Ich, Frau ohne Gewissen und die Gaskammer

18.01.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
We're both rotten.
Paramount Pictures
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Billy Wilder drückte einer ganzen Reihe von Genres seinen unverkennbaren Stempel auf. Mit Frau ohne Gewissen gelang ihm einer der abgründigsten und düstersten Beiträge zu Hollywoods Schwarzer Serie.

Bis in die 50iger Jahre galten in Hollywood strikte Vorgaben für die Spielfilmproduktion. Der so genannte Hays- oder auch Production-Code bestimmte maßgeblich, was dem amerikanischen Publikum dieser Epoche auf der Kinoleinwand zugemutet werden konnte. Hollywood versuchte, mit diesen Richtlinien den angeblichen moralischen Verfall in der Gesellschaft zu unterbinden. Für kontroversere Projekte gab es im Grunde nur zwei potentielle Auswege. Entweder verwässerten die Restriktionen die Filme in einem Ausmaß, dass die ursprüngliche Intention nicht wieder zuerkennen war, oder den Filmemachern gelang es, die wunden Punkte subversiv zu umschiffen. Das Letzteres in einem derart restriktiven System durchaus möglich war, beweist unter anderem Billy Wilders wundervoller Film noir Frau ohne Gewissen (1944). Mit einer damals als unverfilmbar geltenden Prämisse erforscht Wilder menschliche Abgründe und macht nebenbei einen vollkommen neuen Typus Frau im US-amerikanischen Kino salonfähig.

Walter Neff (Fred MacMurray) arbeitet als Versicherungsvertreter bei der Pacific All Risk Insurance Company in Los Angeles und gehört zu den Erfolgreichsten seiner Zunft. Die mustergültige Karriere nimmt jedoch ein jähes Ende, als er den Reizen der verheirateten Phyllis Dietrichson (Barbara Stanwyck) erliegt. Gemeinsam räumen sie den ungeliebten Ehemann (Tom Powers) aus dem Weg, jedoch nicht ohne ihn zuvor eine hochdotierte Lebensversicherung unterzeichnen zu lassen. Alles verläuft zunächst nach Plan, bis sich Neffs Arbeitskollege Barton Keyes (Edward G. Robinson) in die Ermittlungen einschaltet und den Beiden gefährlich nahe kommt. Verzweifelt sucht Neff nach einem Ausweg, der anscheinend nur über Phyllis Leiche führt. Doch auch die Witwe hat bereits eigene Pläne für ihren Komplizen.

Frau ohne Gewissen blickt auf eine strapaziöse Entstehungsgeschichte zurück. So ist es einem beinahe zehnjährigen Tauziehen zu verdanken, dass die abgründige Geschichte des Hard Boiled-Autors James M. Cain ihren Weg auf die Leinwand fand. Abseits der Zensur-Querelen mit dem Hays-Office bereitete insbesondere die Besetzung des männlichen Protagonisten unabsehbare Probleme. Unter anderem verweigerten damalige Schauspielgrößen wie Alan Ladd, James Cagney, Gregory Peck und Spencer Tracy ihr Mitwirken aufgrund von Neffs Charakterzeichnung. Selbst Gangsterfilm-Ikone Edward G. Robinson wollte anfänglich nicht die Rolle des cholerisch-gutherzigen Versicherungsangestellten Barton Keyes übernehmen. Dieser hatte jedoch – im Gegensatz zur Neff-Rolle – keinerlei inhaltliche Beweggründe. Vielmehr stieß sich Robinson daran, dass die Figur Barton Keyes keine Hauptrolle war. Rückblickend sicherlich eine weise Entscheidung, derartige Bedenken über Bord zu werfen. Zwar besetzte ihn Billy Wilder gegen sein landläufiges Gangster-Image, konnte aber vermutlich gerade deswegen eine der reizvollsten Performances aus dem Little Caesar-Darsteller herauskitzeln.

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