Warum ihr euch in BoJack Horseman unter Wasser verlieben werdet

26.07.2016 - 10:19 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
BoJack Horseman - Fish Out of WaterNetflix
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Am vergangenen Freitag veröffentlichte Netflix die 3. Staffel von BoJack Horseman, die sich erneut aus zwölf Episoden zusammensetzt. Doch eine dieser Episoden, Fish Out of Water, sticht ganz besonders aus den restlichen der Animationsserie heraus.

Seit 2014 gehört BoJack Horseman zum festen Bestandteil des Netflix-Katalogs und befindet sich seit vergangenen Freitag in der 3. Staffel. Dennoch ist das Format längst nicht so populär wie Orange Is the New Black oder House of Cards. Das liegt sicherlich auch daran, dass die eigenwillige Animationsserie, die sich mit ihren Inhalten eher an ein erwachsenes Publikum richtet, nicht ganz unkompliziert in puncto Zugänglichkeit ist. Im Rahmen der aktuellen Runde wurde jedoch eine Episode veröffentlicht, die eine universelle Sprache spricht - und das, obwohl kaum ein Dialog gewechselt wird. Fish Out of Water (S03E04) ist nicht nur ein fantastisches Kapitel für den kleinen Kreis der BoJack Horseman-Anhängerschaft, sondern auch eine großartige Episode für all die, die noch nie davon gehört haben.

BoJack Horseman spielt in einer Welt, die der unseren gar nicht so unähnlich ist - mit dem entscheidenden Unterschied, dass sich Menschen und Tiere auf Augenhöhe begegnen. Natürlich eliminiert dieser Umstand nicht automatisch die restlichen Probleme gesellschaftlichen Zusammenlebens. Doch gerade, was die Kommunikation angeht, hat BoJack Horseman eine symbolische Barriere durchbrochen, sodass ein Pinguin, der sich auf dem Weg zur Arbeit mit dem Pärchen aus der Nachbarschaft unterhält, etwas vollkommen Gewöhnliches ist. Und so ereignet es sich auch, dass sich ein sprechendes Pferd, das einst Star einer populären Sitcom war, im späteren Verlauf seiner Karriere in ein sprechendes Wrack verwandelt hat, das vergeblich versucht, wieder an den alten Erfolg anzuschließen. BoJack (Will Arnett) ist eine tragische Figur - zum ersten Mal seit langer Zeit scheint aber eine positive Veränderung in Sicht.

Die Publizistin Ana Spanikopita (Angela Bassett) ist davon überzeugt, dass BoJack für seinen jüngsten Film, Secretariat, eine Oscar-Nominierung mit anschließender Auszeichnung erhalten könnte. Aus PR-Zwecken soll er nun ein großes Filmfestival besuchen, das in den Tiefen des Atlantischen Ozeans stattfindet. Doch da fangen die Probleme schon an: Nicht nur muss BoJack unter Wasser auf Alkohol und Zigaretten verzichten, die ihn regelmäßig der bitteren Realität entkommen lassen. Nein, auch ein Wiedersehen mit Kelsey Jannings (Maria Bamford), der ursprünglichen Regisseurin von Secretariat, für deren Entlassung BoJack verantwortlich war, schwebt wie ein Damoklesschwert über dem Trip auf den Meeresgrund. Da BoJack der unbequemen Begegnung nicht ewig aus dem Weg gehen kann, beschließt er, entschuldigende Worte zu finden, kann diese jedoch unmöglich durch seine Taucherglocke loswerden.

Auf einmal ist da diese Ohnmacht der Kommunikation und die damit einhergehende Isolation in der Fremde. Weder versteht BoJack die Gespräche um sich herum, noch kann er sich an ihnen beteiligen. Die Meeresbewohner blubbern fröhlich in ihren eigenen Zungen und das sonst so redselige Tier ringt mit Händen und Füßen um Verständnis. Ab diesem Punkt reiht sich ein Missverständnis an das andere und setzt eine Kettenreaktion in Gang, der sich BoJack nicht entziehen kann. Der erste Versuch, Kelsey eine Entschuldigung auszusprechen, endet damit, dass BoJack in einem Bus aufwacht, der irgendwo ins Nirgendwo dieser faszinierenden Unterwasserwelt fährt. Und dann muss er einem Seepferd-Männchen beim Entbinden des Nachwuchses helfen. Eine bizarre Situation, die keine Erklärung erhält, weil eine Erklärung überhaupt nicht möglich (und im Endeffekt nicht nötig) ist. Stattdessen muss BoJack improvisieren, egal wie unbeholfen er sich dabei anstellt.

