Jetzt bei Netflix: Cobra Kai nimmt toxische Männlichkeit knallhart auseinander

05.09.2020 - 10:00 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Cobra KaiYouTube/Netflix
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Cobra bei Netflix ist mehr als nur ein spätes Karate Kid-Sequel. Die unterhaltsame Serie ehrt und zerlegt gleichzeitig das Original und rechnet mit toxischer Erziehung ab.

Cobra Kai lässt keine Chance vergehen, zu sagen: Diese Serie wurde von Karate Kid-Fans gemacht und diese werden genau dafür bleiben. Doch schleichend zerlegt die Serienüberraschung von YouTube Red alte Wertevorstellungen und hat dabei keine Angst, genau dann draufzuhalten, wenn es anfängt, wirklich weh zu tun.

Ich beziehe mich dabei auf die 1. Staffel Cobra Kai, bei Netflix könnt ihr bereits Staffel 1 und 2 sehen. Der Artikel enthält Spoiler für Staffel 1 und untersucht:

  • Wie Cobra Kai mit toxischer Männlichkeit und Erziehung abrechnet
  • Wie Cobra Kai Karate Kid gleichzeitig ehrt und demontiert

Toxische Männlichkeit wurde bereits im ersten Karate Kid-Film verhandelt

Die Idee, dass ein aggressiver und unerbittlicher Erziehungsstil bei jungen Männern mehr Schaden anrichtet als hilft, wurde bereits im originalen Karate Kid-Film von 1984 aufgegriffen. Den könnt ihr übrigens in 4K bei Amazon streamen *. Dort lernen wir das für die Sequel-Serie titelgebende Dojo Cobra Kai kennen. Dem Teenie-Antagonisten Johnny Lawrence (William Zabka) wird in dem Dojo von seinem Sensei John Kreese (Martin Kove) genau diese destruktive Art eingebläut.

Karate Kid: John Kreese & Cobra Kai 1984

Das Motto des militant anmutenden Vereins (wo passenderweise nur Jungs erlaubt waren) lautet "Strike first, strike hard, no mercy" ("Schlag zuerst zu, schlag hart zu, keine Gnade") und steht damit im krassen Gegensatz zu dem friedlichen Ansatz von Karate des Filmhelden Daniel LaRusso (Ralph Macchio). Er lernt von seinem Sensei Kesuke Miyagi (Pat Morita ), Karate nur zur Verteidigung zu verwenden und damit vor allem, seine innere Kraft auszubauen.

Bereits im Film von 1984 ist das Ergebnis der toxischen Philosophie unnötige Gewalt, die der Jugend von einer älteren Generation eingetrichtert wird, aber gar nicht ihrem Naturell entspricht.

Seht den Netflix-Trailer zu Staffel 1 und 2 von Cobra Kai

Cobra Kai - S01 + S02 Netflix Trailer (English) HD
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Bei Netflix: Cobra Kai zeigt uns die Probleme von allen Seiten

Eben diesen Teenie-Antagonisten Johnny und das fragwürdige Dojo Cobra Kai zur Identifikationsfigur und zentralen Ort des 34 Jahre später angesiedelten Sequels zu machen, ist also entweder besorgniserregend oder ziemlich genial.

Im Falle Cobra Kai ist es ziemlich genial, da die Serie keine ihrer zentralen Figuren verteufelt, egal wie politisch inkorrekt und destruktiv sie agiert. Cobra Kai versucht noch viel mehr als der Film von allen Seiten zu beleuchten, woher toxisches Verhalten eigentlich kommt und welchen Schaden es bei Teenagern anrichten kann.

Cobra Kai: Johnny und Miguel

In der 1. Staffel Cobra Kai lernen wir Johnny als heruntergekommenen Alkoholiker in seinen 50ern kennen, der nicht einmal Facebook mitbekommen hat und mit Scheuklappen durchs Leben geht. Er steckt im Kopf in den 80ern fest und so benimmt er sich auch. Nach einem Wink des Schicksals eröffnet er Cobra Kai neu, um seinen jugendlichen Nachbarn Miguel zu trainieren, einen sensiblen, sympathischen und wehrlosen Außenseiter.

