3 Dinge, die am Netflix-Hit Don't Look Up einfach keinen Sinn ergeben

31.12.2021 - 12:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Leonardo DiCaprio und Jennifer Lawrence in Don't Look UpNetflix
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Die Netflix-Satire zeigt eine Gesellschaft, die selbst dann nicht aufwacht, wenn ein Komet auf die Erde zurast. Leider macht Don't Look Up sich seine wichtige Prämisse selbst kaputt.

Ich finde Don't Look Up nicht gut. Es ist OK, wenn ihr das anders seht. Aber fĂ¼r mich hat der letzte groĂŸe Netflix-Blockbuster 2021 einfach nicht funktioniert. Dabei liebe ich schwarzhumorige Satiren. Ich finde es wichtig, Menschen fĂ¼r Wissenschaftsleugnung und den Klimawandel zu sensibilisieren. Und wenn man das schafft, in dem man Menschen unterhält und sie damit dazu bringt, endlich mal zuzuhören – umso besser!

Trotzdem lieĂŸ mich Netflix' starlastiger Katastrophen-Blockbuster nach einem Ă¼berraschend emotionalen Finale frustriert zurĂ¼ck. Und das, obwohl ich mir kein schöneres Ende vorstellen kann, als mir von TimothĂ©e Chalamet als Punk-Mischung aus Tony Hawk und Jesus das letzte Gebet sprechen zu lassen. Mittlerweile weiĂŸ ich allerdings warum: Es gibt 3 Dinge, die in Adam McKays Satire absolut keinen Sinn ergeben. Und die haben mir den ganzen Film kaputt gemacht.

1. Punkt an Don't Look Up bei Netflix, der keinen Sinn ergibt: die Apathie der (Investigativ-)Medien

Kritik an (fehlender) medialer Berichterstattung ist wichtig. Aber in keiner Realität wĂ¼rden es sich Medienhäuser entgehen lassen, die Entdeckung eines tödlichen Kometen, der auf die Erde zurast, nicht bis aufs letzte möglichst dramatisch auszuschlachten. Als die Investigativjournalist:innen zu Beginn des Films verkĂ¼nden, die Komet-Story nicht weiterzufĂ¼hren, weil sie im FrĂ¼hstĂ¼cksfernsehen nicht so gut angekommen ist, musste ich ungläubig auflachen.

Negativität und Angst ziehen mehr als positive Schönfärberei. Sie sorgen fĂ¼r Einschaltquoten, Verkäufe, Zuschauende und Klicks. Zumindest dann, wenn sich ein Ereignis unmittelbar anfĂ¼hlt. Ein Komet ist keine sich langsam entwickelte Krise, deren Folgen die Menschheit je nach Region und Alter in unterschiedlicher Stärke trifft und noch treffen wird. Ein Komet ist nicht der Klimawandel. Er ist ein akutes Katastrophen-Event, Corona mal unendlich. In anderen Worten: absolutes Berichterstattungsgold.

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Die Frustration und Verzweiflung hinter dieser Entscheidung von Adam McKay ist nachvollziehbar. Er sieht, wie vielen Menschen der Klimawandel am Arsch vorbeigeht, also zeigt er in seinem Film flächendeckendes Desinteresse bei Medien und Publikum. Seine Satire fĂ¼hlt sich aber erst im späteren Verlauf des Films wirklich treffend an. Dann, wenn es nicht darum geht, ob ausreichend Ă¼ber den nahenden Kometen berichtet wird, sondern in welcher Form.

2. Punkt an Don't Look Up bei Netflix, der einfach keinen Sinn ergibt: Die Don't Look Up-Kampagne der Präsidentin

Wie öffentlich mit dem Kometen umgegangen wird, ist elementar von Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep) bestimmt. Und weil Orlean eine offensichtliche Anspielung auf Donald Trump ist, braucht sie eine komplett fehlgeleitete Desinformationskampagne mit knackigem Slogan, der sich gut auf Käppis drucken lässt: Don't Look Up. Die Todeskomet-Variante von Klimawandelleugnung und Impfgegner:innen. Leider ergibt das aber auch in der satirisch Ă¼berzeichneten Filmlogik keinen Sinn.

Denn Janie Orlean hat ja bereits öffentlich zugegeben, dass der Komet existiert. Erst im Rahmen des Plans, den Kometen einfach in die Luft zu sprengen. Und anschlieĂŸend auch bei Plan Nummer 2, der zwar zum Scheitern verurteilt ist, aber ebenfalls deutlich macht: Es gibt einen Kometen und er rast auf die Erde zu.

