Mary & Max - Filme mit Halbautisten

07.12.2010 - 08:50 Uhr
Mary & Max
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Mary & Max
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Vor einigen Tagen wurde der bitter-süße Animationsfilm Mary & Max auf DVD und Blu-Ray veröffentlicht. Ein Film, der zurecht als einer der besten des Jahres gilt und der sich in die Gruppe von Filmen einreiht, die sich dem Asperger-Syndrom widmen.

Letzten Donnerstag erschien nicht nur ein Animationsfilm auf DVD/Blu-Ray, der es wie kein anderer schafft, die Herzen der Zuschauer zu berühren, Mary & Max – oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet? behandelt zudem eine heikle Thematik, die es nur selten auf die Leinwand schafft: das Asperger-Syndrom.

Asperger-Syndrom im Film – “Ich weiß alles über Autisten, ich hab diesen Film gesehen”

Oft vermitteln Filme über Autisten wie Rain Man oder Ich bin Sam Mitleid oder Mitgefühl mit den betroffenen Protagonisten. Wirkliches Verständnis bleibt jedoch häufig auf der Strecke, auch wenn der Zuschauer seit Rain Man glaubt, sensibilisiert worden zu sein. Anders verhält es sich mit dem Asperger-Syndrom. Diese abgegrenzte und abgeschwächte Form – auch AS oder umgangssprachlich Halbautismus genannt – wird selten in Filmen thematisiert, aber sehr häufig unbewusst als Charakterisierungs-Stilmittel für skurrile Außenseiter verwendet.

Die Betroffenen erachten AS nicht als Krankheit, an dem sie “leiden”, sondern als eine andere soziale Wahrnehmungs- und Umgangsform. Menschen mit AS zeichnen sich durch Interaktions- und Kommunikationsschwächen aus, sowie durch eingeschränkte und stereotype Aktivitäten und Interessen. Das Kontakt- und Kommunikationsverhalten von Asperger-Autisten erscheint dadurch merkwürdig und ungeschickt. Nicht selten fällt das Asperger-Syndrom mit einer Hoch- oder Inselbegabung zusammen. Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass AS-Betroffene kein Interesse hätten, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Tatsächlich wissen sie nur nicht, wie sie sich mitteilen sollen, was über eine normale Schüchternheit weit hinausgeht.

Nachfolgend wollen wir euch neben Mary & Max – oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet? noch einige weitere Filme mit den etwas merkwürdigen, aber liebenswerten Eigenbrötlern vorstellen.

Mary & Max – Eine interkontinentale Freundschaft

Mary und Max verbindet eine besondere Freundschaft, die alle bestehenden platonischen und romantischen Grenzen sprengt. Der Film ist zum Schmelzen schön, steinerweichend niedlich, besitzt einen eigenen entwaffnenden Humor und zielt mit seiner tief verwurzelten Melancholie mitten ins Herz. Gegen Ende wird der Zuschauer in ein Wechselbad der ausufernden Emotionen gestürzt und in diesen Momenten beweist der Film sein einzigartiges Wesen zwischen Knuddelplastik und ernster Melancholie. Entstanden ist ein in Schwarzweiß- und Sepiatönen getauchter Film, der irgendwo zwischen dem sanften Anarchismus von Harold and Maude und der cartoonigen Liebenswürdigkeit von Wallace & Gromit – Alles Käse zu finden ist.

Asperger-Syndrom im Film – offen und direkt

Adam
Adam darf neben (500) 500 Days of Summer als der romantischste Nicht-Liebesfilm des Jahres bezeichnet werden, versteht er doch wie kein anderer, die Thematik von AS auf amüsante und doch einfühlsame Art dem Zuschauer begreiflich zu machen und in Form einer ernüchternden Liebesgeschichte zu verdeutlichen.

Ben X
Ben leidet an seiner Andersartigkeit, seitdem er denken kann. Um seinem Leben als Außenseiter zu entfliehen und mit seinem AS zurechtzukommen, verkriecht er sich Tag und Nacht in einem Online-Rollenspiel. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen dabei immer mehr.

