The Survivalist – Eine niederschmetternde Dystopie

30.06.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
The SurvivalistPierrot Le Fou
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Der britische Endzeit-Thriller The Survivalist empfiehlt sich einem Publikum, das The Walking Dead nicht wegen einiger Zombies, sondern der alltäglichen Herausforderungen der Figuren schaut. Wir verlosen DVDs und Blu-rays zum Heimkinostart.

Eine kleine Waldhütte im verregneten Nordirland. Seit sieben Jahren wohnt hier ein Mann (Martin McCann), den wir als The Survivalist kennen lernen. Abgeschieden von der Außenwelt hat sich dieser Eremit mit den unwirtlichen Lebensbedingungen arrangiert, hat sich vor allem: gegen sie abgesichert. Er baut Gemüse an, gewinnt Brennstoffe, hält Feinde mit Bärenfallen auf Distanz. Er verbuddelt Menschen, die sich seiner Hütte näherten, und wichst auf vergilbte Photographien, die er ihren Rucksäcken entnimmt. Über seinem Rücken ist eine Schrotflinte gespannt, nervös schielen die Augen in alle Richtungen. Mit unkomfortabler Akribie beobachtet der Film den ritualisierten Alltag dieses Mannes. Gesprochen wird kein einziges Mal. Weil es niemanden gibt, der zuhören würde.

Nach 20 Minuten aber fallen plötzlich doch einige Worte. Zwei Frauen stehen im Garten des Überlebenskünstlers und bitten um Asyl. Perlenketten könnte sie dem Mann zum Tausch anbieten, sagt die Mutter (großartig: Olwen Fouere), oder Blumensamen für sein Gewächshaus. Noch im gleichen Moment verrät ihr Blick das Wissen um die Aussichtslosigkeit dieser Gegenleistungen. Welchen Wert sollen materielle Reichtümer haben in einer Welt, in der es jetzt nur noch darum geht, sich irgendwie selbst durchzubringen. Einzig das Versprechen einer gemeinsamen Nacht mit der Tochter (Mia Goth) kann den Mann überzeugen, nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal. Scheißwelt, Scheißmänner. "Don't come inside her, please".

Ritualisierter Alltag: Der namenlose Survivalist (Martin McCann).

Zwei einfache Kurven deuten zu Beginn von The Survivalist an, wie es zum augenscheinlichen Zusammenbruch der Zivilisation kam. Die eine zeigt das Wachstum der Weltpopulation, die andere den Anstieg der Erdölgewinnung. Als letztere zu sinken beginnt, dauert es nicht lang, bis die erste nachzieht. Mehr erfährt man nicht, mehr braucht man auch gar nicht zu erfahren. Die wirksamsten Dystopien vermeiden Erklärungen über den Zustand unserer Welt, lassen sich nicht leichtfertig in ideologiekritische Rezeptionsmuster zwängen. Entscheidend ist weniger, wie es zum Tag X kam, als vielmehr, was nun mit ihm anzustellen ist. An simplem Bescheidwisserkino hat das eindrucksvolle Regiedebüt von Stephen Fingleton kein Interesse.

Es macht stattdessen dort weiter, wo John Hillcoats nihilistisches Meisterwerk The Road aufhörte – bei den mühsamen Versuchen, neue soziale Gefüge zu errichten. Der triebgesteuerte Überlebenskünstler lässt die beiden Frauen hier zwar nicht aus reiner Nächstenliebe zu sich ins Haus, gestattet es ihnen aber entgegen seiner Selbstversorgerlogik, dauerhaft zu bleiben. Ähnlich wie The Walking Dead erzählt der Film von einer Sehnsucht nach Inseln der Hoffnung, die dem Rückfall in die Barbarei zaghaft entgegenwirken: Das Bemühen um nicht nur pragmatische, sondern aufrichtige menschliche Beziehungen ist in dystopischen Weltentwürfen stets vom Risiko kontaminiert, ebendieses Vertrauen mit dem Leben zu bezahlen. Keine gute Tat bleibt ungesühnt.

Mutter (Olwen Fouere) und Tochter (Mia Goth) im Tausch gegen Menschlichkeit.

Stephen Fingleton verpflichtet sich dem Humanismusanspruch des Entwurfes insoweit, als auch The Survivalist seine unerträgliche Spannung aus Figuren bezieht, die den Bedingungen der neuen Welt zu widerstehen versuchen. Sie müssen lernen, Beziehungen nicht an der Nützlichkeit eines Menschen zu bemessen, und Barmherzigkeit niemals abzuwägen. Dem Prozess gehen niederschmetternde Sätze ("Don't waste your shell."), vor allem jedoch niederschmetternde Taten voraus, die den genreüblichen Existenzialismus dystopischer Geschichten mit einer seltenen Konsequenz verhandeln. Die Zukunft des Films muss uns überzeugen können, nicht eintreffen zu dürfen. Wenn das letztlich doch Bescheidwisserkino ist, sollen sich andere gern ein Beispiel daran nehmen.

The Survivalist erscheint am 1. Juli 2016 auf DVD, Blu-ray und als VoD.

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