Johnny bringt ihm bei, mit Karate für sich einzustehen und sich zu verteidigen und Miguel versucht, Johnny up to date zu bringen in Sachen Gleichberechtigung und politische Korrektheit. Wenn die beiden nicht einer Meinung sind, gibt es einen Kompromiss: Mädchen werden im Dojo von Johnny beispielsweise nur toleriert, weil sie Geld bringen. Aber beide Seiten gewinnen.

Damit führt Cobra Kai sehr clever zwei unterschiedliche Weltsichten und Lebenswelten zusammen, die in unserer heutigen Zeit so gern unvereinbar gelten.

Cobra Kai bohrt noch viel tiefer in die Wunden von Karate Kid hinein

Doch leider bleibt es nicht dabei, dass Johnny das Selbstbewusstsein der Teenager mit Karate boostet, er schießt weit übers Ziel hinaus. Er hat seine Schüler zwar kurzfristig "abgehärtet" und ihnen Techniken, sich zu wehren, beigebracht. Er hat ihnen aber nicht geholfen, ihre Wut und ihren Schmerz zu kanalisieren.

Ganz im Gegenteil hat er verletzte und gequälte Jugendliche zu aggressiven Tätern gemacht, die im Staffel 1-Finale keine Niederlagen wegstecken können, selbst auf Verletzte eintreten und gegen die Regeln spielen.

Cobra Kai

Während sein eigener Sensei im Finale von Karate Kid noch von Johnny forderte, unfair zu kämpfen, erkennt Johnny als Sensei, dass die von ihm geforderte Aggressivität außer Kontrolle gerät. Er hat seine Schüler dazu verdonnert, seine stereotypen Vorstellungen davon, wie Männer (und später umgemünzt auf Außenseiter) zu agieren haben: Lass dir kein Nein gefallen, nimm dir, was du möchtest, koste es, was es wolle. Er gibt die Lehren von damals ungefiltert weiter.

In Cobra Kai machen alle Fehler - und das ist auch gut so

Anfänglich sympathische Außenseiter wie Miguel und Hawk werden in Cobra Kai plötzlich zu furiosen Widerlingen und anfängliche Nervtöter wie Johnnys Sohn Robbie zu denen, die sich zum Guten wandeln. Doch niemand von ihnen wird verurteilt oder auf ein Podest gehoben, da sie alle nur versuchen, sich über Wasser zu halten und zu behaupten.

Selbst unser einstiger strahlender Held, Daniel LaRusso ist in Cobra Kai anfänglich der aalglatte und überhebliche Gegenspieler mit viel zu viel Geld und Erfolg.

Cobra Kai: Daniel LaRusso

Genau wie Johnny zu seinem eigenen Sensei wird, werden die Schüler zu den Mobbern, wegen denen sie Karate ursprünglich überhaupt erst angefangen haben. Ein toxischer Kreislauf. Das Ende ist niederschmetternd.

All die eingebläute Aggressivität und das erzwungene Selbstbewusstsein haben nur kurzfristig geholfen. Der emotionale Haushalt der Jugendlichen - und auch der von Johnny - ist noch immer ein Schlachtfeld, auf dem sie unmöglich heil bleiben können.

Im Moviepilot-Podcast erfahrt ihr, warum Cobra Kai so gut ist

Jenny und Andrea ergründen im Moviepilot-Podcast Streamgestöber, warum Cobra Kai so ein geniales Karate Kid-Sequel ist:

Sie reden über Legacyquels (Erklärung gibt's im Podcast!), die originalen Karate Kid-Filme und wie Cobra Kai die Vorgänger ehrt und demontiert gleichzeitig. Sie diskutieren über die besten Figuren und geben einen Ausblick auf Staffel 3.

*Bei dem Link zum Angebot von Amazon handelt es sich um einen sogenannten Affiliate-Link. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision.

Wie hat euch die 1. Staffel von Cobra Kai gefallen?

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