Mother's Day & Co.: Wie Hollywood sich Mütter vorstellt

25.08.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Mutti ist die (erst)beste...
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Mom-Coms sind der letzte Schrei. Im doppelten Sinne, denn das Bild, das Hollywood uns da von Müttern vermittelt, schreit zum Himmel und zeigt, dass das Muttersein eine Rolle ist, in der man nichts gewinnen kann.

Man muss Garry Marshall, dem Créateur deluxe für süße Rom-Coms, eines lassen: Er vermag es, mit seinen Filmen sehr viszerale Erfahrungen zu schaffen. Sein neuster und letzter Film Mother's Day - Liebe ist kein Kinderspiel zum Beispiel hat mir das große, körperlich fühlbare Bedürfnis gegeben, mir sofort aus präventiven Gründen die Eierstöcke eigenhändig zu entnehmen. Der Film hat mir mehr Angst und Pein beschert als sein abgründiger Horrorfilm-Namensvetter aus den 80ern.

Mother's Day - Teaser Family (Deutsch) HD
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Dabei ist Mother's Day eigentlich nur ein ganz typischer Hollywood-Film mit Müttern. Nur eben so viele Mütter auf einmal, dass eines ganz offensichtlich wird: Man kann es als Mutterfigur nicht richtig machen. Egal welche mütterliche Klischeerolle man zugesprochen bekommen hat, man ist und bleibt ein trauriger Stereotyp. Nehmen wir Mother's Day und Bad Moms, der am 22.09. startet, zum Anlass, die Klischees unter die Lupe zu nehmen:

Achtung, es folgen Spoiler zu Mother's Day und Bad Moms.

Die Arschloch-Mutter

Dieser hollywood'sche Mutter-Typ ist fast immer reserviert für Mütter, deren Kinder schon erwachsen sind. Sie verabscheut alles, was die Kinder machen und kann es einfach nicht gutheißen. Dabei muss man sie aber trotzdem gefälligst lieben, denn Mutter ist und bleibt Mutter. Die Arschloch-Mutter in Mother's Day ist ein ganz besonderes Exemplar von feinstem White-Trash-Klischee aus Texas. Campingwagen, heftiger Akzent und Bierbüchse inklusive. Auch wenn Mutti den indischen Ehemann ganz schlimm findet und völlig ausflippt, als sie erfährt, dass die andere Tochter lesbisch ist, muss sie am Ende doch geliebt werden. Denn die Familie muss immer über alles gehen.

Die Homo-Mütter

Eine Neuerung der Hollywood-Komödie: Für Diversität streut man jetzt auch hier und da mal lesbische Mütter mit ein. Aber nicht wirklich als Mütter, eher als Token, damit man ein Häkchen machen kann bei "nicht komplett heteronormativ". Die beiden lesbischen Mütter in Mother's Day werden dabei dann trotzdem schön in die Bahnen der üblichen Kleinfamilie gebracht. Die eine wird versehentlich misgendered und als Mann bezeichnet, weil sie einen Hauch herber aussieht (asymmetrischer Haarschnitt = Hardcore-Lesbe?), die andere hat die Haare schön und ist natürlich "die Frau" in der Beziehung. Ansonsten finden sie aber als Mütter gar nicht statt, sondern springen nur ab und an ins Bild, um einen Satz oder zwei zu sagen. Wir sehen sie nicht als Familie.

