javier Bardem

01.03.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Alles Gute zum Geburtstag, Javier Bardem!
Concorde Filmverleih
Alles Gute zum Geburtstag, Javier Bardem!
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Vergesst Erichs Lampenladen, vergesst Mr. Magoriums Wunderladen, vergesst den kleinen Horrorladen – angesagt ist ein neuer Friseursalon bei mir um die Ecke. Das heutige Geburtstagskind Javier Bardem wollte auch dorthin.

Ich gehe ja in der Regel alle zwei Monate zum Friseur. Das ist, denke ich, ein guter Abstand. Die einen schreien: „Nur alle zwei Monate?“, die anderen glotzen: „Was ist ein Friseur?“. Als ich nach Berlin gezogen bin, hat es mich zugegebenermaßen Monate gekostet, um den Friseur meines Vertrauens zu finden. Ich bin da aber auch wählerisch. Fließband-ähnliche, unpersönliche Abfertigung kommt mir nicht in die… Haare. Meine Suche verschlug mich im vergangenen Jahr auch in ein kleines Seitengässchen im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Da gab es einen unscheinbaren Laden mit dem Namen La Peluquería exótica. Der Star des Salons war nicht weniger spanisch. Während mir meine schon zu langen Haare ins Gesicht klatschten, entschied ich mich, hineinzugehen.

Im Inneren begrüßte mich – es mag kaum verwundern – ein Spanier. Stark gebaut, groß, markantes Gesicht, Kurzhaarfrisur. Er empfing mich freundlich und wies mich an, doch erst einmal Platz zu nehmen und zu warten, bis er mit den anderen Kunden durch war. Ich hatte also alle Zeit, die Meute, die sich in diesem Laden zusammengefunden hatte, zu beobachten. „Bestaunen“ würde dabei eher passen. Die linke Reihe begann mit einem jungen Mann, dessen kurzes, lockiges Haar perfekt zu ihm passte. Ebenfalls Spanier nahm ich einmal an. Knapp daneben: Kubaner war er. Sein Name war Reinaldo Arenas. Da ich der spanischen Sprache (früher einmal sehr) mächtig war, erfuhr ich, dass Reinaldo Dichter und Schriftsteller war. Er ließ sich ein paar Lockenwickler reindrehen und appellierte an den Herren im Haus, dass er zuhause sein müsse, Before Night Falls.

Hinter Reinaldo, also auf der rechten Seite der Spiegel, saß ein Typ, den ich vom ersten Eindruck her in Bezug auf seine Frisur als Durchschnittstyp einschätzen würde. Kurze Haare, nichts Außergewöhnliches – die Sorte von Mensch, die zum Friseur geht und die Haare „einfach kurz“ haben will. Da fiel mir auf, dass dieser David im Rollstuhl sitzt. Er sei spanischer Basketballer und habe bereits an den Paralympics teilgenommen. Seinen Sport lebt er Live Flesh – Mit Haut und Haar und nichts könne ihn daran hindern – auch kein Hitzkopf, der mit seiner Frau rumflirtet. Mit der Treue hielt es sein Sitznachbar auch nicht so genau: Agustín Rejas, seines Zeichens Polizeiermittler, saß dort mit ansatzweise grauen Haaren, einem eindrucksvollen Schnauzbart und einer Haltung, die etwas Hochmut ausdrückte. Er schwang eine kurze Rede über Treue und Vertrauen und vertiefte sich anschließend wieder in sein Buch mit dem Titel Der Obrist und die Tänzerin.

Was der Mann neben Reinaldo auf der anderen Seite hier beim Friseur wollte, konnte ich mir nicht ausmalen. Der Typ hatte kurzgeschorene Haare, bei denen nicht einmal ein Rasierer etwas geändert hätte. Eine Schere hätte an seinem Kopf nur unnötigen Collateral -Schaden verursacht. Neben ihm saß Ramón Sampedro. Über die Köpfe hinweg unterhielt er sich mit Reinaldo, da auch Ramón Gedichte, unter anderem Das Meer in mir, schrieb. Ramón war vom Hals an abwärts gelähmt und schien nicht mehr so recht am Leben interessiert zu sein. Weiter hinten im Raum entdeckte ich die erste Person, die definitiv einen Grund hatte, hier beim Friseur zu sein. Seine langen, gelockten Haare fielen lieblos auf die Schultern. Er sah irgendwie verschreckt aus, als hätte er Goyas Geister gesehen. Kein Wunder, dass niemand mit ihm sprach.

Es war langsam an der Zeit, dass ich aufgerufen werde. Doch der Friseur ließ sich Zeit. Meine Unruhe – ich hatte natürlich noch anderweitige Termine – wurde verstärkt, als ich die letzten beiden Persönlichkeiten ganz hinten im Salon sah. Sie waren zuvor von den anderen Charakteren verdeckt worden, doch nun bot sich mir ein Blick, der erschreckend war. Da lehnte ein Mann mit einer ganz fiesen Matte. Seitenscheitel der ekeligen Art. Oder war es allgemein seine Person? Seine Augen traten ein wenig hervor und sein Lächeln war alles andere als einladend. Ich würde mich gehörig erschrecken, wenn ich dem Typen in der Nacht begegnen würde. Er starrte in den Spiegel vor ihm und grinste vor sich hin. Jemand im Raum meinte, er sei Chirurg. Oder war es sein Name? Chigurh? Ich wollte mich gar nicht näher damit befassen.

Sein Gegenüber ließ mich noch mehr erstarren. Ich wollte gehen. Ein Mann mit strohblondem Haar. Das Gesicht hatte dieselben wahnsinnigen Züge, wie die des Herrn Chigurh. Er massierte seine Wange, sah dann zur Seite und lächelte mich an. Bevor er seine Hand auf meinen Oberschenkel legen konnte, stand ich auf und ging. Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Laden und schwor mir, Friseurläden in Charlottenburg zukünftig zu meiden. Vor der Tür begegnete mir Javier Bardem. Er war gerad für Dreharbeiten in Berlin und hatte von diesem Laden gehört. Ich dachte mir gleich, dass er weniger Probleme mit den Leuten dort haben würde und öffnete ihm die Tür. Als er an mir vorbeizog, nuschelte ich noch einen Geburtstagsgruß und ging. Wir haben uns seitdem nie wieder getroffen. Ein Jahr ist das nun her. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, Javier Bardem!

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