Wärmende Melancholie im österreichischen Kino

22.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
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Das Kino unseres Nachbarlandes kann auch ohne Mord und Totschlag überzeugen. Tragikomödien wie Indien oder Ravioli gehen trotz ihrer Schrulligkeit mit zarter Melancholie ans Herz. Hier ist der dritte Teil unserer Reihe über das Filmland Österreich.

Mit pechschwarzen Komödien wie Komm, süßer Tod haben wir in der vergangenen Woche die eisigsten Gefilde des österreichischen Kinos, also die eines Michael Haneke, verlassen. Die ganz spezielle Verschmelzung einer abgründigen Kriminalgeschichte mit makabrem Humor und Lokalkolorit aus dem Millieu verrauchter Kneipen und Imbissbuden ließ das Thermometer ein gutes Stück nach oben steigen.

Mehr: Kühler Todeswind in Österreichs schwarzen Komödien

Bei der heutigen Temperaturmessung des Kinos unseres Nachbarlandes wird es nochmal eine Spur wärmer. Dass wir dennoch nicht ins Schwitzen kommen, liegt an einer melancholischen Grundstimmung, die vordergründig als Komödien ausgewiesenen Filmen wie Indien ihre spezielle Atmosphäre beschert. Die Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer adaptierten 1993 ihr eigenes Theaterstück und liefern so den Beweis für eine weitere Spezialität im österreichischen Kino. Der Weg von der Kabarettbühne auf die Kinoleinwand gelang nämlich nicht nur den beiden Hauptdarstellern des bittersüßen Roadmovies von Paul Harather, sondern auch anderen Kollegen wie etwa Roland Düringer sowohl erfolgreich als auch überzeugend.

Wie kann man nur von einem Cappy a Magenweh bekommen? fragt sich der überkorrekte und besserwisserische Kurt Fellner alias Alfred Dorfer, nachdem er seinem schmierig-prolligen Kollegen Heinz Bösel ein für den dauerhaft angetrunkenen Außendienstmitarbeiter ungewohntes Erfrischungsgetränk angeboten hat. Dass er zuvor noch unaufgefordert dessen rollende Kneipe, einen klapprigen Ford aus den 1970er Jahren entmüllt hat, bringt das Fass zum Überlaufen. Es kommt zu einer ersten körperlichen Auseinandersetzung zwischen den ungleichen Restauranttestern, die gemeinsam im Auftrag der österreichischen Landesregierung durch die Provinz tingeln.

Josef Hader spielt den bestechlichen Kleingeist Bösel so glaubwürdig, dass beim Zuschauen unweigerlich einige Momente puren Fremdschämens vorprogrammiert sind, etwa als er im Vollrausch seinem entsetzten Kollegen auf dem Hotelzimmer zu nahe kommt. Als der asketische Fellner überraschend von seiner Frau verlassen wird, erweist sich der ungehobelte Kettenraucher jedoch als treuer Freund und so lassen es die beiden Herren in der Provinz zu unserer Freude gehörig krachen.

Doch statt auf dieser Schiene weiter die niederösterreichische Sau rauszulassen, wandelt sich der launige Spaß im zweiten Teil zu einem berührenden Drama, dessen zuvor laute Kauzigkeit in eine milde Melancholie umschlägt und somit endgültig gängige Buddy-Movies weit hinter sich lässt. Gerade weil die beiden Charaktere auch in dieser Phase des Films ihre Marotten nicht gänzlich ablegen, bleibt die Tragikomödie lebensechter und zwingender als etwa die Männerfreundschafts-Räuberpistole Knockin’ on Heaven’s Door mit unserem Nuschelkönig Til Schweiger.

In Österreich war Indien 1993 ein Kinohit und bedeutete für die beiden Kabarettisten den Durchbruch auf der Leinwand. Neben ihren jeweiligen Bühnenauftritten folgten zahlreiche Rollen in unterschiedlichen Spielfilmen, wobei Josef Hader mit der Darstellung des ramponierten Ermittlers Brenner sicherlich seinen größten Erfolg feiern konnte. Überzeugen vermochte der charismatische Autodidakt aber auch in anderen Produktionen. Das elegische Roadmovie Blue Moon von Regisseurin Andrea Dusl ging 2001 in unseren Kinos leider völlig unter, dabei fällt die Reise in den tiefen Osten Europas nebst herber Liebesgeschichte angenehm klischeefrei aus und lohnt eine neuerliche Wiederentdeckung allemal.

Alfred Dorfers Karriere als Filmschauspieler setzte sich bereits 1995 im Kinohit Freispiel von Harald Sicheritz fort. Dort verkörpert er einen frustrierten Musikprofessor in der Midlife Crisis, der davon träumt, seinem Job als Lehrer zu entfliehen und Popstar zu werden. Acht Jahre später sollte Alfred Dorfer nochmals einen gebrochenen Charakter spielen, diesmal jedoch deutlich verhaltener und introvertierter. Die mit einem Budget von lediglich 200 000 Euro realisierte Tragikomödie Ravioli ist ein beinahe schon zärtlicher Film, der sich hinter den einheimischen Kassenschlagern seines Protagonisten nicht zu verstecken braucht (IMBd.com).

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