New Line Cinema und der wütende Produzent

15.08.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Robert Shaye & New Line Cinema
New Line Cinema/moviepilot
Robert Shaye & New Line Cinema
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Moviepilot-User Joone44 widmet sich in seinem Text einem bemerkenswerten Produzenten, der vielen Menschen gar nicht so sehr bekannt ist, obwohl er nachhaltigen Einfluss auf die Filmwirtschaft hatte.

Robert Shaye ist 73 Jahre alt, hat bei vielen erfolgreichen Filmen mitgewirkt und auch den ein oder anderen Preis bekommen. Nein, er ist kein Schauspieler. Regie führt er bloß, wenn ihm danach ist. Robert Shayes Name steht aber irgendwo klein im Abspann von Filmen wie Magnolia, Hairspray und der Herr der Ringe-Trilogie. Präzise ausgedrückt: Er ist Produzent. Ein sehr launischer, um genau zu sein. Mit New Line Cinema hat er das größte unabhängige Studio in Hollywood errichtet. Seine Geschichte könnte in einem Malen-nach-Zahlen-Klischeebuch für angehende Geschäftsleute stehen:

1967 in New York: Der 27jährige Robert Shaye gründet New Line Cinema als Vertriebsfirma. Das vorübergehende Ziel für ihn war es, den wachsenden Markt ausländischer Filme an die amerikanischen College Campusse zu bringen. Niemand kennt ihn. Viele Mitarbeiter hat er auch nicht. Sein Büro befindet sich irgendwo zwischen seinem Wohnzimmer und seiner Küche. Doch noch im selben Jahr sichert er sich die Rechte an dem Film Late August at the Hotel Ozone.

Robert Shaye hat während seines Studiums von den Filmen geträumt, die er später einmal drehen wollte. 1976 konnte sich New Line auch ihren ersten Spielfilm leisten, der unter dem Namen Stunts veröffentlicht wurde. Der Film war am internationalen Markt ein kleiner Triumph, trotz schlechter Kritiken.

Acht Jahre später stand Shaye jedoch in finanzieller Not. Der Umzug ins neue Büro hätte nach kurzer Zeit womöglich mit dem Einräumen der Kisten sein Ende genommen. Aber zum Glück kam ihm Wes Craven entgegen und New Line erhielt die Rechte an Freddy Kruegers Albträumen. Eine neue Horrorikone wurde geboren und schnitzte sich mit Messerfingern in Nightmare – Mörderische Träume durch die Kinoleinwände. Mit einem kleinen Budget von 1.8 Millionen Dollar konnte der Film 22.5 Millionen an den Kinokassen einnehmen und so blieb New Line Cinema vor dem befürchteten Ruin verschont. Die Jahre vergingen und Shayes Firma konnte sich dank nachfolgender Nightmare-Fortsetzungen über Wasser halten und hat für die Franchise sogar den Spitznamen „The House that Freddy Built“ erhalten.

1987 wurde die Produktionsfirma 20 Jahre alt. Und danach konnte sich New Line auch so langsam von Freddy lösen und sich anderen Projekten widmen. So folgten später Kassenerfolge wie Hairspray oder Turtles, der mit einem weltweiten Einspielergebnis von 200 Millionen $ der bisher erfolgreichste Film ist, der von einem Independent Label herausgebracht worden ist. Zwei Fortsetzungen entstanden danach.

Im Jahr 1993 zeigte Ted Turner Interesse für die eigenständige Firma und konnte Robert Shaye für sich gewinnen. So wurde New Line Cinema Teil vom Turner Broadcasting System und war neben Warner Bros. und Warner Independent Pictures der dritte Filmverleih im Konzern. New Line Cinema blieb trotzdem eigenständig und die ganz großen Erfolge sollten erst kommen. Peter Jackson gehörte zu den wenigen, die sich J.R.R. Tolkiens „Der Herr der Ringe“-Bücher stellen wollte. Der Autor selbst hat die Rechte damals für eine kleine Summe verkauft, nur damit Disney sie nicht verfilmen konnte, deren Filme Tolkien übrigens verabscheute. Ohnehin galt die Buchreihe als unverfilmbar, doch New Line Cinema ging das Risiko ein und Der Herr der Ringe: Die Gefährten wurde zu einem weltweiten Milliardenerfolg, der 13 Oscarnominierungen erhielt.

Bis 2008 war New Line Cinema das erfolgreichste Filmstudio in Hollywood, das Unabhängigkeit als Markenzeichen trug. Doch eben in diesem Jahr wurde bekannt gegeben, dass Schluss ist mit der Eigenständigkeit. Warner Bros. schluckte New Line Cinema endgültig. Von den 600 Mitarbeitern mussten 450 gehen. Robert Shaye und sein Partner Michael Lynne, der 1983 New Line beigetreten ist und 1990 zum Vorsitzenden wurde, sind zurückgetreten. Die Leitung wird seitdem von Toby Emmerich übernommen, der seit 2000 einen Großteil der Filme von New Line mitproduzierte.

Robert Shaye ist nebenbei bemerkt einer der wenigen Produzenten, der auch gegenüber seinen Mitarbeitern trotzige Worte austeilt. Während eines Conference Calls, bei dem er mit Vince Vaughn über eine geplante Spin Off-Show von Die Hochzeits-Crasher diskutierte, sagte Vaughn, dass er sich dabei nicht „komfortabel“ fühlen würde. Shaye reagierte auf seine Aussage genervt: “Du willst, dass du es gemütlich hast? Dann sende ich dir eine Decke und einen Korb voller Muffins!” Nach einigen Sekunden sprachloser Funkstille endete das Gespräch. Das ist aber bloß eine von vielen Auseinandersetzungen. Aufgrund eines Gagenkonflikts mit Peter Jackson äußerte sich Robert Shaye knallhart: „Solange ich dieses Studio leite, wird dieser Mann nie wieder einen Film für New Line drehen!“

Auch wenn Michael Lynne und Robert Shaye fürs Erste von der Bildfläche verschwunden sind: Um die Produzenten bleibt es noch lange nicht still. Im Juni 2008 haben die beiden angekündigt, ein neues Studio zu gründen. Diesmal unter dem Namen Unique Features. Das Buch „Shiver“ soll dabei als Grundlage für den ersten Film ihres „New“ New Line Cinemas herhalten. Für die beiden Hollywood-Veteranen sind diese Kapitel jedenfalls hiermit offiziell beendet. Ohne Eigenständigkeit macht das Filmgeschäft einfach keinen Spaß.


Vorschau: Peter Jacksons Hobbit-Trilogie wird schon jetzt kontrovers diskutiert. Nächste Woche präsentiert ein User seine Sicht auf die Dinge.


Dieser Text stammt von unserem User Joone44. Wenn ihr die Moviepilot Speakers’ Corner auch nutzen möchtet, dann werft zuerst einen kurzen Blick auf die Regeln und schickt anschließend euren Text an ines[@]moviepilot.de

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