Sonys Spider-Man: Wie ein Superheld abstürzt und von Marvel gerettet wird

28.06.2019 - 12:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Spider-Man vs. Spider-ManSony
11
1
Nach dem Scheitern der The Amazing Spider-Man-Filme mit Andrew Garfield wurde Tom Holland zum dritten Spider-Man innerhalb kürzester Zeit - und dem ersten im Marvel Cinematic Universe.

Die Ironie ist bitter: Mit Sam Raimis Spider-Man-Filmen ebnete Sony Anfang der 2000er-Jahre dem modernen Superheldenkino den Weg - nur, um am Ende als großer Verlierer einer Entwicklung dazustehen, die die komplette Blockbuster-Landschaft für immer verändern sollte. Nachdem Spider-Man 3 für die Reihe einen Box Office-Rekord aufstellte, kam eine weitere Fortsetzung aufgrund kreativer Differenzen nie zustande.

Das Nächste, was wir von der freundlichen Spinne aus der Nachbarschaft hörten, war die Ankündigung eines Reboots: Mit The Amazing Spider-Man klammerte sich Sony an eine der wenigen populären Marken, die das Studio besaß - in einer Zeit, in der Marken zum Wertvollsten wurden, was ein Studio überhaupt besitzen kann. Bevor das aus dem Boden gestampfte Franchise in Fahrt kommt, sollte es jedoch schon in sich zusammenstürzen.

Die drei wichtigsten Beobachtungen zu Spider-Man im MCU

  • Sony verkalkulierte sich mit seinen The Amazing Spider-Man-Filmen. Sämtliche Franchise-Pläne wurden über den Haufen geworfen.
  • Um die Zukunft der Marke zu sichern, ging das Studio einen Deal mit Marvel ein, der den Verantwortlichen bei Sony alles andere als leicht gefallen ist.
  • Im MCU blühte Spider-Man unter der kreativen Aufsicht von Kevin Feige auf, aber auch Sony und vor allem Amy Pascal profitierten.
The Amazing Spider-Man 2

Sinister Six, Venom und zwei weitere Spidey-Sequels - nach The Amazing Spider-Man 2, der an den Kinokassen enttäuschte, verpufften all diese Pläne und Sony musste endgültig der unschönen Tatsache ins Auge blicken, vom Aufstieg des Marvel Cinematic Universe erdrückt worden zu sein. Unter dem Dach von Disney betreute Kevin Feige ein florierendes Superhelden-Universum, nach dem sich Amy Pascal so sehnte.

Amy Pascal fungierte von 2006 bis 2015 als Chairperson von Sony Pictures, ehe sie in den Nachwehen des Sony-Hacks entlassen wurde. Als Kevin Feige schließlich mit dem Angebot auf sie zukam, Spider-Man ins MCU zu integrieren, waren ihre Emotionen gespalten. Glich das Angebot auf der einen Seite einer Beleidigung, versteckte sich hier auf der andere Seite womöglich jener Coup, auf den Sony so verzweifelt gewartet hatte.

Wie sich Marvel und Sony auf den Spider-Man-Deal einigten

Vorerst flog jedoch ein Sandwich durch den Raum, wie Ben Fritz in seinem Buch The Big Picture: The Fight for the Future of Movies schreibt, in dem er sich mit dem Sony-Hack sowie der Veränderung in Hollywood beschäftigt. Zuvor zitiert er Kevin Feige, der zu diesem Zeitpunkt unverschämt erfolgreich Disneys mächtigstes Franchise lenkte, wie folgt mit einer Aussage über das Skript zu The Amazing Spider-Man 2.

Ich fand das Skript ermüdend, langweilig und musste mich zwingen, es komplett durchzulesen ... diese Geschichte ist viel zu düster, viel zu deprimierend. Ich wollte das Skript verbrennen, sobald ich es gelesen hatte - und hätte niemals die DVD gekauft.

Kevin Feige konnte wenig Begeisterung für das aufbringen, was Sony mit den The Amazing Spider-Man-Filmen anstellte. Dennoch begegneten sich er und Amy Pascal später auf Augenhöhe und kamen zu einem bemerkenswerten Deal: Marvel Studios durfte als produzierendes Studio Spider-Man 2016 via The First Avenger: Civil War ins MCU einführen, ehe 2017 ein neuer Solofilm erschien, bei dem Sony den Vertrieb übernahm.

