Monster ist eine der kontroversesten Serien unserer Zeit. Das Werk von Ryan Murphy und Ian Brennan verbindet virtuos bizarre Außenseitergeschichten und schaurig-schöne Horror-Bilder. Aber seit Staffel 1 werfen ihr Zuschauer:innen vor, Serienkiller zu glorifizieren und deren Opfer zu verunglimpfen. Stimmt das?
In Monster Staffel 3 erzählen Produzent Murphy und Showrunner Brennan die Geschichte von Ed Gein, einem Mann, der Frauen tötete, zerstückelte, häutete und aus der Haut Masken und Anzüge herstellte. Das zu zeigen, ist logisch. Es zu ästhetisieren, fragwürdig. Aber dann die Ästhetisierung, Verunglimpfung und Instrumentalisierung von Gein durch Hollywood zu kritisieren, ist eine heuchlerische, bodenlose Frechheit.
Darum geht's in Monster: Die Geschichte von Ed Gein
Monster Staffel 3 dreht sich um Ed Gein (Charlie Hunnam), der Anfang des 20. Jahrhunderts im ländlichen US-Bundesstaat Wisconsin aufwächst. Seine strenge Mutter verbietet ihm oft den Kontakt zu anderen Jugendlichen, insbesondere zu Mädchen und Frauen. Er entwickelt eine Obsession zu ihr.
Schaut hier den Trailer zu Monster Staffel 3:
Nach ihrem Tod ist er auf seiner Farm allein. Was er dort anstellt, erfahren wir bei seiner Verhaftung 1957: Er wird wegen des Mordes an zwei Frauen verurteilt. Mehrere weitere hat er auf einem nahen Friedhof ausgegraben und mit nach Hause genommen. Aus der Haut der Leichen hat er diverse Gegenstände hergestellt oder groteske Andenken gefertigt.
Die Monster-Macher zeigen Ed Gein durch die Linse Hollywoods
Die 3. Monster-Staffel klappert allerdings nicht allein die Stationen von Geins Leben ab. Vielmehr zeigt sie ihn als Vorbild für die Filmmonster mehrerer Regisseure, darunter Alfred Hitchcock (Psycho) und Tobe Hooper (Blutgericht in Texas), die tatsächlich sogar als Figuren in der Serie auftauchen. Sie zeigt ihn auch als Magnet für eine gewaltlüsterne, von der Presse aufgepeitschten Öffentlichkeit, die bei einem Ausverkauf gierig die Gegenstände aus seinem Haus beschielt und besitzen will.
Die Hitchcock- und Hooper-Etappen zeigen nicht nur interessierte Künstler, die sich mit einem unvorstellbaren Verbrechen auseinandersetzen. Wie viele Figuren Murphys und Brennans handelt es sich um Karikaturen, die stark unsympathische Züge tragen.
Hitchcock, selbst ein übergriffiger Voyeur, ergötzt sich am Ekel seiner Zuschauer. Skrupellos instrumentalisiert er bei den Dreharbeiten zu Psycho die psychischen Probleme seines Schauspielers Anthony Perkins (Joey Pollari) für eine authentische Darstellung. Eine blutdurstige Öffentlichkeit ist am Ende so versessen auf seinen Film, dass Hitchcock wie Perkins nur noch Angebote für gruselige Schocker erhalten.
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Etwa 15 Jahre später nutzt Tobe Hooper Ed Gein als Inspiration für seine Figur Leatherface im Kultfilm Blutgericht in Texas. Hooper wird als kiffender Dummschwätzer inszeniert, den Psycho "langweilt", weil die "Muschi" von Darstellerin Janet Leigh nicht zu sehen ist. Und der den Vietnamkrieg zum Vorwand nimmt, um seine Gewaltfantasien künstlerisch auszuleben.
In Monster Staffel 3 ist Ed Gein das Symbol einer blutrünstigen Gesellschaft
Solche unterschiedlichen historischen Linsen über die Figur Gein zu schieben, ist eigentlich eine tolle Idee. Aber Brennan und Murphy wollen nicht einfach nur den künstlerischen Umgang mit der Figur thematisieren, sondern die Wirkung von Geins Taten auf eine Öffentlichkeit zeigen.
Das wird deutlich in der Szene mit dem Ausverkauf von Geins Nachlass nach seiner Verhaftung: Deputy Frank Worden (Charlie Hall), dessen Mutter von Gein getötet wurde, verkauft dessen Besitztümer für Geld. Marktschreierisch preist er dessen Auto, dessen Stühle und angebliche Mordwaffen an. Als ihn sein gläubiger Vorgesetzter Art (Tyler Jacob Moore) aufhalten will, entgegnet er:
Du musst aufwachen, Art. Das hier ist nicht mehr dein Amerika. So [dazu zeigt Brennan Bilder von sensationsgierigen Käufern, die Geins Gegenstände zusammenraffen] sieht dieses Land jetzt aus, ob du willst oder nicht. Es ist voller Krankheit. Seit dem Krieg stecken die Menschen voller Blutdurst.
Wieder und wieder beschwören Brennan und Murphy genau diese Ansicht: Das Amerika des 20. Jahrhunderts hat sich in ein Land abgestumpfter, aber blutgeiler Voyeure verwandelt. Grundsätzlich kann man diese Ansicht teilen, und zwar mit guten Argumenten. Aber dann darf man nicht bedienen, was man angeblich verurteilt.
Monster: Ed Gein liefert die Gewalt und verurteilt die Fans für ihre Lust daran
Denn genau das tut Monster Staffel 3 mit vielen Szenen in jeder einzelnen Folge: das Groteske und Blutige ästhetisieren. In Zeitlupe und warmen Farben schmiert Gein die Leiche eines jungen Mädchens mit einer schleimigen Flüssigkeit ein. Zu sanften klassischen Klängen vollzieht er den Akt mit einer Leiche.
Als er die Chefin seiner Psychiatrie (Linda Reiter) mit einer Kettensäge tötet – und sei es auch nur im Traum – könnte die Inszenierung genauso gut aus einem Slasher wie Scream - Schrei! oder Final Destination stammen. Die Farben sind grell, die Kamera verkantet, alles ist stilisiert bis in den letzten Spritzer Blut.
Brennan und Murphy sind ebenso fasziniert von Gein, wie es ihrer Ansicht nach Hooper und Hitchcock waren. Und sie verklären und verkünsteln ihn genauso wie ihre Vorgänger. Aber sie übernehmen dafür keine Verantwortung, im Gegenteil: Sie haben die Dreistigkeit, ihr eigenes Publikum für seine Lust am Blutvergießen vorzuführen. Denn dieses Amerika des 20. Jahrhunderts ist kein historisches oder nationales Phänomen, sondern nur die Vorstufe zu der heutigen, noch deutlich abgestumpfteren, westlichen Gesellschaft.
Andere Perspektive:
Diese Stoßrichtung von Murphy und Brennan ist am Ende nicht nur heuchlerisch und arrogant – sie beraubt die neue Monster-Staffel auch einer Aussage. Denn wenn eine Serie Gein zum Idol einer blutrünstigen Gesellschaft macht und diesen Blutdurst dann mit Gein bedient, führt jede Kritik ins Nichts. Die beiden Produzenten sind Mittäter an dem Akt, den sie kritisieren. Und so bleibt nach Monster Staffel 3 auch keine Lehre zurück. Sondern vor allem Wut auf so viel Verachtung.