New Moon-Kritik - Die Faszination der doppelten Götzenanbetung

26.11.2009 - 08:50 Uhr
Concorde
Kein anderer Film hat moviepilot in den letzten Wochen so in Beschlag genommen, wie New Moon. Heute ist der große Tag: Der zweite Teil der Twilight-Saga läuft in Deutschland an. Kann der Film auch Nicht-Twihards überzeugen?

Vampire begleiten die Filmgeschichte seit etlichen Jahrzehnten; bis heute sind sie einfach nicht totzukriegen. Warum auch, schließlich spielen sie dank der Twilight-Saga soviel Geld ein, wie nie zuvor. Heute läuft New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde, der am vergangenen Wochenende in den USA beinahe das beste Startergebnis aller Zeiten einfuhr, auch in den deutschen Kinos an.

Der zweite Teil der Twilight-Saga weiß um seine popkulturelle Bedeutung; er gibt sich keine Mühe, Nicht-Eingeweihte in die Welt der Vampire einzuführen. Nach einer blutigen Geburtstagsfeier sieht sich Edward (Robert Pattinson) nicht mehr im Stande, Bella vor den gierigen Übergriffen seiner Vampirsippschaft zu schützen. Er verlässt sie, Bella leidet Monate lang, bis sich der gut gebaute Jacob ihrer annimmt. Doch auch der nette Junge aus der Nachbarschaft entpuppt sich als Fabelwesen. Zusammen mit anderen Werwölfen verteidigt er die Normalsterblichen vor den Übergriffen zudringlicher Vampire. Es kommt, wie es kommen muss: Jacob steht auf Bella, Bellas Herz hingegen hängt noch immer am fernen Edward. Dieser hat ganz andere Sorgen: Edward will sterben, da er Bella für tot hält. Deshalb begibt er sich zu der Vampirsekte der Volturi nach Europa, die sich auf Blutsaugertötungen spezialisiert hat. Die tot geglaubte Bella eilt nach Italien, um Edward von seinem Vorhaben abzuhalten. New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde endet mit dem abgründigsten Cliffhanger der neueren Filmgeschichte: Bald wird geheiratet.

New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde ist kein guter Film
Beim zweiten Teil der Twilight-Saga führte Chris Weitz Regie, der mit About a Boy oder: Der Tag der toten Ente bewies, dass er ein Händchen für subtile Inszenierung und Schauspielführung hat. Leider liefert er mit New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde keine ebenbürtige Leistung ab; sichtlich bemüht manövriert er seine Hauptfiguren durch das unausgegorene Drehbuch. Die Dialogszenen wirken hölzern, die männlichen Hauptdarsteller scheinen nicht zu wissen, wie ihnen geschieht. Robert Pattinson steht so verschüchtert im Wald wie ein pubertierender Schlacks auf der Kirmeswiese – dabei ist seine Figur Edward über 100 Jahre alt. Taylor Lautner muss in der ersten Filmhälfte gegen seine lächerlich schlecht sitzende Langhaarperücke anspielen, die alle Aufmerksamkeit für sich beansprucht; sein größter Triumph wird dem Nachwuchswerwolf zuteil, als er sich voller Theatralik das Hemd vom Leib reißt, als wolle er wortlos allen Zweiflern zurufen: Wer braucht schon Schauspielkunst? Seht auf diese Bauchmuskeln!

Kristen Stewart zeigt sich versierter als ihre männlichen Kollegen: Sie will leiden, sie will sich den Schmerz ihrer Figur Bella zumuten. Ihre darstellerische Leistung entfaltet ihre Wirkung jedoch nur einseitig: Melancholische Gemüter dürften sich von ihrem Martyrium angesprochen fühlen, vor allem weibliche Teenagerherzen können sich wollüstig dem Trennungsschmerz hingeben. Menschen mit ausgeglichener Glücksbilanz hingegen kann Kristen Stewart nicht auf ihre Seite ziehen, denn ihrer Darstellung fehlt eine Prise Originalität.

New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde ist ein faszinierender Film
Oder besser: Die Twilight-Welt als Ganzes bietet dem Außenstehenden Einblicke in etwas Fremdes, auf den ersten Blick Unverständliches. Wenn Robert Pattinson am Anfang von New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde in einer ins Unendliche gedehnten Einstellung auf Bella – sprich: den Zuschauer – zukommt, bereits in diesem Augenblick entscheidet sich das Schicksal des Betrachters. Fühlt er sich von dem blässlichen Blutsauger angezogen, darf er sich auf berauschende 120 Minuten freuen. Stößt ihn der blutarme Bubi im Schlabberlook ab oder lässt er ihn kalt, dann lautet das Urteil: Willkommen in der zweistündigen New Moon-Hölle!

Und hinterher? “Man, sind diese Twilighters doof” verkünden gestandene Cineasten siegesgewiss. “Mir doch egal” lallen die Fans von Robert Pattinson und Taylor Lautner benebelt. “Wie ist so etwas möglich?” fragen interessierte Zweifler fasziniert. Das Phänomen der Götzenanbetung – hierbei handelt es sich bei Twilight in doppelter Hinsicht – ist beleibe nicht neu, New Moon – Bis(s) zur Mittagsstunde führt es auf einen weiteren Höhepunkt. Denn am Ende bleibt die quasi-religiöse Verehrung eines Mädchens für einen charismatischen Strahlemann: So wie die Filmfigur Bella einem eleganten, im Sonnenlicht glänzenden Vampir verfällt, so schmelzen Millionen Frauenherzen beim Anblick des charismatischen Robert Pattinson, wenn er sich den grellen Blitzlichtgewittern dieser Welt stellt. Einen Vorteil hat Edward gegenüber seinem Darsteller: Sein Ruhm ist – wie er selbst – unsterblich.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News