Paul W.S. Anderson - Ein verkannter Meister

02.03.2014 - 20:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Resident Evil - Retribution
Constantin Film
Resident Evil - Retribution
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Am Donnerstag startete Pompeii in den deutschen Kinos, mit dem Paul W.S. Anderson sein persönliches Titanic gedreht hat und das in 3D. Wir widmen uns dem vielgescholtenen Regisseur, der mit seinen 11 Spielfilmen ein erstaunlich homogenes Werk vorgelegt hat.

Vor knapp 20 Jahren legte Paul W.S. Anderson sein Spielfilmdebüt vor. Mit seiner heroisierenden Darstellung krimineller Jugendlicher war Shopping ein Skandal in Großbritannien. Heute wirkt er wie ein waschechter Erstling in dem Sinne, dass Anderson nicht nur etwas über seine Generation aussagen wollte, sondern alles. Als sozialkritischer Not-Coming-Of-Age-Film wimmelt Shopping vor zeitgenössischer Techno-Mucke, verständnislosen Erwachsenen und verwahrlosten Jugendlichen. Mit Jude Law steht Anderson ein Schauspieler mit … denn sie wissen nicht, was sie tun -Ambitionen zur Verfügung, der seine Figur mit einer Gequältheit spielt, als wähne er sich an einem Set von Ken Loach. Es ist alles in allem ziemlich grässlich anzusehen und wir können heute froh sein, dass sich Paul W.S. Anderson von dieser Art Film zügig verabschiedet hat.

Shopping wirkt auch insofern wie ein Eintrag im Lexikon überambitionierter Debütfilme, als er Paul W.S. Andersons wichtigste Motive bereits in sich trägt. Nur arbeitet er diese mit der Eleganz eines drei Meter großen Hackebeilzombies heraus. Die Jugendlichen in Shopping äußern ihre Unzufriedenheit über den staatlich verordneten Konsumterror, in dem sie mit ihren schnittigen Karren in Boutiquen rasen und Anderson ist sich nicht zu fein, seinen fatalistischen Schluss mit den leeren Augen von Schaufensterpuppen zu unterstreichen. Der Film heißt schließlich Shopping!

Die Angst vor den Tentakeln der Privatwirtschaft sowie die allgegenwärtige Drohung, selbst zur fremdbestimmten Drohne zu verkommen, durchzieht die zehn Spielfilme, die auf Shopping folgen sollten. Das soll nicht heißen, dass Andersons kontinuierlich von der Kritik in den Boden gestampften Werken wegen ihrer Kapitalismuskritik mehr Aufmerksamkeit zukommen muss oder weil sich hier ein Auteur thematisch profiliert, was nur niemand bemerkt hat. Die Aufmerksamkeit gebührt dem anderen Paul Anderson, weil er einer der ästhetisch aufregendsten B-Film-Regisseure ist, die unseren Multiplexkinos geblieben sind und einer der wenigen, die vom 3D-Einsatz profitieren.

Augen der Angst
Eine von Andersons beeindruckendsten, weil unverfrorensten Sequenzen findet sich in Resident Evil: Afterlife, als dutzende Klone von Alice (Milla Jovovich) Angriff auf die Zentrale der Umbrella Corporation unter dem zombieverseuchten Tokyo machen. In völlig hanebüchenen Aktionen hüpfen und fliegen sie durch die Gegend, nicht als wären die Gesetze der Physik und realistischer Spezialeffekte ausgehebelt. Sie sind es. Das Entzücken, mit dem Anderson seine Alice-Armee antreten lässt, ist in jeder verspielten Choreographie spürbar, in der er Waffen und Körper auf uns zuschießen lässt.

Ähnlich wie James Cameron nicht umhin kann, seine Technikkritik mit einer Fetischisierung von Maschinen zu würzen, bricht bei Anderson immer wieder die Faszination für die eigenschaftslosen Puppen hervor, die seine Figuren so oft bedrohen. In Mortal Kombat fällt die Aufgabe den Kämpfern Sub-Zero und Scorpion mit ihren weißen Pupillen zu, die sich einzig durch ihre Kraft und die Farbe ihres Anzugs unterscheiden. Dr. William Weir (Sam Neill), unter Kontrolle seines Schiffes geraten, reißt sich in Event Horizon – Am Rande des Universums die Augen aus, bevor er als blutige Marionette sein Unwesen treibt. In Star Force Soldier muss Tötungsmaschine Todd 3465 (Kurt Russell) seine Selbstbestimmung im Kampf gegen andere Tötungsmaschinen entdecken und das Weinen lernen. Geschäftsfrau Joan Allen dagegen zieht Jason Statham in Death Race eine Maske ohne Gesichtszüge über, damit er in die Rolle Frankenstein schlüpfen kann, ein Name, der im Film gleichbedeutend ist mit dem aus Leichenteilen zusammengeflickten Monster.

Man lebt nur zweimal
Auf die Spitze treibt Paul W.S. Anderson dieses Motiv in der Resident Evil-Reihe. Mit jedem Teil versucht der Drehbuchautor und Regisseur weniger, die Helden und Bösewichte über die markigen Gesichter ihrer Charakterdarsteller hinaus zu skizzieren. Wären die Zombies auf Menschen aus Fleisch und Blut aus, würden sie in Afterlife und Retribution ziemlich schnell zu Vegetariern. Gerade diese Entlastung beflügelt Anderson ästhetisch, der sich in der Postapokalypse auf seine Stärken konzentriert.

Resident Evil 5: Retribution, in einer Filmografie voller toller Szenen ein echtes Actionmeisterwerk, macht das Doppelgängertum zum Programm. Da wird die Auftaktsequenz ihrer vermeintlichen Einzigartigkeit im filmischen Gefüge beraubt, in dem sie kurz hintereinander rückwärts und vorwärts abgespielt wird. Als wolle jemand uns Zuschauer darauf gefasst machen, dass filmische Konventionen im Folgenden nichts zählen. Zu Recht, immerhin wird danach ein zweites Mal die Tokyosequenz aus dem Vorgänger abgespielt, eine chinesische Alice samt rotem Kleid eingeführt und die verstorbenen Figuren von Oded Fehr und Michelle Rodriguez erstehen in mehrfacher Ausführung auf. Der Tod, wenn man so will das letzte Refugium der Realität in Andersons Filmen, wird aufgehoben. Lieber eine Kugel im Kopf, als den roten Umbrella-Käfer auf der Brust.

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