Schluss mit lustig - Bully macht ernst mit Sitcom

06.07.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Constantin Film/moviepilot
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Michael Bully Herbig arbeitet zusammen mit Pro Sieben an einer Sitcom nach US-Vorbild. Der Unterschied: Beim deutschen Pendant muss gelacht werden – und bedient damit eines der ältesten deutschen Klischees.

Pro Sieben strahlt in der Woche über 100 Folgen von US-amerikanischen Sitcoms aus, was ansehnliche Quoten einbringt. So ansehnlich, dass der Sender die erste eigene Sitcom zu produzieren gedenkt. Made in Germany ganz nach amerikanischem Vorbild und mit echtem Livepublikum ohne Hilfe aus der Konserve. Für das Kunststück, eine der US-amerikanischen Fernsehdomänen für den deutschen Markt zu adaptieren, wurde ein Mann reaktiviert, der bevor er zu einem der erfolgreichsten Filmemacher Deutschlands wurde zu den erfolgreichsten deutschen Comedians zählte: Michael Herbig. Was ihn vor allen anderen für die Aufgabe prädestiniert, ist sein unterentwickelter Sinn für typisch deutschen Humor und für die Seele des deutschen Films. Perfekte Voraussetzungen für einen Hit in einem Land, das für die eigene Film- und Fernsehkultur nicht weniger Interesse aufbringen könnte – und einen Aufreger der Woche.

Bully is back
Michael “Bully” Herbig kehrt nach fünf Jahren TV-Abstinenz wieder zu dem Sender zurück, wo 1997 mit der Bullyparade seine Fernsehkarriere begann. Aber er war bereits damals etwas sonderbar. Typisch deutsch, das passte nie zu ihm. Weder in seinen Anfangstagen, als sein Alter Ego des lispelnden Bully noch an einen in den Malkasten gefallenen Waynes Campbell erinnerte, noch als er mit seinen Kinofilmen keinen Hehl mehr daraus machte, welchen Spielberg-Filmen und ZAZ-Parodien er nacheiferte. Er drehte noch nie deutsche Filme, sondern spezialisierten sich früh auf eingedeutschte Importware aus Hollywood. Zuletzt lebte Herbig seinen Hollywoodtraum als Schauspieler in der US-Komödie Der unglaubliche Burt Wonderstone neben Steve Carell und Jim Carrey zu sehen.

Bully gehört zu einer Sorte von deutschen Filmemachern, die hochtalentiert zu sein scheint, aber als Kind der amerikanischen Muttermilch zu lange ausgesetzt war. Aus ihm wird kein Regisseur, der für Amerika erzpatriotische, Hurra-Parolen jauchzenden Blockbuster dreht um irgendwelche Nachkriegstraumata zu kanalisieren wie die Herren Emmerich und Petersen. Stattdessen entwickelt er sich zu einem Filmemacher, der bedenkenlos das ohnehin Identitätsschwache, deutsche Fernsehen und Kino durch Veramerikanisierung von Innen heraus ausmergelt.

Der Fluch des TV-Plagiats
“Er dreht für uns die erste eigene Pro Sieben-Sitcom, ganz nach amerikanischen Vorbild.” so der Sender-Chef. “Es kann doch nicht sein, dass die Amerikaner es schaffen, solche Erfolge zu produzieren und wir nicht.” Aussagen, die alte Geister aus dunkler Vergangenheit heraufbeschwören. Geister, die Schreckliches flüstern. Serientitel wie Hilfe, meine Familie spinnt oder Verschollen. Serien, die ganz nach amerikanischem Vorbild entwickelt wurden. Zwei dunkle Kapitel in der deutschen Seriengeschichte. Ersteres ein Mockbuster im Serienformat der Al Bundy Schuhgeschäft in eine Jauchegrube verwandelt. Das andere eine Soapopera über Überlebende eines Flugzeugabsturzes auf einer einsamen Insel, die just in der Zeit gedreht wurde, als auch Lost auf der Bildfläche erschien. Es scheint fast, als würde ein Fluch auf uns allen lasten, der uns alle zehn Jahre wieder die stümperhafte Grausamkeit des Fernsehens vor Augen führt. 1993 die unsägliche Eine schrecklich nette Familie Kopie, 2003 die “Lost meets Gute Zeiten, schlechte Zeiten” Karikatur und Ende 2013 Bully Herbigs How I Met Your Bully, Two and a Half Bully oder doch The Big Bang Bully? Dem Livepublikum dürfte das Lachen schnell vergehen und dann ist wirklich die Kreativität der Serienmacher gefragt.

Heisenberg wird wieder Deutscher
“Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.” Ein Satz der hier in Deutschland bereits öfters mit Ignoranz gestraft wurde. Gerade die jüngere TV-Geschichte zeigt uns, dass nicht Serien, die die amerikanische Zauberformel zu einem Dogma erheben und nachäffen, beim Publikum ankommen, sondern diejenigen, die amerikanische und deutsche Elemente zu gleichen Teilen verschmelzen. Stromberg ist der deutsche The Office Ableger (UK, nicht US versteht sich), aber bewahrte sich das typisch Deutsche. Nicht zuletzt auch dank Christoph Maria Herbst. Pastewka bewegte sich im Windschatten von Lass es, Larry!, aber auch die Serie hielt genügend Abstand zum Original und ließ es Vorbild bleiben. Das wäre ein Weg mit dem ich konform gehen könnte. Amerikanische Inspiration mit deutschem Charakter. Hast du dir das notiert, Michael?

Apropos, das ZDF kündigte gestern an, ein deutsches Breaking Bad Äquivalent produzieren zu wollen – eine weitere Maßnahme, um die langsam wegsterbende ZDF-Kundschaft wieder zu verjüngen. Schließlich ist die Dramaserie rund um den sterbenskranken Walter White der Serienliebling schlechthin bei der Zielgruppe der 18 bis 49-Jährigen, genau das was das vergreiste ZDF braucht. Sollte das Konzept anschlagen, dürfen wir uns als nächstes auf Game of Thrones im Schwarzwald mit Sascha Hehn als Lord Eddard Stark freuen.

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