Stephen Kings Es – Das Kindheitstrauma jetzt in HD

22.09.2016 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Tim Curry als Clown Pennywise in Stephen Kings EsWarner
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Es gibt kaum jemanden, der an der TV-Fassung von Stephen Kings Es nichts auszusetzen hat – und doch ist sie auch 25 Jahre später noch in aller Munde. Jetzt erscheint der für das Kindheitstrauma einer ganzen Generation verantwortliche Film erstmals auf Blu-ray.

Zufrieden scheint mit diesem Film, der eigentlich eine Miniserie beziehungsweise ein zweiteiliger Fernsehfilm ist, niemand zu sein. Fans des je nach Auflage bis zu 1500 Seiten dicken Buches aus dem Jahr 1985 sind sich einig, dass eine mit 180 Minuten Laufzeit schon quantitativ unzureichende Adaption des Romans seiner mit menschlichen Urängsten spielenden Geschichte epischen, ja sogar kosmischen Ausmaßes kaum gerecht werden könne (wobei dieses Ausmaß durch die nicht zuletzt visuellen Einschränkungen der Dimensionen des Grauens nur noch zu erahnen sei). Und auch den Vertrauensvorschuss buchunkundiger Zuschauer mache die Verfilmung zunichte, weil ihr Schlussakt nichts von dem einlöse, was die ungleich stärkere erste Hälfte verspreche. Stephen Kings Es, so das Verdikt beider Gruppen, habe das gleiche Problem wie viele, wenn nicht alle Versuche, Kings Worte in bewegte Bilder zu übersetzen: Das Ergebnis reiche an den meisterlichen oder eben wahrscheinlich meisterlichen Roman allenfalls in wenigen Details heran.

Damit wäre im Prinzip alles gesagt, gäbe es nicht doch einige Gründe, den für das US-Network ABC produzierten Film – so nenne ich ihn jetzt einfach mal – gegen manche Einwände zu verteidigen. Denn Eindruck hinterlassen hat er allemal: Hierzulande, es war der Sommer 1993, sorgte seine Erstausstrahlung auf Sat.1 nicht nur für gute Quoten, sondern auch schlaflose Nächte vor allem bei kindlichen Gemütern. Ausschnitte des Treibens um Clown Pennywise – eine der vielen Gestalten, die Es anzunehmen (besser: vorzutäuschen) imstande ist – geisterten als Vorankündigung durchs Nachmittagsprogramm. Fernsehzeitschriften waren voll von eigentlich harmlosen, aber nichtsdestotrotz beunruhigenden Bildern, in denen Pennywise mit diabolischem Grinsen aus Gräbern oder Wasserabflüssen hervorlugte. Unheimlich genug schien bereits das Wissen um die Existenz eines Films, dessen Titel gebendes Monstrum so fürchterlich sein musste, dass es (oder eben Es) sich jeder Beschreibung entzog – die kleine Freudsche Substantivierung eines Pronomens als großer Verunsicherungseffekt.

Heute, mehr als 25 Jahre nach Erscheinen des Films, ist daher nicht selten die Rede von einem Kindheitstrauma, das er vielen beschert habe. Geblieben ist vielleicht tatsächlich eher eine spezifische Ikonografie des von Tim Curry dargestellten Clowns, die TV- und Video-Konsumenten prägte, als eine filmische Umsetzung der diesen Bildern zugrunde liegenden Themen. Der Roman erzählte natürlich nicht von Kinder fressenden Clowns oder Riesenspinnen, sondern dem Horror schlechthin: Es, das ist bei Stephen King einerseits die nicht materialisierbare Macht des Bösen – ein interdimensionales Wesen, das seit Millionen von Jahren auf der Erde lebt – und andererseits eine individuelle Verkörperung jedweder Furcht, sei es vor der eigenen Zukunft und dem Verlust geliebter Menschen oder vor tyrannischen Rowdys und gewalttätigen Eltern (mit denen sich Es wahlweise verbündet oder deren Gestalt annimmt). Dem Stoff ist, wie so oft bei King, ein tiefes Misstrauen gegenüber Kleinstadtverhältnissen eingeschrieben, in denen das Grauen immer schon bekannte Gesichter trägt.