Nur wollen Politik und die Tech-Elite den Kometen nicht zerstören, sondern in kleine, vermeintlich ungefährlichere Teile sprengen, um seine Rohstoffe nutzen zu können. Was eine öffentlich bekannte Information ist. Es gibt also absolut keinen Grund, warum die Don't Look Up-Meute bei einer Kundgebung entgeistert das Weite sucht, als der Komet dann tatsächlich sichtbar am Himmel auftaucht. AuĂŸer sie haben sich bei sämtlichen öffentlichen Ă„uĂŸerungen der Präsidentin die Ohren zugehalten.

3. Punkt an Don't Look Up bei Netflix, der einfach keinen Sinn ergibt: die allgemeine Kritik an der Bevölkerung

Don't Look Up ist eine Satire und muss Ă¼berhöhen und verzerren, um die Zuschauerschaft mit dem eigenen gruseligen Spiegelbild zu konfrontieren. Dass sich der Film so sehr auf die (reale!) Apathie der breiten Gesellschaft gegenĂ¼ber Umweltkatastrophen stĂ¼tzt, fällt ihm hier aber endgĂ¼ltig auf die FĂ¼ĂŸe. Noch mal: Ein Kometen-Einschlag ist nicht der Klimawandel. In der Realität ist es richtig und wichtig zu fordern, dass auch Privatpersonen ihren Teil dazu beitragen, ihren CO2-Abdruck zu verringern. (Auch wenn der GroĂŸteil der Klimabelastung durch die Industrie erfolgt, auf die man als DurchschnittsbĂ¼rger:in eher wenig Einfluss macht. Denn der Markt regelt eben nicht alles.)

Aber was genau erwartet Don't Look Up von den Leuten, die der Film als dumme Ignoranten abstraft, weil sie nichts gegen die Katastrophe tun? Dass sie sich dem nahenden Kometen mit selbstgebastelten Steinschleudern – oder wie im Fall von Benedict Drask (Ron Perlman) geladenen Schusswaffen – entgegenstellen? Die Entscheidung Ă¼ber den Umgang mit der Katastrophe wurde auf ganz anderer Ebene gefällt. Alles, was Menschen wie uns in so einem Fall bleibt, ist es, irgendwie damit umzugehen, dass man in wenigen Wochen stirbt. Ob man diese traumatische Erfahrung nun mit wĂ¼tenden Social-Media-Posts verbringt oder sich wie Moderatorin Brie (Cate Blanchett) einfach zulaufen lässt, macht keinen Unterschied.

Erst gegen Ende wird Don't Look Up zu einem starken Appell

Eigentlich weiĂŸ der Film das auch. Denn gerade zum Schluss hin gibt es doch noch echtes menschliches Trauma ohne die Satire-Brille. Was wĂ¼rdet ihr tun, wenn ihr wĂ¼sstet, dass ihr nur noch einige wenige Momente zu leben habt? FĂ¼r Dr. Mindy (Leonardo DiCaprio) und Kate (Jennifer Lawrence) ist die Antwort klar: Sie veranstalten ein letztes gemeinsames Abendessen mit den Menschen, die sie lieben.

Am Ende geht es nämlich auch bei der Bekämpfung des Klimawandels nicht darum, wer am klĂ¼gsten ist und wer manchmal dumme Dinge twittert. Sondern um Empathie. Um dich und mich und wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen wollen. Im Fall eines Kometen-Einschlags bedeutet das: Wie gebe ich Menschen in den letzten Minuten ihres Lebens ein gutes GefĂ¼hl? Im Fall des Klimawandels bedeutet es: Wie sehr bin ich bereit, Einschränkungen hinzunehmen, um eine lebenswerte Welt fĂ¼r die Generationen nach uns zu erhalten?

Das letzte, ernste Viertel von Don't Look Up ist ein stärkerer Appell daran, Wissenschaft ernst zu nehmen und absehbare Katastrophen abzuwenden, als der GroĂŸteil der zweieinhalb Stunden Laufzeit. Aber eben auch nicht so "witzig".

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Bei Netflix, Amazon und anderen Streaming-Diensten feierten dieses Jahr Hunderte Filme ihre Premiere. Damit ihr den Ăœberblick nicht verliert und ein paar Tipps mit in die Weihnachtszeit nehmt, stellen Jenny Jecke, Patrick Reinbott und ihr Kollege Pascal Reis aus der FILMSTARTS-Redaktion und dem Podcast Leinwandliebe ihre besten Streaming-Filme des Jahres vor.

Alle drei haben dafĂ¼r ihre persönliche Top 5 vorbereitet. Voraussetzung war, dass die Filme 2021 bei einem Streaming-Anbieter oder als Video-on-Demand in Deutschland Premiere gefeiert haben. Deswegen sind reguläre Kinostarts, mit Ausnahme von bestimmten Netflix-Filmen, ausgeschlossen.

Wie findet ihr Don't Look Up?

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