Ich, Die Reifeprüfung und Mrs Robinson

28.05.2011 - 08:40 Uhr
Mein Herz für Klassiker geht an Die Reifeprüfung
Moviepilot/Arthaus
Mein Herz für Klassiker geht an Die Reifeprüfung
Nachdem in der letzten Woche das Herz für Klassiker an Blow Up verschenkt wurde, geht meins diese Woche an Die Reifeprüfung von Mike Nichols aus dem Jahr 1967.

Die Reifeprüfung verschaffte Mike Nichols 1968 den Oscar für die beste Regie und war zudem in den Kategorien Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch (Calder Willingham und Buck Henry), Bester Hauptdarsteller (Dustin Hoffman), Beste Hauptdarstellerin (Anne Bancroft), Beste Kamera (Robert Surtees) und Beste Nebendarstellerin (Katharine Ross) nominiert. Die Gesellschaftssatire mit der berühmten Mrs. Robinson erhält von mir in dieser Woche das Herz für Klassiker.

Warum ich Die Reifeprüfung mein Herz schenkte
Es war irgendwann, mitten in der Nacht, als ich Die Reifeprüfung im Fernsehprogramm entdeckte. Mehrfach wurde ich von Freunden und Bekannten bereits darauf hingewiesen, dass ich diesen Film unbedingt einmal sehen muss. Leider funktionieren gut gemeinte Ratschläge bei mir nicht immer so einwandfrei, doch in dieser Nacht entschied ich mich dafür, nicht umzuschalten. Bereits die Titelsequenz von Die Reifeprüfung fesselte mich, als ich sah wie Dustin Hoffman auf dieser ewigen Rolltreppe den Flughafen entlang fuhr. Es war sein Gesicht, dass unzufrieden an der Kamera vorbeischaute. Die missmutige und bedrückende Stimmung zu dem Simon & Garfunkel Klassiker Sound of Silence, zu der ich mich sofort hingezogen fühlte.

Ich fand großen Gefallen an der jugendlichen Orientierungs- und Perspektivlosigkeit, mit der er ausdruckslos in Taucherausrüstung im Swimmingpool steht. Benjamin Braddock (Dustin Hoffman) weiß nicht, wohin mit sich und trotz seines hervorragenden College-Abschlusses schwankt er zwischen Gleichgültigkeit und Erfolgsdruck. Seine Gleichgültigkeit paart sich mit einer Willenlosigkeit, mit der er sich dem Erwartungsdruck seiner Eltern ausgesetzt sieht und einfach keinen Ausweg findet aus dieser beklemmenden Umgebung. Unumstritten gehört auch Dustin Hoffmans gestammeltes: Mrs Robinson, Sie versuchen mich zu verführen … oder nicht? zu meinen Lieblingsfilmzitaten.

Warum auch andere Die Reifeprüfung lieben werden
Niemand kommt an dem hervorragenden Soundtrack vorbei. Simon & Garfunkel bieten uns ein scheinbar 102 minütiges Komplett-Theme. Sowohl die instrumental Nummern als auch Titel wie “Sound of Silence” oder der Klassiker “Mrs Robinson” umschmeicheln Die Reifeprüfung mit einer melancholischen Monotonie und dem Flair der 60er Jahre. Ob der Film selbst jeden Geschmack trifft, ist zu bezweifeln, aber niemand kann den Soundtrack ignorieren.

Zudem appeliert Die Reifeprüfung an den Rebellen tief in jedem von uns. Wir alle finden uns immer mal in Situationen wieder, aus denen wir ausbrechen und uns den Normen und Erwartungen widersetzen wollen. Für Benjamin Braddock (Dustin Hoffman) ist es in Die Reifeprüfung der Ausbruch aus der subtilen Unterdrückung und den Rahmenvorstellungen seiner Eltern. Es ist die Flucht aus geregelten Verhältnissen und das Brechen von Tabus. Im Laufe des Films Die Reifeprüfung begleiten wir Benjamin Braddock auf dem Weg heraus aus seinem verklemmten Dasein, den Bruch mit seinem seriösen Elternhaus, dem Kappen der Nabelschnur. Obwohl ihm die Situation zunächst nicht ganz geheuer ist, beginnt er ein Verhältnis mit Mrs Robinson, der Bekannten seiner Eltern und der Mutter seiner eigentlichen Liebe.

Warum Die Reifeprüfung einzigartig ist
Als der Film 1967 herauskam, schrieb er Geschichte. Das, was wir heute in jedem x-beliebigen Film geboten kriegen, hat zu dieser Zeit Tabus gebrochen. Eine verheiratete Frau beginnt ein Verhältnis mit einem jungen Mann, der ihr Sohn sein könnte. Die Reifeprüfung prangert die Plastik-Gesellschaft an, die von materiellem Überfluss geprägt ist. Benjamin fühlt sich unbefriedigt von seinem dicken roten Sportwagen (ein besonders gutes Beispiel für Product Placement übrigens) und dem überschwänglichen Leben seiner Eltern. Benjamin Braddock ist Teil einer Jugend, die von Reichtum erdrückt wird, doch dadurch kein erfüllteres Leben führt.

Anne Bancroft ist ebenfalls Teil dieser Gesellschaft und lebt das Leben einer reichen und gelangweilten Ehefrau. Der Name Mrs Robinson ist Programm, denn mehr ist sie eigentlich nicht. Sie ist die Frau in einer Ehe, die sich durch mehr Schein als Sein auszeichnet, sie weiß wenig mit sich anzufangen. Während sie darauf wartet, dass ihr Mann von seinen Geschäftsreisen zurückkommt und ihre Tochter (Katharine Ross) das Haus in Richtung College verlassen hat, beginnt sie zu trinken und sich irgendwann an Benjamin heranzuschmeißen. Ben ist ihre selbstgewählte Herausforderung, mit der sie versucht, ihr eigenes Selbstwertgefühl aufzuwerten. Dazu zählt auch die beste Verführungsszene der Filmgeschichte, in der sich Mrs Robinson(Anne Bancroft) die Unschuld und Unsicherheit Benjamins zu Nutze macht. Die subtile Gesellschaftskritik funktioniert in dem Film wunderbar.

Warum Die Reifeprüfung die Jahrzehnte überdauert
Die Reifeprüfung gilt heute als Lieblingsreferenz, wenn eine ältere Dame einen jüngeren Herren verführt. Die Bezeichnung Mrs Robinson ist beinahe zu einem feststehenden Begriff für derartige Damen geworden. Erinnert ihr euch an die Szene in American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen, als Finch von Stifflers Mum das erste Mal verführt wird? Wenn ihr genau auf die Szene achtet, dann hört ihr im Hintergrund Simon & Garfunkels “Mrs Robinson”. Genauso wie der Autowerbespot, in dem sogar Dustin Hoffman wieder zu sehen war und in einer Kirche Rabatz macht. Wo die Liebe hinfällt… basierend auf einem wahren Gerücht mit Jennifer Aniston handelt von einer Familiengeschichte, die angeblich den Film Die Reifeprüfung inspiriert haben soll.

Die Reifeprüfung ist zeitlos, damals sogar tabubrechend. Nicht wenige Teenager sind nach einem Uni- oder Schulabschluss desorientiert oder noch viel mehr desillusioniert. Nicht selten finde auch ich mich selbst auf der Suche nach meinem Platz in dieser großen Welt in durchaus kuriosen Situationen wieder. Vielleicht nicht unbedingt mit Anne Bancroft, aber durchaus kurios.

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