Captain America: Civil War

Innerhalb kürzester Zeit waren die ambitionierten Pläne des Andrew Garfield-Universums vergessen und Tom Holland meldete sich als bis dato jüngster Peter Parker in einer Highschool-Umgebung zu Wort, die direkt einem John Hughes-Film entnommen sein könnte. "Spider-Man wurde genau von den Charakteren gerettet, für die Sony 1994 keine zusätzlichen 15 Millionen Dollar bezahlen wollte", resümiert Ben Fritz.

Es ist die nächste Ironie in dieser Geschichte unglücklicher Entwicklungen: Sony hätte lange, bevor Hollywood auf den Superhelden-Trip kam, die Schlüssel zum unglaublichen Erfolg des MCU in der Hand gehabt, hätten sich die Verantwortlichen damals nicht nur auf Spider-Man als einzigen A-Helden abseits der bei 20th Century Fox untergebrachten X-Men und Fantastic Four fokussiert und im Anschluss das Gespür für ihn verloren.

Sony klammerte sich an Spider-Man und verpasste den Rest

Ziemlich genau 20 Jahre später erhielt Sony mit The Amazing Spider-Man 2 die Quittung dafür am Box Office und griff schlussendlich doch auf das Angebot der kreativen Unterstützung durch die Konkurrenz zurück. "Ich habe nur ein Spider-Man-Universum und kein Marvel-Universum", schrieb Amy Pascal in einer ihrer Mails. "Es gibt nur Bösewichte, Familienmitglieder und Freundinnen. Kein großes Superhelden-Team hier."

Die Bredouille ist offensichtlich: Sony hatten den Trend des Kinomarkts verschlafen und war nun gezwungen, Spider-Man auszuleihen, um die einst so robuste Marke nicht noch mehr zu beschädigen. Die MCU-Maschine lief derweil so flüssig, dass der nächste Spider-Man problemlos in den aus drei Phasen bestehenden Masterplan eingeflochten und treffsicher an die Gegebenheiten des Franchise angepasst werden konnte.

Spider-Man: Homecoming

Tony Stark als Onkel Ben-Ersatz und der Avengers Tower im Hintergrund: Im Zuge von Spider-Man: Homecoming fuhr Marvel sämtliche Geschütze auf, um die Rückkehr des verlorenen Helden in die eigenen Reihen zu feiern und gleichzeitig das vielversprechende Civil War-Debüt in eine ordentliche Grundlage für zukünftige Solofilme und Avengers-Auftritte zu verwandeln. Andrew Garfield war an diesem Punkt längst vergessen.

Nicht nur überholte Spider-Man: Homecoming beide The Amazing Spider-Man-Filme weltweit an den Kinokassen, sondern konnte ebenfalls die ersten zwei Teile von Sam Raimis-Trilogie in den Schatten stellen. Ein gigantischer Erfolg, der Marvel gleichzeitig auch die Blaupause für die baldige Eingliederung der X-Men und Fantastic Four lieferte, die nach dem Kauf von Fox durch Disney nun auch zum MCU-Repertoire gehören.

Nicht nur Marvel, sondern auch Sony profitiert vom Spidey-Deal

Ungeachtet kreativer Ansprüche (die haben beim MCU-Spidey nämlich nachgelassen) hätte Kevin Feige die Spider-Man-Karte nicht besser ausspielen können. Doch wo findet sich Sony in dieser Gleichung wieder? Amy Pascal selbst dürfte wohl die überraschendste Rolle in dieser Entwicklung einnehmen, fungierte sie nach ihrer Entlassung neben Kevin Feige als Produzentin bei Spider-Man: Homecoming und jetzt auch Spider-Man: Far From Home.

Das ist deswegen so interessant, weil Kevin Feige diesen Posten bei den MCU-Filmen für gewöhnlich für sich allein beansprucht und damit Amy Pascal mehr Möglichkeiten als all den anderen Associate- und Executive-Produzenten einräumt. Sony wiederum profitiert abseits der Einspielergebnisse von der nachhaltigen Stärkung der Marke, was zuletzt den erfolgreichen Launch von Spider-Man: A New Universe und Venom ermöglichte.

Beide Filme haben am Box Office fraglos Eindruck hinterlassen und werden gerade zu eigenen Franchises ausgebaut. Die große Frage ist nur, was mit Spider-Man passiert, wenn der ursprüngliche Fünf-Filme-Deal zwischen Sony und Marvel mit Spider-Man: Far From Home ausläuft. Die Zukunft des Netzschwingers ist folglich ungewiss und wir dürfen gespannt sein, welche Entwicklungen uns in den nächsten Jahren noch erwarten.

Wie gefällt euch Spider-Man, seitdem er im MCU verweilt?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News