Sherlock - Wir schauen das Victorian Special Die Braut des Grauens

29.03.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Sherlock - Die Braut des GrauensBBC
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Die Braut des Grauens trieb gestern ihr Unwesen in der ARD. Wir haben uns das Victorian Special von Sherlock angeschaut und alle Spiegeltricks und doppelten Böden auf Herz und Nieren geprüft.

"The game is afoot" in Sherlocks lang angekündigtem Victorian Special. Im Vereinigten Königreich mit phänomenalen Quoten schon zu Beginn des Jahres gelaufen, sendete es die ARD am gestrigen Ostermontag. Was sich zunächst als eigenständige Alternativerzählung aus dem Jahr 1895 ausgibt, weicht im Verlauf der Folge einer wendungsreichen und unterhaltsamen Einführung in Staffel 4 mit doppeltem Boden und einem Sherlock im Dauer-High. Wäre da nur nicht wieder das selbstverliebte Suhlen in der eigenen Cleverness. Vorsicht, es wird gespoilert!

Mit Die Braut des Grauens kehrt Sherlock nicht nur in unser, sondern auch in sein eigenes Gedächtnis zurück. Bis zur großen Wendung der Folge besinnen sich Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) und Dr. John Watson (Martin Freeman) aber zunächst auf ihre literarischen Ursprünge - inklusive Schnauzbart, Deerstalker und Pfeife. Kutschen fahren vor der Baker Street 221B, Feuer lodern im Kamin und auf einem Balkon steckt sich eine abscheuliche Braut den Lauf ihrer Pistole in den Mund, drückt ab und stirbt. Wenig später sucht sie als Geist ihren Ehemann heim, erschießt ihn auf offener Straße und verschwindet so schnell, wie sie gekommen war. Ein neuer Fall für Sherlock Holmes und eine neue Inspiration für Dr. Watson, der zeitgemäß nicht in seinem Blog, sondern im Strand Magazine veröffentlicht, ist geboren. Die Ermittlung führt das Duo zunächst in die Leichenhalle, in der sich eine viktorianische Version von Molly Hooper (Louise Brealey) als Mann ausgeben muss, um ihren Beruf auszuüben. Später geht es in das Anwesen von Sir und Lady Carmichael (Catherine McCormack), wo es die vermeintliche Geisterbraut auf den Patriarchen Eustace Carmichael (Tim McInnerny) abgesehen hat. Hier punktet Sherlock mit atmosphärischer Spannung und klassischem Detektivspiel, wie wir es aus den ersten beiden Staffeln gewohnt waren. Doch der Spiegeltrick der Folge folgt schon bald.

"Time you woke up, Sherlock. I'm a story-teller, I know when I'm in one "

Ab der Mitte der Folge ziehen uns Autoren Steven Moffat und Mark Gatiss den Teppich unter den Füßen weg und offenbaren, dass die vergangenen Minuten allein im Kopf von Sherlock stattgefunden haben. Dieser befindet sich immer noch im Flugzeug und Jahr 2014. Nachdem er Magnussen (Lars Mikkelsen) den Kopf weggepustet hat und Moriarty (Andrew Scott) wie ein virales Internet-Meme zurückgekehrt ist, hat er sich unter Drogeneinfluss in seinen Gedächtnispalast zurückgezogen. Hier versucht er herauszufinden, wie Moriarty es geschafft hat, trotz tödlichem Kopfschuss, auf den Reklametafeln am Piccadilly Circus aufzutauchen. Die Braut alias Emelia Ricolettis (Natasha O'Keeffe) aus dem 19. Jahrhundert dient ihm dafür als Blaupause. Hier verlässt die Folge das klassische Whodunit und führt den selbstreferentiellen Trend aus Staffel drei weiter.

