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Mein Doppelstandard

23.09.2014 - 12:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Wie fällt man denn nun faire Urteile?
Dreamworks
Wie fällt man denn nun faire Urteile?
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Es ist nicht einfach einem Film eine faire Note zu geben. Sternchen- und Punktwertungen fühlen sich eindimensional und viel zu simpel an. Mein Ausweg ist der "Anstrengung-Nutzen"-Quotient.

Ich glaube nicht an Objektivität, wenn es um die Bewertung von Kulturgütern geht. Die Zahlen, die wir täglich für Film- und Seriendienste produzieren mögen Objektivität vorgaukeln, aber sie lenken davon ab, dass Filme vielschichtig und Menschen verschieden sind. Das ist eine grundlegende Feststellung, die ich vorausschicken muss, bevor ich zum eigentlichen Thema komme. Wer den Heiligen Gral wirklich wahrer, omnipotenter Filmbewertung sucht, ist hier falsch. Hier geht es um einen Weg, für sich selbst zu entscheiden, ob einem ein Film gefallen hat oder nicht.

Das klingt im ersten Ansatz banal, aber ist es das auch? Filme gibt es in dermaßen vielen Geschmacksrichtungen, dass es schwer fällt, einen Überblick über alle Genres zu behalten. Ich muss also einen Weg finden, um Her mit Guardians of the Galaxy zu vergleichen oder Holy Motors mit Transformers. Die sollen schließlich alle auf die selbe Skala. Ich kann natürlich hingehen und erklären, ich sähe mir nie französische Filme an und Michael Bay schon gar nicht, aber ist das die Lösung?

Ich mag Sharknado. Ich mag Snowpiercer. Ich mag Only Lovers Left Alive. Ich mag Grand Budapest Hotel. Alles gleichzeitig. Das ist halt so. Ich vermeide sogar den Begriff Guilty Pleasure, weil ich mich nicht schuldig fühlen will, nur weil ich gerne mal seichte Kost gucke. Ich mag Vertigo nicht. Das klingt hart, aber der Film, der von vielen als bester Hitchcock und sogar bester Film überhaupt gehandelt wird, hat mich buchstäblich eingeschläfert.

Er war mir zu anstrengend und hat mir zu wenig gegeben. Man kann nämlich auch leichtfüßig und sehr zugänglich erzählen, ohne die Botschaft zu vernachlässigen. Ich stelle mir also nach jedem Film zwei Fragen:

1. Hat der Film mich unterhalten?

Damit ist keine tiefe, intellektuelle Lust in Schillers Sinne gemeint, sondern die oberflächliche, affekthafte Unterhaltung. Habe ich gelacht? Habe ich mitgefiebert? Hatte ich Spaß?

2. Nehme ich etwas aus dem Film mit?

Ein Film mit tieferer Botschaft kann ganz andere Aspekte von mir selbst ansprechen, als eine banale Explosionsorgie. Selbst wenn die Botschaft gar nicht so tief ist, kann ich eine hineininterpretieren. Denke ich auch Tage später noch über den Film nach? Hat er Gedanken angestoßen? Hat er eine tiefere Schönheit?

Beide Antworten werfe ich dann in einen Topf. Wenn ein Film nur unterhält ist das meistens in Ordnung. Deshalb finde ich The Avengers gut. Er hat Witz, ein paar Explosionen und ist sogar etwas selbstironisch. Man of Steel ist bierernst und guckt ganz grimmig und die Explosionen reißen es dann auch nicht mehr raus. Deshalb finde ich Under the Skin gut. Er hat ein Alien auf Sinnsuche und eine intensive Bildsprache. Transcendence tut nur so, als gäbe es eine tiefere Botschaft und hat nichtmal viele Explosionen.

Ein perfekter Film aber kann beide Aspekte vereinen. Er unterhält oberflächlich und unter der Haut. Im Idealfall macht er es mir sogar leicht, eine Ebene auszublenden und nur von der verbliebenen zu zehren. Einen perfekten Film habe ich noch nicht gesehen, aber es gibt Beispiele, die es zumindest darauf anlegen, dieses Kunststück zu vollbringen. A Serious Man ist beispielsweise gleichzeitig urkomisch und todtraurig. Captain America 2 hat explodierende Flugschiffe und Kritik am Überwachungsstaat. Moonrise Kingdom erzählt gleichzeitig einfühlsam und lustig über Jugend und den Umgang mit augenscheinlichen Problemkindern. Django Unchained kann sowohl bumm bumm, als auch Reflexion über amerikanische Geschichte.

Einen Film, der eine leere Hülse aus Explosionen ist oder einen Film, der nur aus prätentiösem Gesabbel besteht, möchte ich nicht sehen. Ein Film, der unterhalten und erzählen kann, ist ein guter Film, denn tiefe Erkenntnisse sind nicht deshalb tief, weil sie möglichst kompliziert erklärt werden und möglichst schwer zugänglich sind.

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