Werner Herzog bringt Theater in den Film

10.11.2010 - 15:00 Uhr
Dieser Mutter hat nicht mehr lange zu leben
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Dieser Mutter hat nicht mehr lange zu leben
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Auch das neueste Werk von Werner Herzog wird nun als Direct-to-DVD veröffentlicht. Gut für uns Fans, die gleich das Bonusmaterial mitgeliefert bekommen. In My Son, My Son What Have Ye Done geht Herzog mal wieder einen neuen Weg und zieht das Theater in ein Psychodrama.

“Manchmal habe ich das Gefühl, David Lynchs und meine Filme reden nicht miteinander, sondern sie tanzen manchmal miteinander.”

[Werner Herzog im Audiokommentar zu Ein fürsorglicher Sohn]

David Lynch präsentiert einen Werner Herzog -Film – da schlägt dem wahren Cineasten augenblicklich das Herz höher. Nun erscheint Ein fürsorglicher Sohn in Deutschland auf DVD und moviepilot hat sich einmal angesehen, was das Duo damit fabriziert hat.

Ein fürsorglicher Sohn basiert auf dem wahren Fall des Mark Yavorsky, der am 10. Juni 1979 seine Mutter mit einem Säbel killte. Zuvor hatte er sein Schauspieltalent in der Theaterinszenierung der Orestie bewiesen: Als Sohn Orest tötet er seine Mutter Klytaimnestra, um den Mord an Agamemnon zu rächen, welcher sein Vater war.

Nach dem grandiosen Bad Lieutenant nun also ein Psychodrama über einen verkorksten Sohn. Tatsächlich, so erfährt man im herrlichen Audiokommentar mit Regisseur Werner Herzog, Produzent Eric Bassett und Co-Autor Herb Golder, kam die Idee zum Film letzerem, als er auf einer Konferenz über Sophokles einen Vortrag über diesen wahren Kriminalfall hörte. Das Drehbuch entwickelte sich entlang des wahren Falls, der in einigen wenigen Stellen leicht verändert wurde. So reiste der wahre Täter nach Pakistan, was mit einer in welcher Art auch immer religiösen Erfahrung zu tun hatte; der Herzog-Film lässt den Hauptdarsteller nach Peru reisen, wo er den Drehort noch von Aguirre, der Zorn Gottes kannte. Als Filmemacher wolle man heutzutage Themen wie Islamismus gerne vermeiden, so Herzog. Außerdem sei der Produzent erleichtert gewesen, dass keine Dreharbeiten in Pakistan anfallen. Das Drehbuch wurde übrigens bereits 1995 geschrieben, lag aber brach, bis David Lynch davon erfuhr und Lust hatte, dieses Herzog-Projekt zu fördern.

Herzog inszeniert das Ganze einem Theaterstück gleich, mit Flashbacks, die die Tiefen dieser kranken Seele andeuten. Dabei kommen sowohl Herzog als auch Lynch-Momente zum Tragen: Es wimmelt von Flamingos und Zwergen, manche Szenen stehen still wie eine Fotografie und wirken alleine durch ihre Inszenierung unheimlich (siehe Titelbild). Dem grandiosen Udo Kier, der den Theaterregisseur spielt, stiehlt ein Strauss seine Lesebrille aus der Hemdtasche, Wer sich für Lynchs Einfluss auf den Film interessiert, dem sei der Audiokommentar der DVD geraten, in welchem man zB. erfährt, dass Grace Zabriskie eine Lieblingsschauspielerin von Lynch ist und deshalb vorgeschlagen wurde.

Exzellente (Kult)darsteller

Das Casting ist übrigens, so kennt man es aus Herzog-Filmen, perfekt gelungen. Im Grunde genommen sind alle Rollen mit Kultschauspielern besetzt, von denen jeder einzelne mit mindestens einem kultigen Film eines Kultregisseurs assoziiert werden kann. Michael Shannon, der schon in Zeiten des Aufruhrs zeigte, wie man einen Psychopathen spielt, spielt gewohnt herausragend und auch die Nebenrollen sind 1a besetzt. Udo Kier mimt den Theater-Direktor, der den mörderischen Sohn in eben dieser Rolle besetzte, Chloë Sevigny seine zittrige Verlobte, die unter der engen Bindung ihres Liebhabers zu dessen Mutter leidet. Das Drehbuch von Herzog und Herbert Golder beginnt damit, dass ein Cop (Willem Dafoe, dessen Performance ein wenig an Der blutige Pfad Gottes erinnert) mit seinem Kollegen (Michael Peña) an den Tatort eilt und strickt immer wieder herausragende Schauspieler hinein. Brad Dourif darf so den Onkel des Mörders spielen, einen rassistischen Besitzer einer Straussenfarm.

Das Bonusmaterial

Wie gesagt liefert der Audiokommentar von Regisseur Werner Herzog, Produzent Eric Bassett und Co-Autor Herb Golder dem Herzog-Fan so manch faszinierendes Produktionsdetail und ist sehr unterhaltsam anzuhören. Herzogs typisches Deutschenglisch regt wie gewohnt die Lachmuskeln an, trägt uns aber auch etliche weiterführende Informationen zu Ohren, die dem Filmfan sicherlich nützlich und wertvoll sein können. Beispielsweise erzählt Herzog darin, wie mühsam es war, die Rechte am Song Corridos von Chavela Vargas zu bekommen, dass er aber genau dieses Lied als Intro wollte, da es über das “epische Maß des Grenzenüberschreitens” singt, was sich so ja auch im Film vollzieht. Die Zusammenarbeit mit David Lynch wird erklärt, die Funktion der Flamingos, die Szenen in Peru, die unglaublich intensive Szene auf dem Markt der Uiguren in China, usw. usf. Jeder, der sich für das Medium Film interessiert, wird mit dem Audiokommentar seine Freude haben.

Neben weniger bedeutendem Zusatzmaterial wie den Trailern befindet sich ebenso ein Making Of in den Extras, welches dem Herzog-Fan zeigt, wie der große Meister arbeitet. Herzog erzählt vom Zustandekommen des Projekts, wie er Lynch vorschlug, zur Essenz des Filmemachens zurückzukehren und etwas schlankes, kostenreduziertes zu verwirklichen, dem eine einzigartige Idee zugrunde liegt.

Ein fürsorglicher Sohn erscheint am 18. November 2010 auf DVD. Seht ihn euch an, wenn ihr von andersartigen Filmen fasziniert seid. Zu kaufen gibt es die DVD und die Blu-Ray natürlich auf amazon.de.

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