Shadow and Bone führt die Neflix-Fans an der Nase herum: Der Mittelpunkt der Serie ist nur ein Trick

10.05.2021 - 16:38 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Shadow and Bone: Die Buch-Vorlage Goldene Flammen & mehrNetflix
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Die Fantasy-Serie Shadow and Bone ist augenscheinlich ein großer Erfolg für Netflix - und zwar verdient. Nur die zentrale Romanze ist so inhaltsleer, dass es an Betrug grenzt.

Shadow and Bone - Legenden der Grisha scheint als Fantasy-Highlight für Netflix bisher bestens funktioniert zu haben: Seit ihrem Start am 23. April 2021 führt die Serie die Top Ten des Streamingdienstes an. Und dabei handelt es sich nicht nur um leeren Hype.

Die Umsetzung von Leigh Bardugos Grishaverse-Büchern versteht es, eine mal blutrünstige, mal düstere, mal auch bunte oder herzhaft komische Welt greifbar zu machen. Von der silbernen Gürtelschnalle bis zur dampfenden Lokomotive ist am Look der Serie nicht zu mäkeln. Ganz zu schweigen von der durchgängig erstklassigen Leistung der Hauptbesetzung. Nichtsdestotrotz gibt es Schwächen - und eine wurmt mich ganz besonders. Vorsicht, Spoiler!

Netflix' Shadow and Bone: Die zentrale Liebesgeschichte funktioniert nicht

Es geht mir um die Liebesgeschichte zwischen den Hauptfiguren Alina (Jessie Mei Li) und Mal (Archie Renaux). Beide sind gemeinsam in einem Waisenhaus aufgewachsen und dienen zusammen im Krieg ihres Heimatlandes Ravka in der Armee. Als sich Alina als messianische Retterin ihres Landes entpuppt, trennen sich die Handlungsstränge allerdings. Was zunächst gar nicht schlimm ist.

Freunde oder Liebespaar? Mal und Alina

Im Gegensatz zur Buchvorlage wird die Liebe zwischen beiden nämlich erstmal als ultraplatonisches Verhältnis ohne Knutschen und eindeutig romantische Momente inszeniert. Das Problem ist allerdings, dass die Autor:innen uns die Verbindung zwischen beiden als absolutes Nonplusultra an Seelenverwandtschaft unter die Nase halten, ohne sich um die Ergründung dieser Beziehung besonders zu kümmern.

Die Fantasy-Rückblicke in Shadow and Bone bleiben inhaltsleer

Über den gesamten Verlauf der ersten Staffel bekommen wir traumartige Bilder aus der harten Kindheit der beiden in einem ländlichen Waisenheim zu sehen. Auch als sich Alina als potenzielle Grisha-Heilige entpuppt und vom düsteren General Kerrigan (Ben Barnes) zu sich geholt wird, werden uns diese Erinnerungen wieder und wieder vorgehalten - und bleiben doch irgendwie bedeutungslos.

In erdigen Bildern lächeln sich Klein-Alina und Klein-Mal an, bringen Opfer füreinander oder fliehen vor der strengen Aufseherin. Das ist herzergreifend, aber am Ende auch inhaltsleer - denn es erzählt nichts über die Grundlage ihrer Zuneigung. Wie haben sie sich kennen- und lieben gelernt? Was genau bedeuten sie füreinander? Darauf gibt es keine Antworten, stattdessen sehen wir Konsequenzen einer Liebe, deren Grund wir nicht kennen.

Netflix-Hülle: Alina und Mal definieren sich vor allem durch ihre Beziehung

Verstecken sich: Alina und Mal als Kinder

Die dadurch ins Klischee tendierenden Erinnerungsszenen wären halb so wild, aber leider verhält es sich in der Story-Gegenwart nicht anders. Wenn Alina und Mal sich treffen, schäkern sie miteinander, schauen sich tief in die Augen oder zanken, aber so richtig Fleisch ist an ihrer Beziehung nicht dran. Was umso blöder ist, denn gerade Mal wird als Figur weitestgehend durch diese Beziehung definiert.

