Schwarz, weiß, bunt - Oscars bekennen Farbe

03.08.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Academy of Motion Picture Arts and Sciences/moviepilot
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Die Oscar-Academy wird in Zukunft von einer afroamerikanischen Frau geleitet. Ihre erste Amtshandlung: Eine lesbische Moderatorin für 2014 anzukündigen. Ein denkwürdiger Tag, wären da nicht mehrere tausend, weiße, alte Tattergreise…

Cheryl Boone Isaacs wurde zur Präsidentin der Academy of Motion Picture Arts and Sciences gewählt und wird fortan die Geschicke der vielleicht berühmtesten und einflussreichsten Organisation des internationalen Filmgeschäfts lenken. Isaacs arbeitet seit 21 Jahren für die Academy und bewährte sich in diesen Jahren in diversen Geschäftspositionen, etwa als Schatzmeisterin, Präsidentin der Stiftung oder Vizepräsidentin. Die Frau lebt für den Film und ist ausserdem noch Chefin einer Produktionsfirma, die unter anderem für The Artist verantwortlich zeichnete. Sie ist nicht bloß eine nahe liegende sondern eine logische Wahl. Aber der Grund für das internationale Aufhebens um die Meldung ihrer Beförderung liegt nicht in ihren hervorragenden Referenzen – wäre ja ganz etwas neues – sondern an einer Tatsache, die nichts mit ihrer Befähigung als Präsidentin zu tun hat. Cheryl Boone Isaacs ist Afroamerikanerin, was es seit Gründung der Academy noch nie gab. Eine Tatsache, die selbst im Jahr 2013 nach Christus, 50 nach Sidney Poitier, 11 nach Halle Berry oder 5 nach n/a noch einer Sensation gleichzukommen scheint. Aber was weiß ich schon, die Amerikaner waren mir schon immer ein Rätsel.

Der Aufreger der Woche liegt jedoch weniger darin, dass eine Selbstverständlichkeit derart aufgeblasen wird. Auch nicht, dass die erste Amtshandlung von Isaacs darin bestand, Ellen DeGeneres Rückkehr als Oscar Host anzukündigen (yay, ganz im Gegenteil!), sondern in der Vermutung, dass das Ganze kaum mehr als eine wirksame Imagekampagne sein könnte und der Progress vorerst nur kosmetischer Natur bleiben wird.

Weißer, reicher Altherrenclub
Der Farbfilm feierte seinen Durchbruch 1937. Mit Sidney Poitier gewann 1963 der erste afroamerikanische Schauspieler den Hauptdarsteller-Oscar, aber erst 2002 sollte die erste weibliche Oscargewinnerin mit afroamerikanischer Abstammung als beste Hauptdarstellerin gekürt werden. Bevor die altehrwürdige Academy aber bereit war, auch die ersten schwarzen Regisseure und den besten Film von afroamerikanischen Produzenten mit einem Goldjungen auszuzeichnen, schien die Zeit reif, um in den eigenen Reihen Farbe zu bekennen – 86 Jahre nach der Gründung der Organisation.

Der erste afroamerikanische Präsident, zum zweiten Mal wird die Oscarverleihung von einem homosexuellen Moderator präsentiert und zum dritten Mal sitzt eine Frau auf dem Chefsessel der Academy. Beinahe könnte man staunen über die gesellschaftlichen Fortschritte, die die Academy in diesen Tagen macht, wenn man sich nicht bereits über diese liberale Dreifaltigkeit wundern müsste. Dass es höchste Zeit für eine solche Ernennung war, muss gar nicht erst erörtert werden. Aber mit den Zahlen im Hinterkopf, die die Los Angeles Times im letzten Jahr veröffentlichte, werden die jüngsten Entwicklungen in ein fragwürdiges Licht gerückt. Der Zeitung fand heraus, dass sich 2012 die knapp 6000 Mitglieder der Academy folgendermaßen zusammen setzten: 94% Weiße, 77% Männer, 86% älter als 50 und das Durchschnittsalter betrug 62 Jahre. Die altehrwürdige Academy entpuppte sich somit als eine Altherren-Academy. Nicht, dass diese Statistik sonderlich schockierte, aber die Pille erwies sich zumindest als bitterer als erwartet.

Wunder müssen warten
“Wir müssen die Vielseitigkeit von Minderheiten, die Filme machen, fördern” sprach Cheryl Boone Isaacs kurz nach ihrer Wahl als Präsidentin der Academy. Auch wenn ihre erste Amtshandlung wie ein Wink des Schicksals erscheint, dürfte es die herrschenden Strukturen ihr nicht all zu leicht machen. Wie sprach Charlton Heston einst: “From my cold, dead hands”. Bei der Academy sind es tausende, weißer, konservativer Männerhände, die sich an die goldenen Trophäen von einst klammern. Ob Isaacs stark und ausdauernd genug ist, dieses verkalkte System von Innen heraus zu verändern, bleibt zu hoffen. Wunder wird es keine geben, aber vielleicht eine behutsame “Bebuntung” der Oscar-Jury, damit irgendwann selbst die blasse LA Times Statistik etwas ethnologische Farbe bekommt.

Ellen DeGeneres kommentierte ihre offizielle Ernennung als neuen (alten) Oscar-Host per Twitter mit den Worten "It’s official: I’m hosting the #Oscars! I’d like to thank @TheAcademy, my wife Portia and, oh dear, there goes the orchestra.” Was lustig gemeint ist, offenbart sich als unfreiwillige Metapher auf Isaacs bevorstehende Odyssee. Bei den Oscars werden überschwängliche oder schlicht unerwünschte Elementen bekanntlich höflich nach draussen befördert – von weißhaarigen, betagten und natürlich hellhäutigen Dirigenten. Das bekam 1941 bereits Bette Davis zu spüren. Die erste Frau, die jemals an der Spitze der Academy stand, aber nach wenigen Wochen wieder abdanken musste. Zu frech und radikal waren ihre Veränderungsvorschläge für den Altherrengesangsverein…

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