3D Konzertfilme - Ein billiger Musical-Ersatz?

19.09.2011 - 08:50 Uhr
Im Glee-Fieber
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Der Bieber und U2 haben es getan. Nun gesellen sich die musikalischen Schüler aus der Erfolgsserie Glee zum Club der 3D-Konzertfilme. Sind diese nur ein billiger Musical-Ersatz oder die wahre Heimat des 3D-Effekts?

Vorsicht: Der folgende Artikel enthält die Wörter Justin, Bieber, Hannah, Montana, Jonas und Brothers. Durchlesen auf eigene Gefahr!

Man kann ein Musical drehen mit komplexen Choreographien, hübschen Sets, Drehbuchautoren und teuren Schauspielern. Oder man dreht einen Konzertfilm. Man kann erfolgreiche Sänger in die Schauspielschule schicken und ein Star-Vehikel für sie maßschneidern. Oder man dreht einen Konzertfilm. Damit soll diese Variation des Dokumentarfilms nicht durch die Bank abgewatscht werden. Schließlich kann der geneigte Cineast hier ebenso Klassiker entdecken. Aber in den letzten Jahren ist der Konzertfilm vielfach zum kostengünstigen Vehikel an den Kinokassen verkommen. Die Verantwortung dafür trägt unser allerliebster Sündenbock: die 3D-Technik.

Der Bieber als Kassenschlager
Miley Cyrus ist an allem Schuld. Boten Konzertfilme seit den 60ern die ausgezeichnete Möglichkeit, zwei verschiedene Künste aufeinanderprallen zu lassen und zu sehen, was dabei herauskommt, wenn etwa ein Martin Scorsese das letzte Konzert einer einflussreichen Band einfängt, werden die Dokus seit ein paar Jährchen primär mit kreischenden Halbwüchsigen identifiziert. 2008 trat Hannah Montana und Miley Cyrus: Best of Both Worlds Concert die jüngere Welle von nunmehr dreidimensionalen Konzertfilmen los. Der konnte in den USA immerhin 65 Millionen Dollar einspielen.

Legte Miley Cyrus noch einen erfolgreicheren Kinofilm nach, wurde die seit Elvis und den Beatles erprobte Kombination musikalischer Teenie-Sensationen mit dem Medium Film bei ihren Kollegen durch ein Gimmick runderneuert und auf ihre einfachsten Zutaten reduziert. Auf Miley folgten die Jonas Brothers, die allerdings nicht an die 260 Millionen herankamen, welche Michael Jackson aus dem Grab und ohne 3D-Zuschlag in Michael Jackson’s This Is it einspielte. Besser lief es für Justin Bieber, der dreidimensional in Justin Bieber 3D – Never say never die Kinos eroberte und so kürzlich bei einem Budget von 13 Millionen ganze 98 Millionen Dollar herinholte. Und nun kommt Glee On Tour – Der 3D Film, aber dazu später mehr.

Not a girl, not even an actress
Habt ihr Not a Girl – Crossroads gesehen? Nein? Ich schon, aber seid ruhig froh, dass euer Leben von diesem filmischen Versuch, die Star Power und Fanbase von Britney Spears auf die Box Office loszulassen, nicht aus der Bahn geworfen wurde. Die gescheiterten Anstrengungen von Musikern, ins Kino zu expandieren, sind zahlreich und belustigend. Das Risiko, den Star in die Lachnummer eines Spielfilms zu verwandeln, erweist sich allzu oft als unwägbar. Denn die existenzielle Frage lautet stets, ob die Fans bereit sind, ihr Idol in einem anderen erzählerischen Kontext zu akzeptieren, als jenem von vierminütigen Videos und Konzerten. Wie dehnbar ist das Image und – wichtiger noch – besitzt der Star überhaupt die nötigen Fähigkeiten?

Konzertfilme bilden da eine willkommene Gelegenheit, an den Kinokassen Dollars einzuheimsen und den Star gleichzeitig in seinem Element zu belassen. Das ist einer jener Gründe, die für die Dokus sprechen. Ein anderer hängt ebenfalls mit dem schnöden Geld zusammen: Sie sind echt billig. Konzertfilme sind schlussendlich nur Anhängsel bestehender Kosten (die für das Konzert/die Tour). Deswegen erweist es sich als lukrativer, dass Justin Bieber-Phänomen mit einer vergleichsweise günstigen Doku weiter auszuwringen, als den jungen Sänger in einen Spielfilm zu stecken, der seine Kapazitäten übersteigt.

Seit Hannah Montana das Rezept des Konzertfilms mit der 3D-Technik kombiniert hat, blinken die Geldscheinchen in den Augen der Produzenten natürlich viel ausgelassener. Etwas positiver formuliert heißt das: Hier haben sich zwei gefunden, die zusammengehören. Die Konzertdokus schmiegen sich der 3D-Technik neben Tanzfilmen und Naturdokumentationen sozusagen an. In ihnen herrscht schließlich das pure audiovisuelle Spektakel und mehr konnte der 3D-Effekt bisher nicht liefern.

Pubertät ist, wenn man trotzdem singt
Hier kommt Glee On Tour – Der 3D Film ins Spiel. Denn ausnahmslos rosig sind die Aussichten für 3D-Konzertfilme nicht. Glee bleibt ungeachtet vieler Hater eine ziemlich erfolgreiche Fernsehserie, die ihren Höhepunkt in Sachen Popularität wohl überschritten hat. Vor ein paar Jahren hätte Fox die guten Quoten vielleicht in Gestalt eines Glee-Kinofilms ausgenutzt. Heute genügt ein Konzertfilm, um die talentierten Herrschaften um Chris Colfer im Kino zu präsentieren. Oder doch nicht?

Auch der Glee-Film hat mit 9 Millionen recht wenig gekostet. Obwohl er in 2000 amerikanischen Kinos startete, schaffte es Glee On Tour am ersten Wochenende nicht einmal in die Top Ten der amerikanischen Kinocharts. Bis heute hat der Film lediglich 15 Millionen eingenommen. Zurückzuführen ist der Misserfolg unter anderem auf die Zielgruppe, denn die Fanbase der TV-Serie setzt sich zu großen Teilen aus Erwachsenen zusammen. Die wiederum scheinen weniger bereit, dafür den 3D-Aufschlag zu bezahlen bzw. die Technik überhaupt anzunehmen.

Diese Erkenntnis stellt einen generellen Stolperstein für Konzertfilme dar, die sich an Menschen über 14 richten. Selbst U2 3D konnte 2008 nur ein bescheidenes Einspielergebnis verzeichnen. Wahrscheinlicher ist, dass viele gestandene Musiker – wenn überhaupt – den Weg von Peter Gabriel wählen. Dessen neuer 3D-Konzertfilm New Blood erhielt ein paar “exklusive” Vorstellungen in ausgewählten Kinos, um kurz danach auf (3D)Blu-ray veröffentlicht zu werden. Bilden die Teenie-zentrischen Streifen tatsächlich nur eine Ausnahmeerscheinung, könnte die Zukunft des dreidimensionalen Konzertfilms eher im Heimkinobereich zu liegen.

Haben Konzertfilme in 3D eine Chance oder gehören diese Dokus gar nicht ins Kino?

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