Oscar 2016 - Emmanuel Lubezki und sein unnachahmlicher Kamera-Stil

23.02.2016 - 09:00 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Lubezki bei seiner Dankesrede bei den 87. Oscars
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Lubezki bei seiner Dankesrede bei den 87. Oscars
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Was macht die Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki aus? Wie kommt es, dass der Mexikaner inzwischen zum dritten Mal in Folge und zum achten Mal insgesamt für den Oscar nominiert ist und dieses Jahr eventuell sogar einen Rekord knacken wird?

Seine Freunde nennen ihn Chivo (Ziege). Seine Grundlagen hat er im mexikanischen Fernsehen gelernt. Sein Lieblingsregisseur: Alfonso Cuarón, mit dem er gemeinsam aufwuchs und zusammen zur Filmakademie ging. Seit nunmehr über 20 Jahren arbeitet Emmanuel Lubezki in Hollywood. Bei den diesjährigen Oscars könnte er einen Rekord knacken und zum dritten Mal in Folge die Trophäe für die beste Kamera gewinnen. Zu Recht.

Emmanuel Lubezkis internationale Karriere begann mit Ben Stillers Indie-Kult-Hit Reality Bites - Voll das Leben. Dass er ein Ausnahmetalent ist, zeigte sich schon in Alfonso Cuaróns Little Princess, für den Lubezki seine erste Oscar-Nominierung erhielt.


Seinen endgültigen Durchbruch schaffte er aber durch eine andere Kollaboration mit Cuarón. Wer erinnert sich nicht an die unglaubliche Kamera in Children of Men? Genau hier konnte Lubezki alle seine Stärken ausspielen und ein für alle Mal den Lubezki-Stil zementieren.

Was diesen Stil ausmacht? Essentiell sind es vier Komponenten, die alle etwas mit seiner Idee von Natürlichkeit und Fluss zu tun haben.

Long, looooong shots

Das wohl markanteste Zeichen von Emmanuel Lubeszkis Kameraarbeit sind die Long Shots, also Aufnahmen ohne Schnitt, die länger dauern als üblich. Dabei bevorzugt er zwei Arten: eine, die aus einer Totalen immer näher an das Geschehen heranzoomt und so ganz subtil Ort, Zeit und die emotionale Lage über die Bildebene vermittelt. Schaut euch zum Beispiel diese grandiose erste Einstellung von Mike Nichols' The Birdcage - Ein Paradies für schrille Vögel an, die über zwei Minuten dauert:


Die andere Art folgt den Protagonisten und erlaubt der Kamera, ihr subjektives Sprachrohr zu sein. Diese Technik bevorzugt Emmanuel Lubezki bei abrupten, actionreichen Szenen, die dank seiner Kameraarbeit stets ein Gefühl von Immersion geben, fast wie bei einem Videospiel, aber niemals in totaler Subjektivität, wie man es von Ego-Shootern erkennt. Die wohl markanteste Szene dieser Art findet sich in Children of Men. Theo (Clive Owen) muss sich durch eine Kampfzone arbeiten, um in ein Haus einzudringen, in dem die schwangere Kee (Claire-Hope Ashitey) und ihr Baby gefangen sind. Die ganze Bandbreite des post-apokalyptischen Wahnsinns fängt Lubezki hier ein. Von den kämpfenden Truppen zu den reihenweise ins Kreuzfeuer geratenen Geflüchteten bis hin zu Theo selbst, der einerseits völlig verzweifelt ob der Situation, andererseits sein Leben geben würde für Kee und das erste Baby, das seit 18 Jahren geboren wurde und das die größte Hoffnung der Menschheit ist.

Fluide Bewegungsabläufe

Chivos Kamera steht selten still. Sie fließt vielmehr ruhig, aber stetig in der Umgebung hin und her, wie etwas Eigenständiges, Organisches. Emmanuel Lubezki legt großen Wert darauf, dass seine Arbeit niemals an die Technologie dahinter erinnert, sondern sich natürlich anfühlt und ohne jemals auf sich selbst aufmerksam zu machen, stetig zwischen den Instanzen hin- und hergleitet. Mal ist sie beim Zuschauer und hält etwas Abstand, dann gleitet sie fast unbemerkt an die Charaktere heran und zieht das Publikum mit in die Geschichte. Dort angekommen, wechselt sie zwischen den Figuren und Ereignissen scheinbar nahtlos hin und her. Ein wenig erinnert diese Technik an die Feder  in Forrest Gump, die einerseits ganz natürlich vor sich hinschwebt, andererseits genau da landet, wo sie hinsoll. Und dabei noch, scheinbar mühelos kontextualisiert, indem sie die Umgebung mit einfängt. Hier ein Beispiel aus Birdman oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit:


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