Und der Grat zwischen cleverer Selbstbetrachtung und pompöser Selbstverliebtheit ist schmal. Mal gelingt es der Folge, ihn zu wandern, mal nicht. Es funktioniert, wenn Mrs. Hudson (Una Stubbs) erklärt, dass sie im Gegensatz zu Watsons Geschichten im Strand mehr zu bieten hat, als immer nur Frühstück zu servieren ("I'm your landlady, not a plot device"). Denn der gleiche Vorwurf lässt sich auch den Autoren der Serie machen; sie haben die Figur auch nie anders benutzt. Zugleich wird die immer wieder in die Vergangenheit durchsickernde Gegenwart zu einer willkommenen Ostereiersuche. Watson wird in Momenten des verbalen Wutausbruchs ("Sherlock, tell me where my bloody wife is, you pompous prick, or I'll punch your lights out!") kurz wieder zum schnurrbartlosen John. Und Mycroft - fett und Plum-Pudding mampfend - beschreibt Moriarty mit der anachronistischen Zeile "virus in the data". Es sind kleine, feine Gänsehautmomente, wie sie sonst nur im Subreddit /r/Glitch_In_The_Matrix  zu finden sind.

Durch die Traumebene entkommen die beiden Schöpfer aber auch jeglicher inhaltlichen Kritik an der Folge. Jede Ungereimtheit, jede an den Haaren herbeigezogene Erklärung wird dadurch weggeredet, dass die Handlung ja ohnehin nur in Sherlocks berauschtem Kopf stattfindet und letztendlich nur zur Theoriebildung über Moriartys Überleben dient. Somit ist der Fall der Geisterbraut an sich ziemlich egal. Als Exkurs in Sherlocks verschrobenem und genialem Kopf und damit im Grunde als ein 90-minütiger Teaser für Staffel 4 mag das entschuldbar sein. Die Braut des Grauens macht trotzdem wehmütig nach Zeiten, in denen wir uns nicht hinter jeder Szene einen selbstverliebt tippenden Steven Moffat vorstellen mussten.

"We all have a past, Watson. Ghosts. They are the shadows that define our every sunny day"

Für die Auflösung des Falls geht es später in eine verlassene Kirche, wo sich herausstellt, dass eine Verschwörung von unterdrückten und klein gehaltenen Frauen die Braut als Rache an der Männerwelt erfunden hat. Mit Make-up, Doubles und Spiegeltricks gelang es Märtyrerin Emelia Ricoletti, für Angst und Schrecken zu sorgen. Etwas unreflektiert darf sich dann ein Raum voller Frauen ihre eigene Misere ausgerechnet von Sherlock Holmes erklären lassen, der sonst nicht gerade als Feminist gilt. Und was hat das alles mit Moriarty zu tun? Hat auch er sich seinem Mythos zuliebe geopfert? Bevor Sherlock den letzten Schluss ziehen kann, ist es der Professor selbst, der wieder in Sherlocks Mind Palace kriecht und versucht, ihn zu Fall bzw. zum Aufprall ("It's not the fall, it's never the fall. It's the landing") zu bringen.

Sherlock, mit einer mindestens siebenprozentigen Lösung Kokain ausgeknockt, ist nun auf dem Höhepunkt seiner Halluzination angekommen. Nichts wäre er ohne seinen einzigen ebenbürtigen Gegner Jim Moriarty. Und so kulminiert die Folge - diesmal buchstäblich - am Reichenbachfall. Moriarty als "Virus" auf Sherlocks "Festplatte" droht den Detektiv zu Fall zu bringen. Doch John Watson, konsequenterweise als Sherlocks "Firewall" oder "Antivirusprogramm", schießt ihn (vorerst?) über die Klippe in den Tod. Das ist albern; es macht aber dennoch Spaß, Benedict Cumberbatch und Martin Freeman bei dem Irrsinn zuzuschauen. Am Ende der des Victorian Specials steht also das zaghafte Versprechen, dass Moriarty physisch tatsächlich gestorben ist, aber als meta-physische Form weiterbestehen wird. Elementary.

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