Christopher Nolan - Ein Stanley Kubrick für die Massen?

31.07.2015 - 12:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Wie baut man einen Traum?Warner Home Video
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Christopher Nolan hat eigentlich nur Erfolge zu verbuchen und wird gelegentlich mit der Filmlegende Stanley Kubrick verglichen. Doch wer der bessere Regisseur sei, ist die falsche Frage, denn die Intentionen unterscheiden sich maßgeblich.

Mit Interstellar und Inception schuf das gestrige Geburtstagskind Christopher Nolan zwei Blockbuster, welche Zuschauer weltweit überwältigen konnten. Während die Kritiker die beiden Filme als gut bis sehr gut auffassten, wurden ganz normale Kinobesucher von den optischen Spektakeln überwältigt. Bei Filmen von Stanley Kubrick lässt sich oft das Phänomen beobachten, dass sie für das Publikum schwerer zu verdauen sind. Sie scheinen nicht für die breite Masse ausgelegt zu sein. Trotzdem werden beide Regisseure oft miteinander verglichen, was daran liegen mag, dass sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen können und ihre ganz eigenen Visionen auf die Leinwand brachten. Mit Interstellar griff Nolan das Thema von 2001: Odyssee im Weltraum wieder auf und die bombastische Traumwelt in Inception ist ein Eyes Wide Shut mit mehr als einer kleinen Spritze Adrenalin. Beide Regisseure haben ihre Mittel und Werkzeuge, um auf ihre Art und Weise beim Publikum zu landen. Christopher Nolan scheint ein Stanley Kubrick für die breite Masse zu sein, der schwierige Themen geschickt in Blockbustern verpackt.

Von der Traumnovelle zum Traum-Sharing

Tom Cruise und Nicole Kidman

Stanley Kubrick machte es sich mit seinem letzten Werk Eyes Wide Shut von 1999 zur Aufgabe, die Traumnovelle von Arthur Schnitzler zu adaptieren. Aus dem Setting in Wien wurde New York City und aus Fridolin und Albertine William und Alice Harford, gespielt von Tom Cruise und Nicole Kidman. Die beiden Hauptfiguren verbindet eine Ehe, die jedoch nur noch auf oberflächlicher Ebene funktioniert - die Gewohnheiten stehen im Vordergrund und von den tiefen Wünschen des Partners ahnen beide wenig. Als Alice ihren Traum ausspricht, der von einer sexuellen Beziehung mit einem anderen Mann handelt, bricht für William eine Welt zusammen und er sieht seine einzige Möglichkeit, die Dinge wieder ins Lot zu bringen, in der eigenen Befriedigung. Er stürzt sich ins Nachtleben, um ähnliche Fantasien ausleben zu können. Er wandelt wie in einem Traum durch New York City und muss bald erkennen, dass sich die Träume seiner Frau stark von den seinen unterscheiden. Stanley Kubrick nimmt uns mit auf eine Reise, die subtil ins Innere des Menschen vordringt und macht den Film vor allem durch die Erotik und die (damals verheirateten) Stars für das breitere Publikum attraktiv. Beim Verfassen der Traumnovelle wurde Arthur Schnitzler intellektuell von Sigmund Freuds begleitet. Dessen Psychoanalyse ist noch in Eyes Wide Shut zu spüren. Die Reise ins Innere und Unbewusste von Alice und vor allem William erleben wir als Zuschauer ebenso ungläubig wie die Akteure im Film.

Traumhafte Action

Die Reise ins Innere wird in Christopher Nolans Inception auf die Spitze getrieben. Mit lauten, orchestralen Tönen zieht uns dieser Film mit in die tiefsten Ebenen des Traums. Auch in Inception ist die Geschichte um ein Paar gesponnen, dargestellt von Leonardo DiCaprio und Marion Cotillard, die unterschiedliche Vorstellungen von Träumen haben. Während die Frau Mallorie nach vielen Reisen in die Traumwelt allmählich den Verstand verlor und nicht mehr zwischen Realität und Traum unterscheiden konnte, hat es der Mann Dominick zu seinem Beruf gemacht in tiefe Traumebenen vorzudringen. Durch das sogenannte Traum-Sharing beeinflusst er ausgewählte Menschen, indem er ihnen im Traum Ideen einpflanzt oder stiehlt. Doch im Gegensatz zu der Welt in Eyes Wide Shut wird hier im wahrsten Sinne ein Paukenschlag ausgeführt, der nichts mehr mit subtilem und verborgenem Unwohlsein zu tun hat. Nolan verwandelt die mysteriöse Traumwelt in ein Konstrukt, das für jedermann zugänglich ist. Durch Action und einem dichten Plot wird das Abstrakte greifbar, denn wir sehen dabei zu, wie Menschen sich in Träumen verhalten, als ob sie sich in der Realität befänden.

Interstellar: Odyssee im Weltraum

2001: Odyssee im Weltraum

2001: Odyssee im Weltraum polarisierte 1968 Kritiker und Zuschauer. Besonders die Reise durchs Schwarze Loch zog viele Neugierige an, wobei sich manche von ihnen mithilfe dieser Aufnahme einen perfekten Drogen-Trip  erhofften. Visionär ist der Film bis heute, doch allein die Tatsache, dass der Film knapp eineinhalb Stunden ohne Dialoge  auskommt, dürfte für viele Zuschauer ein Grund sein, 2001 als langweilig zu bezeichnen. Die Medaille für Massentauglichkeit kann man dem Sci-Fi-Drama also nicht verleihen, obwohl der Film damals an den Kinokassen sehr erfolgreich war, da er mit bahnbrechender, revolutionärer Technik und großartigen Aufnahmen überzeugen konnte. Kubrick, das sollten wir trotz seiner "sperrigen" Filme nicht vergessen, beschäftigte  sich schließlich intensiv mit der Vermarktung seiner Werke.

Matthew McConaughey

Ganz im Gegensatz zu Christopher Nolans Interstellar, der es schafft, komplexe, physikalische Vorgänge zu visualisieren und durch eine gut strukturierte Erzähldichte ein großes Publikum anzusprechen. Interstellar hebt die Schauspieler in den Vordergrund und so ist der Handlungsstrang des Films meistens verständlich, wenn Matthew McConaughey durch gleißende Lichtspiele in der vierten Dimension gleitet. Christopher Nolan schafft es wieder ein hoch komplexes Thema mit Motiven zu vermischen, mit denen sich der Zuschauer identifizieren kann. Überschwängliche Emotionsausbrüche werden mit dem audiovisuellen Overkill gepaart, um das Unbegreifliche begreifbar zu machen. Kubrick und sein Co-Autor hatten eine andere Absicht, denn wenn 2001 am Ende komplett verstanden worden wäre, hätten sie versagt , so Arthur C. Clarke. Auch Nolan nahm sich das Universum zu Herzen und schuf den Blockbuster Interstellar, der beim Publikum nicht besser hätte landen können.

Christopher Nolan versteht es, trotz der oft schwierigen Materie die breite Masse ins Kino zu locken. Seine Geschichten wirken originell und erfrischend. Die Originalität mag also das verbindende Element der beiden Regisseure Nolan und Kubrick sein, in ihren Filmen manifestiert sie sich trotzdem auf ganz unterschiedliche Weise.

Was haltet ihr von der These, dass Christopher Nolan der Stanley Kubrick für das breite Publikum ist?

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