BlacKkKlansman von Spike Lee: Irrwitziger Weckruf der Trump-Ära

15.05.2018 - 08:50 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
BlacKkKlasman: Adam Driver und John David WashingtonUniversal
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Eine wahre Geschichte aus den 1970er Jahren erzählt BlacKkKlansman von Spike Lee, doch der Cannes-Beitrag mit John David Washington und Adam Driver könnte zeitgemäßer kaum sein.

Update, 24.08.2018: Wir haben diesen Text schon zur Cannes-Premiere von BlacKkKlansman am 15.05.2018 veröffentlicht und ihn zum deutschen Kinostart noch einmal hervorgeholt.

BlacKkKlansman ist eine Alarm-Sirene und Spike Lee klebt sie dir direkt ans Trommelfell, bevor er auf den roten Knopf drückt. Die wahre Geschichte über einen schwarzen und einen jüdischen Cop, die gemeinsam eine Niederlassung des rassistischen Ku Klux Klans infiltrierten, spielt in den 1970er Jahren und lullt ein mit ihren Buddy-Cop-Lachern und lächerlichen KKK-Hanseln, bevor sie den Genre-Teppich unter den Füßen wegreißt. Es ist ein durch und durch politischer Beitrag im Wettbewerb des Cannes Filmfestivals, das durch seinen von Jury-Präsidentin Cate Blanchett angeführten Marsch für die Gleichberechtigung von Frauen mehr Schlagzeilen generiert hat als durch seine Filme. BlacKkKlansman adressiert die Normalisierung rechtsextremer Positionen in der Ära Trump und ist gleichzeitig einer der unterhaltsamsten Filme, die Spike Lee seit langer Zeit gedreht hat. Das wirkt zunächst, als missioniere er die längst Bekehrten, bevor sein eigentliches Anliegen sich hervorkehrt: Die "Allies", die Verbündeten sollen aus ihrer Lethargie erwachen und die Bedrohung ernst nehmen.

BlacKkKlansman serviert Tee, Kekse und rassistische Parolen

Nebenbei offenbart BlacKkKlansman eines der großen Probleme im satirischen Umgang mit der Trump-Administration. Denn satirische Elemente besitzt der Film. Immerhin hat Lee den damaligen Ku Klux Klan-Führer David Duke, den er als sinistren Seelenverwandten Trumps  aufbaut, mit Topher Grace besetzt, der auf ewig mit seinem harmlosen Helden aus Die wilden Siebziger assoziiert werden wird. Auch sonst sind die KKK-Typen genau das: Typen. Karikierte Dummbeutel, die sich in ihren Hobby-Kellern an ihrer rassistischen Rhetorik aufgeilen und im Wald ihre Waffen streicheln. In ihren Kreis dringt Detective Ron Stallworth (John David Washington, Sohn von Denzel) ein, College-Absolvent und erster Schwarzer in seinem Polizeirevier in Colorado Springs. Ron will undercover arbeiten und nimmt telefonisch Kontakt mit dem hiesigen Ku Klux Klan auf, um Mitglied zu werden (Wir lernen: Auch der KKK hat einen Anrufbeantworter). Sein jüdischer Kollege Flip Zimmerman (Adam Driver) ist ihm behilflich und taucht an seiner statt bei den Meetings auf.
Adam Driver in BlacKkKlansman

Wenn Ron/Flip in ihrer Rolle aufgehen und rassistische wie antisemitische Parolen ausspucken, sorgt das ob der Absurdität der Situation für einige Lacher. Ebenso wenn die nette Hausfrau von nebenan Kekse und Tee bei der KKK-Versammlung serviert und sich dann wünscht, die Schwarzen am liebsten persönlich abzuknallen. In diesen Szenen entwickelt BlacKkKlansman interessanterweise nicht den satirischen Horror, den der Zuschauer erwarten könnte. Ernst werden die Ku Klux Klan-Mitglieder zu keinem Zeitpunkt genommen, selbst wenn sie anfangen, mit Plastiksprengstoff zu hantieren.

Der KKK, wie er in BlacKkKlansman 1979 existiert, ist eine Ansammlung von Witzfiguren. Dabei arbeitet Spike Lee mit dem Zwiespalt, etwas satirisch anzugreifen, was nach außen hin sich im Grunde selbst bloßstellt. Wie will er etwas satirisch übertreiben, wenn das Objekt des Interesses durchweg übertrieben ist? Weil es sich Bettlaken überzieht und Grand Wizard nennt - oder einen blonden Bettvorleger auf seinem orangenen Schädel trägt. Jeden Tag lässt sich das Armutszeugnis der US-Mainstream-Satire im Fernsehen beobachten, wo Donald Trump bereits eine eigene Animationsserie (Our Cartoon President) und Late-Night Show besitzt (The President Show), ganz zu schweigen von den übrigen Late-Night-Shows, die seit dem Präsidentschaftswahlkampf mit ihren Versuchen, eine Karikatur zu karikieren, kläglich gescheitert sind.

BlacKkKlansman ist auch eine Hommage an die Black Power-Bewegung

Auch Spike Lee nimmt diesen Drahtseilakt auf sich, in dem er Blaxploitation-Elemente und satirische Versatzstücke vermengt, um seinen Reißer nach einer wahren Geschichte anzurühren. Er wäre aber nicht Spike Lee, Regisseur von Malcolm X und Do the Right Thing, würde er es bei selbstgefälligen Witzen über dumme Rassisten belassen, um seine heroisch-absurde Geschichte bekömmlich zu gestalten. BlacKkKlansman ist schließlich keine Komödie. Das ist bereits bei einer Rede des Bürgerrechtsaktivisten Kwame Ture (Corey Hawkins aus Straight Outta Compton) abzusehen, die Lee für den Aufbau eines Gegenpols zu den Rassisten nutzt: der Black Power-Bewegung.

John David Washington in BlacKkKlansman

Diese Bemühungen gipfeln in einer grandiosen Parallelmontage, in der eine KKK-Versammlung, Rons und Flips Versuche, einen Anschlag zu verhindern, sowie ein Treffen schwarzer College-Aktivisten sich gleichzeitig abspielen. Satire, Genre-Thrill und echte, bewegende Erinnerungskultur kollidieren in diesen Minuten, drei Filme in einem, deren Widersprüche nicht aufgeklärt werden, sondern parallel existieren. Diese Widersprüche verwandeln BlacKkKlansman in einen der bisher aufregendsten Filme über den Umgang mit Trump, selbst wenn sie bis zu einem gewissen Grad von einer eigenen Ohnmacht zeugen. Der Ohnmacht nämlich, die Witzfiguren und ihre Gewalt auf einen Nenner zu bringen, sie darzustellen, ohne sie zu verharmlosen oder zu überhöhen. Die US-Comedy, wie sie sich auf den Networks und Kabelsendern präsentiert, ist darin zumeist gescheitert. Sie suhlt sich in der eigenen Selbstgefälligkeit. Spike Lee hingegen lässt die Widersprüche stehen und wir Zuschauer müssen uns daran abarbeiten.

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