Die Helicopter-Mutter

Eine wunderbare Adaption des Stereotyps "hysterische Frau", die an der Angst vor Kontrollverlust leidet und deshalb das Kind 24/7 betüdeln muss. Mother's Day liefert hier aber auch gleich den Grund für die psychische Störung. Die Ärmste wurde adoptiert und kennt ihre eigene Mutter nicht. Da muss sie ja verrückt werden, denn ohne Mutter geht absolut gar nichts. Aber hat sie nicht eine Adoptivmutter? Na, das gilt ja nicht. Und ohne eine Verbindung zur leiblichen Mutter, kann keine Frau eine wirklich gute Mutter sein, wie der Film suggeriert. Da kommen wir gleich zu einem weiteren herrlichen Klischee:

Die Karrierefrau

Wenn man kein Kind haben kann oder es einem weggenommen wird (die Idee keines zu wollen, findet so gut wie nie statt), dann macht die Frau halt Karriere. So wie Julia Roberts, die in Mother's Day beim Verkaufsfernsehen Anhänger zum Muttertag verkauft. Sie ist, so stellt sich bald raus, die Mutter der Helicopter-Mum, die ihr als Kind weggenommen wurde. Und weil sie ansonsten nichts mit sich anzufangen wusste, gab es dann auch nie eine neue Liebe, es gab keinen Partner, keine Beziehungen, keine Kinder - zur Strafe quasi. Fun Fact: Karrierefrauen bekommen immer einen strengen Haarschnitt, der nebenbei noch dezent betont, dass diese Frauen hart und maskulin sind.

Die hübsche Mutter

Die attraktive Mutter - meist nur auf ihr Äußeres reduziert und im Pornobereich auch MILF ("Mom I'd like to fuck") genannt - kommt immer vor. Gern als alleinstehende Frau oder, wie in Mother's Day, als neue und viel jüngere Ehefrau, die der Ex-Frau gern zeigt, wie alt und unattraktiv diese ist. Die neuen Kinder finden sie natürlich super, der Ehemann auch und das Publikum sowieso. Das liegt aber vor allem daran, dass sie in jeder Szene Klamotten trägt, die sie mehr wie ein Pornosternchen aussehen lassen. Ansonsten scheint sie mit Kindern immer gut klar zu kommen, was meist daran liegt, dass sie selbst noch nicht so lange aus dem Alter raus ist.


Die Schlampen-Mutter

Nicht verwechseln sollte man sie aber mit der Schlampen-Mutter. Ein besonders hervorragendes Exemplar ist in Bad Moms zu finden. Schlampen-Mütter sind welche, die sich nicht die ganze Zeit um Kinder und Haushalt, etc. kümmern, sondern gern Spaß haben. Und zwar explizit sexuellen Spaß. Was erlauben die sich!


Die submissive Mutter

Das klassische Hausmütterchen und Pendant zur Schlampenmutter. Diese Mutter ist submissiv, macht alles was ihr Mann ihr sagt, hat absolut gar kein Selbstbewusstsein, weil sie das wahrscheinlich mitsamt den (meist viel zu vielen) Kindern rausgepresst hat und dementsprechend kaum Freunde. Diese Art von Mutter ist gerne Zielscheibe des Spottes, vor allem von anderen Müttern (siehe Kristen Bell im obigen Clip).

Die überforderte Mutter

Der folgende Ausschnitt sagt alles, oder?


Überforderte Mütter sind lustig. Und so würdelos, dass man sogar den alten Bananen-Slapstick nochmal rausholen kann. Das hat man also von der Emanzipation. Man wollte ja unbedingt weiter arbeiten und Kinder haben. Natürlich kann das nicht klappen.

Die Alleinerziehende

Als Mutter alleine Kinder zu erziehen wird gerne als etwas Unnatürliches und Kaputtes dargestellt. Single-Mütter wirken meist überfordert und traurig. Sie tragen unsexy BHs und weinen. Wenn sie außerdem geschieden sind, wie Sandy (Jennifer Aniston) in Mother's Day, dann müssen sie natürlich noch damit kämpfen, dass sie nicht nur single, sondern auch "alt" (über 28 Jahre) sind. Aber nichtsdestotrotz schaffen Mom-Coms diese Anomalie immer ab. Und dafür gibt es nur eine ganz konkrete Lösung: Verschafft der überforderten Single-Mutter einen guten Mann! Und ein guter Mann ist hier wie auch in Bad Moms ein Witwer mit Kindern.