Dieses hochliterarische Konzept ist, ohne die nicht sehr sinnvolle Phrase von der Unverfilmbarkeit eines Romans bemühen zu wollen, filmisch schwer aufzulösen. Was sich im Buch als ein schlüssiges, vor allem psychologisch einnehmendes Mosaik adoleszenter Ängste präsentiert, kann in bebilderter (vielleicht sogar schon in ausgesprochener) Form albern wirken (die TV-Adapation ignoriert viele Illusionen von Es, unter anderem dessen Erscheinungen als Vampir, Leprakranker und Frankensteins Monster). Die eigentliche Gestaltlosigkeit des Horrors ist dabei sowieso eine undankbare Vorlage: Wenn das Monstrum sich aus "Todesstrahlen" zusammensetzt und nur durch einen "Kampf des Willens" (im Buch Ritual of Chüd genannt) besiegbar scheint, gerät über die Frage, wie man so etwas interessant darstellen soll, auch der beste Filmemacher ins Schwitzen. (Randnotiz: Tommy Lee Wallace ist ein exzellenter Handwerker, der die damaligen Grenzen des Kabelfernsehens mit Plansequenzen und Kranaufnahmen eindrücklich ausreizt)

So wenig es der Verfilmung also gelingt (und eben gelingen kann), den Horror von Stephen Kings Es zu figuralisieren, so sehr bekommt sie das, was er mit seinen Figuren anstellt, zu fassen. Die Coming-of-Age-Elemente der Geschichte wurden zu Recht als größte Stärke des Films bezeichnet, obgleich es doch die wiederum zu Unrecht stark kritisierte Gegenwartshandlung um den mittlerweile zerstreuten "Club der Verlierer" ist, die ihnen Auftrieb verschafft: In der kunstvollen Verschaltung der beiden Zeitebenen (hier 1960 und 1990) gelingt Tommy Lee Wallace ein multiperspektivisches Porträt seiner gespaltenen Protagonisten, und mit der über immerhin 90 Minuten erstreckten Parallelexposition der erwachsenen Figuren schafft er eine emotionale Rückbindung an jene jugendlichen Außenseiter, deren solidarisches Handeln die – klar: deutlich bessere – erste Hälfte beseelt. Man sollte dabei nicht unterschätzen, was Schauspieler wie John Ritter oder Richard Masur in der Kürze der Zeit aus ihren merklich zurechtgestutzten Figuren herausholen.

Die für Herbst 2017 angekündigte Neuverfilmung des Romans wird sicherlich buchgetreuer, vielleicht auch besser und hoffentlich weniger braver sein als ihr Fernsehgegenstück von 1990, doch stimmen vorab einige Dinge skeptisch. Cary Fukunaga (True Detective), der offenbar ebenfalls einen Film im Sinn hatte, der sich um die Figuren und deren Ängste dreht, verabschiedete sich jedenfalls nicht , wie oft behauptet, aufgrund von Budgetproblemen aus dem Projekt. Wenn Bill Skarsgård, der den eigentlich vorgesehenen Will Poulter ersetzt, als Clown Pennywise nun seinerseits einer ganzen Generation Kindheitstraumata bescheren soll, wird Regisseur Andrés Muschietti darauf bedacht sein müssen, aus einem genuinen Horrorroman keinen generischen Horrorfilm zu machen. Bis dahin kann es sich lohnen, die Stärken von Stephen Kings Es neu zu entdecken. Und sei es nur, um sich am hinreißend sinistren Spiel von Tim Curry zu erfreuen – nicht zuletzt ihm verdankt es die Verfilmung, dass wir noch immer ehrfürchtig an sie zurückdenken.

Stephen Kings Es erscheint am 22. September 2016 erstmals auf Blu-ray. Im Gegensatz zur DVD liegt der Film hier im Originalbildformat (1,33:1) vor. Leider fehlen jedoch wie bei den meisten Heimkino-Versionen zwischen dem ersten und zweiten Teil einige Szenen, die man sich hier  ansehen kann.

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