So scheint der junge Soldat über die ganze erste Staffel hinweg keinen anderen Antrieb zu haben als die Sorge um Alina. Sein Tagesplan besteht darin, Alina nachzujagen, ihr Briefe zu schreiben oder für sie einen mystischen Hirsch inmitten eisiger Wälder zu erlegen. Ansonsten prügelt er sich gelegentlich. Aber das war es dann auch.

Trennung der Shadow and Bone-Figuren treibt Entwicklung voran

Und Alinas Geschichte wird erst so richtig interessant, als sie sich vom weit entfernten Mal ab- und dem düsteren Schönling Kerrigan zuwendet. Nun ist sie etwas anderes, eine Anführerin, eine Retterin, eine Märtyrerin vielleicht oder eine Wahnsinnige, aber nicht mehr die Unschuld vom Lande mit ihrem viel zu lang ausgehaltenen High-School-Freund.

Romanze in Os Alta: Alina und Kerrigan

Auf die Bindung zwischen beiden zu setzen ergibt für die Serie zugegebenermaßen Sinn: Durch ihre schmerzhafte Trennung werden uns neue Gebiete wie die Hauptstadt Os Alta oder das Fjerda-Grenzland erschlossen und wir erfahren die Standesunterschiede zwischen Grisha und einfachen Soldat:innen.

Aber so lange weder die Liebesgeschichte noch die Figuren selbst - vor allem die Figur Mal - mit glaubhaften Inhalten gefüllt wird, wirkt die Beziehung der beiden wie ein billiger Worldbuilding-Trick statt wie eine lodernde Amour fou. Und das hat Folgen für die Serie.

Die Schwäche der Lovestory hat in der Netflix-Serie harte Konsequenzen

Sowohl Mal als auch Alina wirken nebeneinander bisweilen grotesk kontrastlos: beide sind herzensgut, pflichtbewusst und trotz ihrer harten Waisenkindheit stellenweise wahnsinnig naiv. Das passt nicht zu anderen, viel spannenderen Entwicklungen, etwa wenn Mal das blutige Massaker an seinen Freunden überlebt oder Alina sich Kerrigan annähert.

Mal verliert im Krieg seine Freunde

Die blasse Beziehung der beiden in der Mitte der Story lässt die anderen Stränge, etwa das Abenteuer der Krähen oder die knospende Beziehung zwischen Hexenjäger Matthias und Grisha Nina, umso spannender wirken. Aber will eine Serie wirklich ein klaffendes Loch als Zentrum der eigenen Plotentwicklung haben?

Shadow and Bone hätte Alternativen gehabt

Ohne die Buch-Vorlage genauestens zu kennen, kann ich als Alternative zur lahmen Lovestory immerhin eines vorschlagen: Stärkere Figuren mit stärkerem Willen, mehr eigenen Interessen und weniger disneyesker Unschuld.

Wie wäre es etwa, wenn man die Wut der beiden über die Trennung mehr betont hätte? Wenn Mals verrohendes, gegenüber Alinas Grisha-Privilegien demütigendes Soldaten-Handwerk mehr Platz gefunden hätte? Oder die Serie einfach mehr gezeigt hätte, was Alina an Dunkeltyp Kerrigan gefällt? Ist ja schließlich ein Schnuckelchen.

Spannender als die Haupt-Lovestory: Das Abenteuer der Krähen Jesper, Inej und Kaz

Aber so trägt die dahinwabernde Schelmerei zwischen Alina und Mal nur zu einem großen Manko der Serie bei, nämlich der immens langen (und bisweilen langweiligen) Welten-Exposition auf Kosten der Plot- und teilweise auch der Figurenentwicklung.

Zugegebenermaßen ist das ein häufiges Problem erster Staffeln: Eine ganze Welt muss um den Zuschauenden herumgebaut werden, da fallen manche Dialoge und Beziehungen schon mal etwas flacher aus. Umso sehnlicher sollten Fans also auf Staffel 2 hoffen: Auch ein billiger Trick kann sich zum großen Plotantrieb mausern.

Was haltet ihr von Alina und Mal in Shadow and Bone?

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