Im weiteren Verlauf der Episode wird BoJack mit dem frisch geborenen (und extrem putzigen!) Seepferd-Baby konfrontiert, das sich an ihm festklammert und auf keinen Fall alleine gelassen werden will. Ausgerechnet BoJack, der sich bisher überwiegend durch seine selbstzerstörerische bis zynische Lebenseinstellung auszeichnete, muss sich nun um dieses zerbrechliche Geschöpf kümmern. Was darauf folgt, ist ein wundervolles Potpourri an liebevollen Einfällen, die mit den Möglichkeiten eines klassischen Stummfilms in Kombination mit animierten Sketchen spielen, die Charlie Chaplin und Buster Keaton alle Ehre machen. Wo Worte machtlos sind, muss der Rest der audiovisuellen Umgebung eine Geschichte erzählen - und in Fish Out of Water wird diese Rolle fast ausschließlich von Bildern, Bewegungen und Geräuschen übernommen. Unzählige Details, die für gewöhnlich im Hintergrund verschwinden, poppen in den Mittelpunkt.

Das Resultat ist eine nachdenkliche Erzählung, die inbesondere von der verzerrten Darstellung unter Wasser profitiert. Wenn ein Konflikt lediglich durch Mimik und Gestik vorgetragen wird, hat er automatisch eine völlig andere Wirkung - und ist dennoch nachvollziehbar, selbst wenn kein Vorwissen existiert. Dazu wird der Leitgedanke der Sprachlosigkeit um eine Ebene erweitert, als BoJack später in die verlegene Situation gerät, seinem Gegenüber nicht einmal antworten zu können, selbst wenn er dazu in der Lage wäre. Sehr schön spiegelt dieser Umstand die betäubende Leere in seinem Leben wieder und stellt - auch im Hinblick auf die gesamte Serie - allgemeingültige Überlegungen an. Plötzlich ist BoJack so verloren wie noch nie und sich gar nicht mehr sicher, was er überhaupt will. Der eingangs erwähnte Oscar, würde nichts in seinem Leben verändern, das von Bedeutung wäre. Trotzdem fördert die Ausnahmesituation ein aufrichtiges Umdenken zutage.

Fish Out of Water bebildert dieses Umdenken mit einer farbenfrohen Odyssee durchs Weltmeer, die zum Schluss in einer Lost in Translation-esken Sequenz endet. Ein schlichtes Happy End wäre BoJack nach seinen Irrfahrten zu einfach und auch dem generellen Anspruch der Serie nicht angemessen. Vielmehr ist es ein herzzerreißender Moment voller Ungewissheit, der am Ende Einzug in die Episode erhält. Niedergeschmettert steht BoJack am Wegesrand und droht, in seinem Unglück zu versinken. Ein regelrechter Knall sorgt jedoch dafür, dass die gleichermaßen lähmende wie aufbauende Stille der vorherigen 25 Minuten im Bruchteil einer Sekunde in sich zusammenbricht. Es ist wie das erschrockene Erwachen aus einem (Alb-)Traum, das den Ärger und den Frust im Anschluss verständlich macht. Erst mit den ruhigen, vorsichtig optimistischen Tönen im Abspann wird klar, dass es keinen Grund dafür gibt. Hätte sich BoJack niemals in dieser Verstrickung melancholischer Zufälle verfangen, wäre er womöglich nie über seinen eigenen Schatten gesprungen.

Was bleibt, ist ein kleines Wunderwerk, das auf der einen Seite für sich alleine steht und auf der anderen Seite wunderbar in den Fluss der 3. Staffel von BoJack Horseman passt. Die Suche, nach dem, was glücklich macht, zieht sich wie ein roter Faden durch die Serie und wird auch in dieser Episode in inspirierender Variation aufgegriffen. Es ist beeindruckend, wie leichtfüßig und bewegend das Motiv transportiert wird - vor allem durch die Körpersprache der mit aller Sorgfalt gestalteten Figuren. Dann erzählt eine minimale Nuance in der Bewegung mehr, als es ein umfangreicher Dialog in seiner Gänze könnte. Das Tolle ist zudem die Erkenntnis, dass all diese feinen Elemente unlängst Bestandteil von BoJack Horseman sind. Selten kamen sie jedoch so schön zur Geltung wie in diesem einmaligen, zeitlosen und hochkonzentrierten Kapitel. Und vielleicht erschafft Fish Out of Water in seiner unkonventionellen Aufmachung ein neues Bewusstsein dafür.


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