Mozart and the Whale
Hier treffen und verlieben sich gleich zwei halbautistische Menschen (Josh Hartnett und Radha Mitchell), was eine Reihe von Komplikationen mit sich bringt. Das Besondere an Mozart and the Whale ist, dass gezeigt wird, wie autistisch Veranlagte sich in der Gesellschaft zurecht finden und was für Probleme sich diesen im Alltag stellen.

My Name is Khan
Shah Rukh Khan versucht sich als Forrest Gumps Bruder im Geiste. Ein in den USA lebender Inder, der das Asperger-Syndrom aufweist, wird mit doppeltem Rassismus konfrontiert und fühlt sich verpflichtet, dieses Unrecht dem US-Präsidenten mitzuteilen.

Snow Cake
Alex (Alan Rickman) fühlt sich am Tod eines Mädchens schuldig und möchte der Mutter (Sigourney Weaver) sein Bedauern ausdrücken. Diese scheint von dem Tod der Tochter jedoch völlig unbekümmert zu sein. Erst mit der Zeit merkt Alex, dass die Mutter durch ihr AS auf ihre eigene Weise trauert.

Asperger-Syndrom im Film – unausgesprochen und angedeutet

Die Eleganz der Madame Michel
Madame Michel lebt ihr ganzes Leben als Hausmeisterin und begnügt sich mit einer kleinen Hausmeisterwohnung, Hauptsache sie kann sich nach getaner Arbeit in ihre Bücher stürzen und ihrer Routine nachgehen. Dieser französische Film ist eine realistische, ehrliche und schöne Art, einen autistisch veranlagten Menschen darzustellen.

Lars und die Frauen
Lars (Ryan Gosling) ist der Inbegriff des ewigen Junggesellen im karierten Flanellhemd. Bis er eines Tages Post bekommt und seiner Familie seine neue Freundin Bianca vorstellt. Eine Gummipuppe, die für ihn die Welt bedeutet und die er behandelt, als wäre sie lebendig. Lars und die Frauen ist ein zutiefst sensibler und feinfühliger Film, der nicht Lars geistigen Zustand, sondern sein Schrei nach Liebe in den Mittelpunkt rückt.

Der letzte schöne Herbsttag
Mit Der letzte schöne Herbsttag kann der Zuschauer eine bitter-süße Beziehungsromanze voll entwaffnendem Charme und hintergründigen Humor zwischen zwei Mitdreißigern erleben, die beide ihr eigenes Kreuz zu tragen haben und sich durch ihre jeweiligen Psychosen auf die Nerven fallen.

Punch-Drunk Love
Barry Egon (Adam Sandler) ist bereits von alltäglichen Kleinigkeiten überfordert und kapselt sich von seinen Schwestern, die ihn ohnehin nicht verstehen, ab und wünscht sich nichts sehnlicher als Zuneigung und Liebe. Punch-Drunk Love ist ein ungewöhnlicher Film, der wie sein Protagonist über viele Ecken und Kanten verfügt, aber im Kern pure Romantik bietet.

The Social Network
Die Anfänge von Facebook verpackt The Social Network in einem Thriller, der den Gründer Mark Zuckerberg als halbautistischen, sozial unanpassungsfähigen Unsympath darstellt, der aber letzten Endes auch nur ein Opfer seiner selbst ist.

A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn, Willkommen Mr. Chance, Spanglish und Somersault – Wie Parfum in der Luft fallen ebenfalls ins unausgesprochene Halbautisten-Schema.

Asperger im Fernsehen
Wer sich schon immer fragte, was das Geheimnis von Sheldon Cooper aus The Big Bang Theory ist, der findet hier die Antwort. Sein wahnhaftes Bedürfnis nach Routine, seine sozialen Blockaden, ausgeprägte Besessenheit und Unfähigkeit, Ironie oder Sarkasmus zu erkennen, sind eindeutige Hinweise auf das Asperger-Syndrom. Auch in FlashForward, Nip/Tuck – Schönheit hat ihren Preis und besonders in Boston Legal wurden Hauptcharaktere mit einem halbautistischen Hintergrund versehen.

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