Der Wert der Frauen

Diese Masse an immer denselben Stereotypen kann man an nur zwei Mom-Coms ablesen. In ihrer Gesamtheit zeichnen sie ein Bild von Frauen und Müttern, das letztendlich, egal welche "Art" Mutter man ist, immer dazu führt, als Mutter zu versagen. Keine hat das eigenartige "Gesamtpaket", dass hier in allen einzelnen Teilen immer mitgedacht und suggeriert wird. Denn es ist dieses nicht-existente Gesamtpaket, das erst einen Mangel herstellt. Damit propagieren diese Filme unter dem Deckmäntelchen einer Komödie immer nur eine Aussage: Mütter und Frauen im Allgemeinen sind nicht genug. Man kann nicht Mutter und Frau, karrierebewusst und Mutter, nicht-konform und Mutter etc. sein. Mann muss sich entscheiden. Und selbst wenn sich eine Frau entscheidet, Mutter zu sein, hat sie verloren. Denn dann ist sie "nur" Mutter, aber eben nicht mehr Sexualobjekt etc.

Egal was die Frau macht, sie verliert. Und hat sie keine Kinder, hat sie trotzdem verloren. So what's a girl to do?

Die Hauptfigur in Mother's Days wird von Jennifer Aniston gespielt, was die ganze Sache eigentlich noch bitterer und grotesker macht. Aniston ist eines der Lieblingsopfer der Klatschpresse, seit ihrem Erfolg durch die Serie Friends und ihrer Heirat mit Brad Pitt. Diese macht sie bis heute zu nichts weiter als zu der "Frau vor Angelina Jolie" und damit auch zu der "Frau ohne Kinder" im Gegensatz zu ihrer Nachfolgerin. Fast täglich gibt es Klatsch-Reportagen über sie und die meisten spekulieren, nunmehr seit Jahrzehnten, über ihren Uterus und dessen Nichtnutzung ihrerseits. Anistons potentieller Mutterstatus ist dabei jeweils ausschlaggebend für ihren Wert als Mensch. Da sind ihre Errungenschaften der letzten Jahrzehnte nebensächlich. Die Herabsetzung ihrer Person ist inzwischen so unerträglich, dass sich Aniston selbst dazu in einem offenen Brief geäußert hat:

Vor allem dieser letzte Monat hat mir gezeigt, wie sehr der Wert von Frauen auf ihrem Beziehungsstatus und ihrem Dasein als Mutter basiert. Die bloße Anzahl an Ressourcen, die von der Klatschpresse darauf verwendet wird, aufzuzeigen, ob oder ob ich nicht schwanger bin, zeigt, dass die Idee, dass Frauen irgendwie nicht komplett, unglücklich oder nicht erfolgreich sind, wenn sie nicht verheiratet sind und keine Kinder haben, immer noch aufrecht erhalten wird.

Stimmt. Und wenn sie dann Kinder haben, wird ihr Wert an einer anderen Skala gemessen - einer, die völlig unmöglich zu erfüllen ist, denn sie erwartet, dass jede Frau die perfekte Mutter ist aber gleichzeitig noch die perfekte Ehefrau, das perfekte Sexobjekt und - wenn denn Karriere ein Thema ist - die perfekte Angestellte.

Mother's Day und Bad Moms sind nicht einfach nur zwei Mom-Coms, bei denen eine Gruppe männlicher Drehbuchautoren mal ein bisschen ironisch auf das Muttersein blickt. Nein, sie sind Teil einer toxischen Kultur, die Frauen und ebenso Männern permanent eintrichtert, dass Frauen grundsätzlich keine vollwertigen Menschen sind, sondern dass sie erst akzeptiert werden sollten, wenn sie all die tausend Dinge gemacht haben und repräsentieren, die die Gesellschaft von ihnen erwartet.

Das einzig Gute daran ist: Egal ob Mutter oder nicht, eine Frau kann das Spiel nur verlieren. Sie verliert also nichts, wenn sie es einfach gar nicht mitspielt.

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